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Geowissen

Hitzeschock am Nordpol

Klimaerwärmung vor 55 Millionen Jahren löste Massensterben aus

Eisbrecher VIDAR VIKING an der Bohrlokation © M. Jakobssohn, IODP

Vor 55 Millionen Jahren hat eine drastische Klimaerwärmung im Nordpolarmeer zu einem Massenaussterben geführt. Diese Entdeckung haben jetzt Wissenschaftler der internationalen ACEX-Expedition (Arctic Coring Expedition = Arktische Bohrexpedition) gemacht. An der Grenze vom Paläozän zum Eozän war der Arktische Ozean an die 20 Grad Celsius warm und eisfrei, so ihre Erkenntnis.

Wissenschaftler mehrerer Disziplinen erbohren seit Mitte August unter Einsatz von drei Eisbrechern 250 Kilometer vom Nordpol entfernt Ablagerungen am Grund des Arktischen Ozeans. Etwa 390 Meter unter dem Meeresboden fand das internationale Forscherteam aus acht Nationen in über 400 Meter mächtigen Schichten Überreste winziger Meeresalgen, die an subtropische Temperaturen angepasst waren. Andere Mikroorganismen im Sediment zeugten von heftigen biologischen Umwälzungen im arktischen Ozean und vom plötzlichen Aussterben vieler Meeresorganismen.

Untermeerisches Gebirge enthüllt Klimageschichte

Immer wieder behinderten meterdicke Treibeisschollen die Arbeiten der Wissenschaftler. In den letzten Tagen zeigten sich Wind und Wetter jedoch gnädig. Das Team konnte die Sedimente komplett durchbohren und erreichte das darunter liegende, rund 80 Millionen Jahre alte Gestein des Lomonossow-Rückens. Dieser 1.500 Kilometer lange untermeerische Gebirgsrücken war einst Teil des eurasischen Kontinents; heute erstreckt er sich von Grönland bis Sibirien mitten durch das arktische Becken.

„Vor 55 Millionen Jahren, an der erdgeschichtlichen Grenze von Paläozan und Eozän, herrschten auf der Erde extreme Treibhausbedingungen – auch in der Arktis, wie wir jetzt wissen,“ sagt Expeditionsleiter Prof. Jan Backmann von der Universität Stockholm mit Blick auf die jetzt gefundenen subtropischen Meeresalgen. „Auf der Basis unserer vorläufigen Befunde müssen wir die frühe Geschichte des Arktischen Beckens ganz neu bewerten. Offensichtlich war das Klima damals wechselhafter als wir bislang angenommen haben.“

Sedimentkerne zeigen Massensterben

An Bord der Eisbrecher konnte das Wissenschaftlerteam nur wenige Sedimentproben untersuchen. Anfang November treffen sich daher etwa 35 ACEX-Wissenschaftler in Bremen, um das arktische Klimapuzzle vollständig zu entschlüssen. Im Bohrkernlager der Universität werden die Sedimentkerne geöffnet und analysiert. Mit weiteren spannenden Ergebnissen ist zu rechnen: „In unseren Proben finden wir nämlich auch Anzeichen für ein Massensterben im Meer, das sich vor 55 Millionen Jahren ereignete“, erklärt Dr. Michael Kaminski vom University College, London. „Die mehr als 55 Millionen Jahre alten Ablagerungen aus der Epoche des Paläozäns deuten auf ein reiches Ökosystem am Meeresboden hin. Kurz darauf, im Eozän, sind viele Arten verschwunden. Nur einige robuste Organismen überstanden den Wärmeschock am Nordpol.“

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Deutscher IODP-Beitrag gefährdet

Die knapp zehn Millionen Euro teure arktische Bohrexpedition wird im Rahmen des Integrierten Ozeanbohr-Programms (IODP = Integrated Ocean Drilling Program) durchgeführt, an dem die USA, Japan und 14 europäische Nationen beteiligt sind. Damit werden durch Bohrungen im Weltozean unter anderem die Klima- und Umweltgeschichte unseres Planeten erforscht. Ob deutsche Wissenschaftler indes auch zukünftig an seiner Erfolgsgeschichte mitschreiben werden, ist derzeit ungewiss: „Das Bundesforschungsministerium zögert, den zugesagten IODP-Bundesanteil in Höhe von 1,75 Millionen Euro für 2005 zur Verfügung zu stellen“, sagt Hermann-Rudolf Kudrass, der an der Bundesanstalt für Geowissenschaften Hannover den deutschen IODP-Beitrag koordiniert. „Damit wird der europäische Beitrag zum Integrierten Ozeanbohr-Programm insgesamt gefährdet.“

(Forschungszentrum Ozeanränder, 07.09.2004 – ESC)

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