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Geowissen

„Blauer Strahl“ enträtselt

Daten von der Raumstation ISS verraten Ursprung der seltenen Blauen Blitze

Blue Jet
Dieser blaue Strahl ist ein Blue Jet, eine seltene Form der elektrischen Entladung, die von der Wolkenobergrenze nach oben ausstrahlt. © ESA

Seltenes Phänomen eingefangen: Ein Observatorium auf der Raumstation ISS hat erstmals die Entstehung von „Blauen Jets“ aufgezeichnet – blauer Blitze, die von der Wolkendecke aus nach oben in die Stratosphäre rasen. Diese elektrischen Entladungen sind extrem selten und bisher war unklar, wie und warum sie entstehen. Die neuen Beobachtungen enthüllen nun den Ursprung dieses ungewöhnlichen Blitzphänomens.

Sie erreichen Spannungen von bis zu 1,3 Milliarden Volt, können hunderte Kilometer überspannen und sogar Antimaterie erzeugen: Blitze sind ein faszinierendes Phänomen der Natur. Doch neben diesen den „normalen“ Gewitter-Blitzen zwischen Boden und Gewitterwolke oder innerhalb der Wolkendecke gibt es auch Entladungen, die sich über den Gewitterwolken ereignen. Zu diesen seltenen Phänomen gehören die oft rötlich leuchtenden Koboldblitze oder „Sprites„, aber auch die rätselhaften „Blue Jets“.

Blitzarten
Höhe und Form von Blue Jets und anderen atmosphärischen Entladungen. © NOAA

Ursprung unklar

„Blue Jets sind blitzähnliche, elektrische Entladungen in der Atmosphäre, die wenige hundert Millisekunden anhalten und sich von der Oberseite der Gewitterwolken in die Stratosphäre ausbreiten“, erklären Torsten Neubert von der Technischen Universität Dänemarks und seine Kollegen. Dabei können die Blauen Strahlen sich zu kegelartigen Fächern aufweiten. Allerdings sind diese Blue Jets nicht nur kurzlebig und extrem rar, sie sind auch nur vom All aus sichtbar.

Deshalb war bislang unklar, wie und warum diese blauen Plasma-Entladungen entstehen. „Man vermutet, dass sie ihren Ursprung in einem elektrischen Kurzschluss zwischen den positiv geladenen oberen Regionen einer Wolke und einer Schicht von negativen Ladungen an der Wolkengrenze und der Luft darüber haben“, erklären die Forscher. Dabei entsteht eine Vorentladung, der sogenannte Leader, von dem dann die blauen „Streamer“ ausgehen – so die Hypothese. Doch wie und wo der Leader entsteht, war unbekannt.

ISS-Observatorium fängt Blue Jets ein

Jetzt ist es Neubert und seinem Team gelungen, gleich fünf dieser seltenen blauen Stratosphärenblitze mitsamt ihrer Vorgeschichte zu beobachten. Möglich wurde dies dank des ASIM-Observatoriums, einem Ensemble von Kameras, Photometern und Gamma- und Röntgenstrahlendetektoren, die an der Internationalen Raumstation ISS angebracht sind.

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Aus rund 400 Kilometer Höhe kann dieses Observatorium von oben auf die irdischen Wolken herunterblicken und dadurch auch die von der Erdoberfläche unsichtbaren Entladungen detektieren und messen. Im Februar 20919 gelang es den Forschern damit, gleich fünf helle, jeweils rund zehn Mikrosekunden dauernde Blue Jets über der Pazifikinsel Nauru einzufangen. Durch Abgleich mit erdbasierten Messungen konnten sie dabei erstmals auch die Vorstadien dieser Entladung bestimmen.

Diesen Blue Jet filmte die ASIM-Kamera von der Internationalen Raumstation aus.© ESA

Blaue Blitze in Begleitung von „Elfen“

Die Beobachtungen enthüllten, dass die Strahlung der Blue Jets innerhalb von wenigen Mikrosekunden um gut das Hundertfache an Intensität im blauen Bereich des Spektrums zunimmt und dann wieder abflaut. Eine dieser Entladungen war so stark, dass sie einen pulsierenden Blauen Blitz an der Grenze zwischen der Ionosphäre und Stratosphäre in 56 Kilometern Höhe auslöste. Zudem wurden alle blauen Blitze am Anfang von UV-Pulsen begleitet. Die Forscher sehen darin sogenannte „Elfen“ – ringförmige Entladungen, die von manchen hohen Entladungen ausgehen.

Interessant aber war vor allem, was fehlte: Aus den Messdaten ging hervor, dass weder die Blue Jets noch ihre Vorentladungen mit normalen Blitzen in Verbindung standen. „Die geringe Ausdehnung der Leader deutet zudem daraufhin, dass auch sie nicht weit über oder unter die Wolkenspitzen hinausreichen“, erklären Neubert und sein Team.

Nature-Cover
Die ertappten Blue Jets schafften es sogar auf das Cover des Fachmagazins „Nature“. © Nature

Neuer Blick auf atmosphärischen „Stromkreis“

Die Forscher schließen daraus, dass die Blauen Blitze auf der Emission von angeregtem, ionisiertem Stickstoff beruhen und dass sie das optische Äquivalent zu einer im Radiobereich bereits bekannten Entladungsform sind. Diese negativen bipolaren Ereignisse können auch normale Blitze in Wolken und von Wolken zum Boden auslösen, aber – wie sich nun zeigt – auch die nach oben ausstrahlenden Blue Jets.

Gleichzeitig werfen ihre Beobachtungen auch ein neues Licht auf die elektrischen Ströme in der oberen Atmosphäre. „Die Existenz von sehr intensiven und heftigen hohen Entladungen wie den Blue Jets bedeutet, dass der globale elektrische Stromkreis nicht so kontinuierlich ist wie wir dachten“, sagt Koautor Victor Regler von der Universität von Valencia. „Stattdessen hat er Entladungs-Peaks, die seine Elektronendichte beeinflussen.“ (Nature, 2021; doi: 10.1038/s41586-020-03122-6)

Quelle: European Space Agency (ESA), Asociacion RUVID

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