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Phänomene

Rätsel der „grünen Geister“ gelöst

Ursache für seltenes Leuchtphänomen auf der Spitze von Gewitter-Sprites identifiziert

Sprite
Am oberen Ende mancher Koboldblitze – hier als senkrecht aufragendes rotes Leuchtbündel zu erkennen – gibt es ein kurzes grünliches Nachleuchten (hier nicht zu sehen). Die Ursache für dieses "Ghost" getaufte Phänomen haben Forschende jetzt aufgeklärt. © NASA

Mysteriöses Leuchten: Forschende haben erstmals die Ursache für eine erst vor Kurzem entdeckte Leuchterscheinung am Himmel geklärt – die „grünen Geister“. Dieses nur wenige hundert Millisekunden anhaltende grünliche Leuchten erscheint an der Spitze von Sprites – seltenen, von Gewitterwolken aufwärts zuckenden Entladungen. Spektrale Analysen enthüllen nun, warum einige dieser normalerweise blauen oder roten Strahlen am oberen Ende grün nachleuchten – und zeigen Überraschendes.

Gewitterblitze gehören zu den stärksten elektrischen Entladungen der Atmosphäre, sie können bis zu einer Milliarde Volt erreichen. Doch bei manchen Gewittern können die Entladungen nicht nur in den Wolken zucken oder zum Boden schießen, sondern auch weit über den Gewitterwolken energiereiche Leuchterscheinungen hervorrufen. Zu diesen bis in die Stratosphäre und sogar Mesosphäre reichenden Entladungen gehören die oft rötlichen, faden- oder büschelförmigen Sprites, zu deutsch Koboldblitze, aber auch der „blaue Strahl„.

Koboldblitz
Dieser energiereiche Koboldblitz zeigte an seinem oberen Ende für kurze Zeit einen „Grünen Geist“ – hier nicht mit eingefangen. © Passas-Varo et al./ Nature Communications, CC-by 4.0

Doch es gibt noch ein weiteres, erst kürzlich entdecktes Leuchtphänomen: die „Ghosts“ oder „grünen Geister“. Ein US-Astrofotograf lichtete diese Leuchterscheinung im Mai 2019 zufällig ab, als er während eines starken Gewitters Sprites fotografierte. An der oberen Spitze einiger dieser energiereichen Koboldblitze beobachtete er ein grünliches Nachleuchten, das einige hundert Millisekunden anhielt. Seither wurden diese „Ghosts“ weltweit schon mehrfach gesichtet.

Erstes Spektrum eines „grünen Geists“

Was aber steckt dahinter? Das haben nun María Passas-Varo vom astrophysikalischen Institut Andalusiens und ihr Team untersucht. Dafür legten sie sich mit Infrarotkameras und einem speziell auf die Beobachtung von Sprites ausgelegten Spektrografen am Observatorium von Castellgali bei Barcelona auf die Lauer. Im Verlauf von rund zwei Monaten beobachteten sie 42 Sprites, von denen eines das erhoffte grüne Leuchten an seiner Spitze zeigte – einen „Ghost“.

Der Koboldblitz mit dem „grünen Geist“ an seiner Spitze begann rund 50 Kilometer über der Erdoberfläche und reichte 47 Kilometer weit in die Höhe. Der größte Teil dieser büschelförmigen, fast quallenartig geformten Entladung strahlte rötlich und in geringerem Anteil bläulich – Farben die von angeregten Stickstoffmolekülen erzeugt werden, wie Passas-Varo und ihr Team erklären. Es gelang ihnen erstmals, auch den gegen Ende des Koboldblitzes auftretenden „grünen Geist“ spektroskopisch einzufangen.

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Spektrum
Spektrum des „grünen Geists“, unten zwei Ausschnittsvergrößerungen, die die für das Leuchten relevanten Spektralemissionen verdeutlichen.© Passas-Varo et al./ Nature Communications, CC-by 4.0

Eisen und Nickel statt Sauerstoff und Co

Die Analysen enthüllten Überraschendes: Anders als erwartet geht das grünliche Leuchten dieses seltenen Phänomens nicht primär auf angeregten Sauerstoff zurück – das Molekül, das auch die meisten Polarlichter grünlich leuchten lässt. Stattdessen spielen vier andere Moleküle die Hauptrolle bei dieser Leuchterscheinung: „Wir konnten im allmählich verblassenden Ghost-Leuchten vier spektrale Signaturen nachweisen: atomares Eisen, Nickel, molekularen Stickstoff und ionisierten molekularen Sauerstoff“, berichtet das Team.

Das Ungewöhnliche daran sind die beiden Metalle. Nach gängiger Vorstellung gehen Leuchterscheinungen in der Atmosphäre vor allem auf die gasförmigen Komponenten der Luft zurück, darunter Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff, Kohlenstoff und Argon. Doch im Falle der Ghosts setzen die von den elektrischen Entladungen angeregten Eisen- und Nickelatome das grünliche, zu geringeren Teilen auch gelbliche oder orangefarbene Licht frei. „Der Nachweis der Metallspuren in diesem „Ghost“-Spektrum erfordert ein Upgrade der gängigen Modelle der atmosphärischen Plasma-Kinetik“, so Passas-Varo und ihre Kollegen.

Metallpartikel aus dem All

Doch woher kommen diese Metalle? Des Rätsels Lösung liefert der Weltraumstaub: Tausende Tonnen solcher winzigen Meteore treffen jährlich auf die Erdatmosphäre und verglühen. Dabei hinterlassen sie die in ihnen enthaltenen Elemente, darunter auch Metalle wie Eisen und Nickel. Diese Atome und Ionen finden sich in der irdischen Mesosphäre in Konzentrationen von 100 bis 100.000 Teilchen pro Kubikzentimeter, wie die Forschenden berichten Dabei stehen Absinken, Oxidation und der Nachschub durch Weltraumstaub in einem Gleichgewicht.

Diese „himmlischen“ Metallpartikel liefern die Erklärung dafür, warum das grüne Geisterleuchten nur manchmal an der Spitze der Koboldblitze erscheint: Die dichteste Zone der metallhaltigen Mesosphärenschicht liegt in rund 85 Kilometer Höhe, variiert aber je nach Tages- und Jahreszeit stark. „Die hohe Variabilität der Untergrenze dieser meteorischen Metallschicht könnte dafür verantwortlich sein, dass nicht alle energiereichen Sprites einen Ghost entwickeln“, erklärt das Team. (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-42892-1)

Quelle: Nature Communications

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