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Biologie

Warum Seelöwen gähnen

Gähnen ist bei den Robben Ausdruck von Schläfrigkeit, aber auch Stress

Seelöwe
Müde oder gestresst? Bei Seelöwen kann Gähnen beides bedeuten. © lapuerta/ iStock.com

Mehr als ein Zeichen der Müdigkeit: Seelöwen gähnen nicht nur, wenn sie schläfrig sind. Das Gähnen ist bei den Robben offenbar auch ein Ausdruck von Stress, wie Beobachtungen nahelegen. Demnach zeigen die Tiere dieses Verhalten besonders häufig nach sozialen Auseinandersetzungen – ein ähnliches Phänomen ist auch von Schimpansen bekannt. Womöglich hilft das Gähnen in diesem Fall dabei, Anspannung abzubauen.

Gähnen gilt gemeinhin als Zeichen von Müdigkeit – und hat auch eine physiologische Funktion. Forscher gehen davon aus, dass dieses Verhalten unter anderem der Kühlung des Gehirns dient. Darüber hinaus kann ein herzhaftes Gähnen soziale Hintergründe haben: Sowohl wir Menschen, aber auch Schimpansen, Hunde und sogar Vögel lassen sich vom Gähnen anderer anstecken. Das Mitgähnen gilt als Ausdruck von Empathie.

Gängiger Annahme nach dient das Gähnen bei manchen Tieren zudem als Kommunikationsmittel und Ausdruck des emotionalen Zustands. Wer gähnt und dabei seine Zähne zeigt, spricht damit zum Beispiel eine subtile Drohung an die Konkurrenz aus. Was Tiere mit ihrem Gähnen wirklich ausdrücken, ist allerdings längst nicht bei allen Arten klar.

Seelöwen
In welchen Situationen gähnen die Robben? © jack_armstrong/ iStock.com

Gähnende Robben im Visier

Meeressäuger gehören dabei zu den bisher kaum erforschten Spezies, wie Elisabetta Palagi von der Universität Pisa und ihre Kollegen erklären: „Spontanes Gähnen ist ein weit verbreitetes Verhalten unter Wirbeltieren. Doch Daten zu marinen Säugetieren sind rar.“ Aus diesem Grund haben sich die Wissenschaftler nun charismatischen Vertretern dieser Tiergruppe gewidmet: den Südamerikanischen Seelöwen (Otaria flavescens).

Warum gähnen diese auch als Mähnenrobben bekannten Küstenbewohner? Um dies herauszufinden, beobachtete Palagis Team 14 Monate lang das Verhalten einer in Gefangenschaft lebenden Seelöwengruppe aus dem Ozeaneum in Valencia. Die Tiere leben dort in ähnlichen Sozialstrukturen, wie sie von Kolonien wildlebender Mähnenrobben bekannt sind.

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Ausdruck von Angst und Anspannung

Die Beobachtungen offenbarten: Besonders häufig gähnten die Seelöwen, wenn sie sich ausruhten, mit geschlossenen Augen herumlagen und nichts taten. Auch bei ihnen scheint das Gähnen demnach ein Zeichen von Trägheit und Schläfrigkeit zu sein, wie die Forscher berichten.

Doch auch in anderen Situationen gähnten die Robben auffallend oft: immer dann, wenn es zu sozialen Konflikten gekommen war. Sowohl der Angreifer als auch das Opfer rissen unmittelbar nach solchen Auseinandersetzungen häufig ihr Maul auf und gähnten. Palagi und ihre Kollegen deuten dieses Verhalten daher als Ausdruck von Angst und Anspannung. Womöglich diene das Gähnen dazu, dem Stress förmlich Luft zu machen und sich wieder zu entspannen.

Gemeinsamkeit mit Schimpansen und Co

Das Interessante daran: Auch bei anderen Tierarten haben Biologen bereits beobachtet, dass sie im Kontext von Stress vermehrt gähnen. Dies ist zum Beispiel bei Lemuren und Schimpansen der Fall. So stellte die Primatenforscherin Jane Goodall bei der Erforschung der Schimpansen im Gombe-Stream-Nationalpark in Tansania fest: Die Affen gähnten häufiger, wenn Menschen in ihrer Nähe waren – eine für sie offenbar stressige Situation.

Damit zeichnet sich ab: Gähnen könnte ein Verhalten sein, das bei ganz unterschiedlichen Spezies vergleichbare Zwecke erfüllt. „Spontanes Gähnen scheint bei vielen Säugetieren, die in gut strukturierten sozialen Gruppen leben, ähnliche Funktionen zu haben – unabhängig von ihrer phylogenetischen Verwandtschaft und ihrem bevorzugten Lebensraum“, konstatieren Palagi und ihre Kollegen.

Auch ansteckend?

In Zukunft wollen die Wissenschaftler untersuchen, welchen Zweck das Gähnen bei den Seelöwen noch erfüllt. „Unser nächster Schritt wird sein zu analysieren, ob das Gähnen auch bei ihnen ansteckend wirkt. Dies wäre ein weiterer Beleg dafür, dass der Mensch in seinem Verhalten vielen Tierarten näher ist als er denkt“, so das Fazit des Teams. (Scientific Reports, 2020; doi: 10.1038/s41598-019-53613-4)

Quelle: Asociación RUVID

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