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Archäologie

Antikes syrisches Mosaik entdeckt

Ausgrabungen in der Türkei liefern Einblick in das Stadtleben im alten Syrien

Teil des freigelegten Mosaikbodens in einem spätantiken Gebäude in Doliche. © Peter Jülich

Vom Bürgerkrieg verschont: Archäologen haben wertvolle Mosaiken und Gebäude aus dem antiken Syrien entdeckt – nicht in Syrien selbst, sondern auf dem Gebiet der heutigen Türkei. Während das syrische Kulturerbe anderswo Stück für Stück unwiederbringlich zerstört wird, blieb es dort bisher erhalten. Die neuen Funde liefern einen wertvollen Einblick in das städtische Leben der alten Syrer.

Das Gebiet des heutigen Syrien war einst die Heimat vieler Kulturen, doch durch den Bürgerkrieg und die IS droht ihr Erbe für immer zu verschwinden. „Besonders schlimm steht es heute um den Ort Apameia, eine der bedeutendsten antiken Städte Syriens“, erklärt der Archäologe und Grabungsleiter Engelbert Winter von der Universität Münster. „Raubgrabungen haben das ganz Stadtgebiet zerstört. Satellitenbilder zeigen dies. Ob dort je wieder Forschung möglich ist, bleibt fraglich. Auch die jüngst wieder aufgenommenen Grabungen in Kyrrhos mussten wegen der aktuellen Lage eingestellt werden.“

Antike syrische Stadt in der Türkei

Doch zumindest einige einst syrische Orte liegen in der heutigen Türkei und sind daher der Bedrohung entgangen. In einer dieser Städte führen deutsche Archäologen Ausgrabungen durch – und haben dort nun neue Entdeckungen gemacht. „Die antike Stadt Doliche, die in römischer Zeit Teil der Provinz Syria war, liegt heute am Rande der türkischen Metropole Gaziantep“, erläutert Winter. „Die Stadt ist eine der wenigen Orte, an denen aktuell die syrische Stadtkultur aus hellenistisch-römischer Zeit noch untersucht werden kann.“

Blick über Doliche in der Türkei © Forschungsstelle Asia Minor

Die Grabungen der Forscher haben bereits einige wertvolle Funde zutage gefördert, darunter ein rätselhaftes Götterbild, hunderte von antiken Siegeln und Amuletten und die bisher älteste bekannte Darstellung des römischen Gottes Jupiter Dolichenus. Sie liefern wertvolle Informationen zur städtischen und religiösen Kultur im antiken nordsyrischen Binnenland.

Mosaikboden mit filigranem Muster

Nun haben die Archäologen in Doliche erneut einen wichtigen Fund gemacht: „Die herausragende Entdeckung unserer Grabungen ist ein Mosaikboden von hoher Qualität in einem prächtigen spätantiken Gebäudekomplex mit säulenumstandenem Hof, der ursprünglich weit über 100 Quadratmeter groß war“, erläutert der Archäologe Michael Blömer. „Wegen der Größe und streng durchkomponierten Abfolge filigraner geometrischer Muster zählt das Mosaik zu einem der schönsten Beispiele spätantiker Mosaikkunst in der Region.“

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Noch ist die Funktion des Bauwerks unklar. Die Forscher vermuten aber, dass es sich um eine reiche Stadtvilla handeln könnte. Daneben legte das Forscherteam einfache Häuser, Gassen und Wasserleitungen frei, die wichtige Einblicke in den Alltag der Bevölkerung und die Organisation der Stadt versprechen. „Diese ersten Funde zeigen bereits, welches Potential die Anlage für die weitere Erforschung der Lebensumwelt städtischer Eliten und für Fragen von Ausstattungsluxus im urbanen Raum besitzt“, so Blömer.

Statuette eine bronzenen Hirsches aus dem frühen 1. Jahrtausend vor Christus © Peter Jülich

Heiligtum und Bronzehirsch

2016 sollen die Ausgrabungen auf die öffentlichen Bereiche der antiken Stadt ausgedehnt werden. „Durch verschiedene Methoden hoffen wir, ein verlässliches Bild einer nordsyrischen Stadt von der hellenistischen Epoche bis in die Kreuzfahrerzeit zu gewinnen“, erklärt Blömer. „Außerdem könnte dies Einblick in die materielle Alltagskultur und lokale Identität in dieser Region geben, deren Erforschung im antiken Syrien noch am Anfang steht.“

Zeitgleich zur Grabung im Stadtgebiet von Doliche setzte eine zweite Gruppe die Ausgrabungen auf dem benachbarten Berg Dülük Baba Tepesi im Heiligtum des Iuppiter Dolichenus fort. Neben gut erhaltenen Abschnitten der Ummauerung des römischen Heiligtums wurden weitere Teile eines christlichen Klosters freigelegt, das dort nach Ende des heidnischen Kultes auf dem Berggipfel gegründet wurde.

In den vergangenen Jahren hatten die Forscher viele wertvolle Funde bergen können, die zeigen, dass der Ort bereits im 9. und 8. Jahrhundert vor Christus als Heiligtum genutzt wurde und damit wesentlich älter ist als zunächst angenommen. Dies bestätigte sich in diesem Jahr durch den Fund der Statuette eines bronzenen Hirsches, die ebenfalls in das frühe 1. Jahrtausend vor Christus datiert.

(Exzellenzcluster „Religion und Politik“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, 03.11.2015 – NPO)

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