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Medizin

„Fließende“ Tumore sind gefährlicher

Konsistenz eines Krebstumors kann Aggressivität und Metastase-Risiko verraten

Tumor in der Darmwand
Je aggressiver und Metastase-trächtiger ein Krebstumor ist, desto steifer und gleichzeitig "fließender" ist er. © Dr_Microbe/ Getty images

Diagnosehilfe: Die Reaktion eines Krebstumors auf Druck und Vibration kann verraten, wie aggressiv er ist und wie schnell er streut, wie Forschende herausgefunden haben. Demnach sind schnellwachsende, metastasierende Tumore deutlich steifer und gleichzeitig fluider als gutartigere Geschwüre. Als fluid – fließend – gilt ein Tumor, wenn er nach dem Eindrücken nicht wieder zurückfedert, weil die Krebszellen im Tumor ihre Positionen gewechselt haben. Messen lässt sich dies mit einem neuentwickelten Verfahren, der Tomoelastografie.

Auf der Suche nach Krebsgeschwüren nutzen Ärzte schon seit Jahrtausenden ihren Tastsinn: Sie untersuchen, ob es Verhärtungen und Knoten im Gewebe gibt. Denn Krebstumore sind meist härter als das sie umgebende Gewebe. Diese Steifigkeit ermöglicht es den aggressiv wuchernden Krebszellen, sich auszubreiten und das umgebende Zellmaterial zu verdrängen.

Zellulärer Platztausch im Krebstumor

Doch gerade bei schnell wachsenden und Metastasen bildenden Tumoren gibt es auch Hinweise auf einen entgegengesetzten Trend: Sie bleiben zwar insgesamt steif, entwickeln aber gleichzeitig eine gewisse Nachgiebigkeit: Statt auf Druck elastisch zurückzufedern, bleiben sie nach mechanischer Verformung deformiert. Wissenschaftler führen dies darauf zurück, dass die Krebszellen im Tumor beweglich sind. Anders als normale, im Gewebe fixierte Zellen, sind sie innerhalb des Krebstumors beweglich und „fließen“.

„Tauschen Zellen im Gewebe ihren Platz, wie in einem fließenden Gewässer, führt das zu einer erhöhten Fließfähigkeit des gesamten Tumors“, erläutert Frank Sauer von der Universität Leipzig. Diese Mobilisierung der Krebszellen könnte, so der Verdacht von Sauer und seinem Team, eine zunehmende Entwicklung des Tumors hin zu einer erhöhten Aggressivität und Metastasierung darstellen. Die Krebszellen werden dabei erst innerhalb des Tumors beweglich, bevor sie dann aus ihm austreten und streuen.

Neues Untersuchungsverfahren verrät Konsistenz

Ob aggressive, weiter entwickelte Krebstumore tatsächlich mechanische Unterschiede zu gutartigen oder noch im frühen Stadium befindlichen Tumoren zeigen, haben Sauer und seine Kollegen nun mithilfe einer an der Charité – Universitätsmedizin Berlin neuentwickelten Methode untersucht. Diese Tomoelastografie (Magnetic resonance elastography, MRE) erzeugt mechanische Vibrationen im Gewebe und bildet es gleichzeitig mittels Magnetresonanztomografie ab. Die resultierenden Aufnahmen verraten, wie steif und fluid ein Tumor auf die mechanische Reizung reagiert.

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Für ihre Studie wertete das Team MRE-Untersuchungen von zwölf Tumorpatienten mit fünf verschiedenen Krebsarten aus: Leberkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Darmkrebs, Prostatakrebs und Hirntumore. „Mit Ausnahme eines gutartigen Lebergeschwürs zeigten alle analysierten Krebstumore signifikante Unterschiede in Steifigkeit und Fluidität gegenüber dem Kontrollgewebe“, berichten die Forschenden. Dafür nahmen sowohl Steifigkeit als auch Fluidität der Tumore zu.

Steifigkeit und Fluidität von Tunmoren
Trends zur Steifigkeit und Fluidität bei Tumoren verschiedener Krebsarten. © Sauer et al./ Advanced Science, CC-by 4.0

Fluidität nimmt mit Tumor-Aggressivität zu

Um herauszufinden, ob es dabei einen Zusammenhang mit dem Stadium und dem Metastase-Risiko des Krebstumors gibt, analysierten Sauer und sein Team als nächstes die mechanischen Eigenschaften von Tumorproben und Krebszellen mit bekanntem Aggressionspotenzial. „Dabei zeigten sich erstaunlich konsistente Muster der Veränderung der mechanischen Materialeigenschaften von Tumoren mit zunehmender Aggressivität“, berichtet Seniorautor Joseph Käs von der Universität Leipzig.

Nach Ansicht des Forschungsteams spricht dies dafür, dass Krebstumore im Laufe ihrer Entwicklung Veränderungen durchlaufen, die an ihren mechanischen Eigenschaften ablesbar sind: Mit fortlaufendem Tumorwachstum wird der Tumor steifer, um besser ins umliegende Gewebe eindringen zu können. Gleichzeitig werden die Krebszellen im Inneren mobiler und die Gefahr des Streuens wächst, was sich an der zunehmenden Fluidität des Krebstumors zeigt.

Neue Möglichkeiten der Diagnose

Diese Erkenntnisse eröffnen damit eine zusätzliche Möglichkeit, den Zustand eines Krebstumors buchstäblich zu erspüren. Die Einschätzung der Fließfähigkeit, der Härte und Textur eines Tumorknotens mit der Tomoelastografie könnte genauere Krebsdiagnosen erlauben und damit dem Patienten mit maßgeschneiderten Behandlungsoptionen helfen.

Deshalb werden die Forschenden das Potenzial der Tomoelastografie nun in weiteren klinischen Pilotstudien testen. Ziel ist es, das Verfahren für die radiologische Diagnostik praktisch nutzbar zu machen. (Advanced Science, 2023; doi: 10.1002/advs.202303523)

Quelle: Universität Leipzig

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