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Sonnensystem

Kleinster Zwergplanet des Sonnensystems aufgespürt

Nur 430 Kilometer großer Himmelskörper Hygiea im Asteroidengürtel erfüllt alle vier Kriterien

Hygiea
Die nur 430 Kilometer große Hygiea weist alle vier Merkmale eines Zwergplaneten auf – und könnte damit der kleinste Zwergplanet des Sonnensystems sein. © ESO/P. Vernazza et al./MISTRAL algorithm (ONERA/CNRS)

Überraschend kugelig: Der nur 430 Kilometer große Asteroid Hygiea ist der mit Abstand kleinste Zwergplanet des Sonnensystems, wie neue Beobachtungen enthüllen. Denn Hygiea ist trotz seiner geringen Größe fast perfekt rund – und erfüllt damit auch das vierte und entscheidende Kriterium für einen Zwergplaneten, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Astronomy“ berichten. Dies wirft ein neues Licht auch auf andere, noch nicht näher vermessene Objekte dieser Größe im Sonnensystem.

Um als Zwergplanet zu gelten, muss ein Himmelskörper vier Kriterien erfüllen: Er muss die Sonne umkreisen, darf kein Mond sein und muss durch seine eigene Schwerkraft eine nahezu kugelige Form bekommen haben – das sogenannte hydrostatische Gleichgewicht. Im Gegensatz zu echten Planeten haben Zwergplaneten zudem ihre Umlaufbahn nicht von anderen Himmelskörpern „freigeräumt“ – ein Aspekt, der bei Pluto bis heute für Streit sorgt.

Bisher erkennt die Internationale Astronomische Union (IAU) offiziell nur fünf Himmelskörper des Sonnensystems als Zwergplaneten an: die transneptunischen Objekte Pluto, Eris, Haumea und Makemake sowie Ceres im Asteroidengürtel. Jenseits des Neptun gibt es zudem zahlreiche, noch nicht bestätigte Zwergplaneten-Kandidaten – bei ihnen lässt sich die kugelige Form wegen zu geringer Auflösung der Teleskope nicht verlässlich nachweisen. Deshalb war unklar, wo die Untergrenze für einen Zwergplaneten liegt: Ist Ceres mit seinen 950 Kilometer Durchmesser schon der kleinstmögliche Zwergplanet? Oder könnte auch ein kleinerer Himmelskörper genügend Schwerkraft für die Kugelform besitzen?

Hygiea und Vesta
Obwohl Hygiea fast 100 Kilkometer kleiner ist als Vesta, ist sie fast perfekt kugelig, Vesta dagegen nicht. © ESO/P. Vernazza et al./MISTRAL algorithm (ONERA/CNRS)

Hygiea im Visier

Eine Antwort auf diese Frage liefern nun neue Beobachtungen des viergrößten Objekts im Asteroidengürtel – des 430 Kilometer großen Asteroiden Hygiea. „Hygeia konnte noch nie mit genügend hoher Auflösung beobachtet werden, um Details seiner Oberfläche zu zeigen oder seine Form und Größe näher zu bestimmen“, erklären Pierre Vernazza vom Astrophysikalischen Laboratorium in Marseille und seine Kollegen.

Während die beiden größeren Asteroiden Vesta und Pallas für Zwergplaneten eindeutig zu unregelmäßig geformt sind, konnte dies für Hygiea bislang weder bestätigt noch ausgeschlossen werden. Deshalb haben die Astronomen nun Hygiea erstmals mit dem SPHERE-Instrument am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte in Chile näher untersucht. Dank der adaptiven Optik dieses Instruments konnten sie so erstmals genauere Daten über seine Merkmale gewinnen.

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Klein, und trotzdem eine fast perfekte Kugel

Das überraschende Ergebnis: Obwohl Hygiea mit 430 Kilometern deutlich kleiner ist als Vesta oder Pallas, zeigt er auffallende Ähnlichkeiten zum Zwergplaneten Ceres. Er besitzt eine ähnliche Dichte und Zusammensetzung und seine Oberfläche ist wie bei Ceres glatt und frei von größeren Kratern. „Unsere Analysen zeigen, dass die großräumige Topografie von Hygiea der von Ceres ähnelt – große Einschlagsbecken scheinen auf seiner Oberfläche zu fehlen“, so Vernazza und sein Team.

Das Entscheidende jedoch: Hygiea ist fast perfekt kugelig, wie computergestützte Auswertungen der Beobachtungsdaten enthüllen. Obwohl Hygiea nicht einmal halb so groß ist wie Ceres, reicht demnach seine Größe und Schwerkraft aus, um eine sphärisch geformte Oberfläche zu erzeugen. Damit könnte auch dieser Himmelskörper alle vier Kriterien für einen Zwergplaneten erfüllen.

Kollision machte Hygiea rund

Nach Ansicht der Astronomen müsste man daher auch Hygiea als Zwergplaneten einstufen. „Dank dieser Bilder kann Hygiea als Zwergplanet reklassifiziert werden – der bisher kleinste im Sonnensystem“, sagt Vernazza. Das würde bedeuten, dass einige Zwergplaneten sogar kleiner sein können als manche unregelmäßig geformten Asteroiden. Wie aber ist das zu erklären?

Wie die Forscher berichten, verdankt Hygiea ihre kugelige Gestalt einer katastrophalen Kollision vor rund zwei Milliarden Jahren. Dabei stieß ein größeres Vorläuferobjekt frontal mit einem rund 100 Kilometer großen Asteroiden zusammen und beide wurden vollständig zerstört. Als sich dann Hygiea aus den Trümmern bildete, verhielten sich ihre Komponenten beim Zusammenballen eher wie eine Flüssigkeit. Das ermöglichte es der Schwerkraft, sie zu einer fast perfekten Kugel zu formen, wie die Astronomen erklären.

Kollision des Hygiea-Vorläufers und die Bildung der kugeligen Hygiea.© P. Sevecek/Charles University

Noch mehr kleine Zwergplaneten

Vernazza und sein Team vermuten, dass es vor allem im Gebiet jenseits des Neptuns nicht nur weitere große Zwergplaneten gibt, sondern auch zahlreiche Zwergplaneten mit ähnlich geringer Größe wie Hygiea. Zu ihnen könnte auch das erst Ende 2018 entdeckte Objekt „Farout“ gehören – es wäre dann trotz seiner nur 500 Kilometer Durchmesser sogar der fernste bekannte Zwergplanet. Bisher reicht die Auflösung der Teleskope aber nicht aus, um die Form dieser transneptunischen Objekte klar genug zu zeigen. (Nature Astronomy, 2019; doi: 10.1038/s41550-019-0915-8)

Quelle: ESO

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