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Neurologie

Was Alkohol mit unserem Gehirn macht

Schon einmaliger Alkoholkonsum stört den Hirnstoffwechsel über Tage hinweg

Neuronen
Schon ein übermäßiger Alkoholkonsum hinterlässt im Gehirn anhaltende Spuren. © libre de droit/ Getty images

Folgenreicher als gedacht: Schon ein alkoholreicher Umtrunk kann unser Gehirn tagelang aus dem Tritt bringen, wie Tests mit Mäusen nahelegen. Demnach führt der einmalige Alkoholgenuss zu einer anhaltenden Verkürzung der Nervenfortsätze und zu Veränderungen im Energiestoffwechsel der Neuronen. Gleichzeitig hatten die betroffenen Tiere noch zwei Tage später Probleme, Entscheidungen zu treffen. Die Forschenden gehen davon aus, dass die Effekte beim Menschen ähnlich sind.

Lange Zeit galt Alkohol in Maßen als harmlos und sogar gesundheitsfördernd. Doch inzwischen ist klar, dass selbst mäßiger Konsum von Wein oder Bier auf Dauer schädliche Wirkungen zeigen kann. Er begünstigt kardiovaskuläre Erkrankungen, Leberschäden und Krebs und beeinträchtigt auch unser Gehirn. Wer längere Zeit zu viel Alkohol trinkt, riskiert Defizite im Urteilsvermögen, der Konzentration und der Gedächtnisleistung. Diese Folgen halten zudem selbst nach Wochen der Abstinenz noch an, wie Studien belegen.

Anhaltende Effekte bei Zellen, Molekülen und Verhalten

Doch wie ist es, wenn man nur an einem Abend mal über die Stränge schlägt? Muss man auch nach einmaligem übermäßigen Alkoholgenuss negative Folgen für das Gehirn fürchten? Das haben nun Johannes Knabbe von der Universität Heidelberg und seine Kollegen näher untersucht. Dafür verabreichten sie Mäusen mit ihrem Trinkwasser eine reichliche Dosis Alkohol. Anschließend untersuchten sie im Verlauf der folgenden Stunden und Tage, ob und wie dies den Hirnstoffwechsel und das Verhalten der Tiere veränderte.

Das Ergebnis: „Nach dem einmaligem Alkoholkonsum identifizierten wir deutliche Effekte auf molekularer, zellulärer und Verhaltens-Ebene“, berichtet das Team. So zeigten die Mäuse noch zwei Tage nach ihrer Trunkenheit Verhaltensänderungen, durch die sie unter anderem Probleme hatten, richtige Entscheidungen zu treffen. Dazu passte, dass im Gedächtniszentrum des Mäusegehirns, dem Hippocampus, die Konzentrationen von 72 Proteinen an den Synapsen um das bis zu Zweifache verändert waren.

Veränderungen noch Tage nach der Trunkenheit messbar

Ebenfalls länger anhaltend waren Veränderungen in der Mobilität der Mitochondrien, vor allem in den Fortsätzen der Neuronen. „Immunofluoreszenzanalysen enthüllten zudem eine Verkürzung der Axon-Enden“, berichten Knabbe und seine Kollegen. Alle diese Effekte waren nicht nur bei den akut betrunkenen Mäusen beobachtbar, sondern auch noch nachdem kein Alkohol mehr im Blut nachweisbar war.

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Nach Ansicht der Forschenden demonstrieren diese Ergebnisse, dass schon ein einmaliger Alkoholgenuss länger anhaltende Veränderungen im Gehirn bewirken kann. Diese betreffen vor allem die Synapsen und damit wichtige Akteure beim Lernen und Gedächtnis. Die Änderungen bei den Mitochondrien könnten zudem eine Rolle für das Suchtrisiko von Alkohol spielen. Denn wie ergänzende Tests bei Drosophila-Fliegen zeigten, verhindert die gezielte Blockade der alkoholinduzierten Mitochondrien-Mobilität das Verlangen nach Alkohol.

„Unsere Daten deuten darauf hin, dass schon eine einzige Alkoholgabe plastische Veränderungen im Gehirn verursacht, die ihrerseits den Weg zu einer Alkoholabhängigkeit ebnen könnte“, schreibt das Forschungsteam. Die weitere Klärung dieser schon nach einmaligem Alkoholkonsum auftretenden Effekte könnte daher helfen, die molekularen und zellulären Mechanismen der Alkoholsucht weiter aufzuklären. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2022; doi: 10.1073/pnas.2122477119)

Quelle: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

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