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Neurobiologie

Vögel: Nesthocker sind schlauer

Vogelarten mit besonders vielen Hirnzellen brauchen als Küken länger

Schwefelhaubenkakadu
Einige Vogelarten wie dieser Kakadu gelten als besonders lernfähig und intelligent. Wie sich dies am Gehirn dieser Vögel zeigt, haben Forschende nun untersucht. © tracielouise/ Getty images

Ob Krähen, Kakadus oder Raben: Einige Vögel stehen den Primaten in ihrer Intelligenz kaum nach. Doch was unterscheidet ihre Gehirne von denen anderer Vögel? Wie eine Studie enthüllt, besitzen die klügeren Vögel ein größeres Gehirn und mehr Neuronen in bestimmten Hirnarealen. Das wiederum wurde möglich, weil die Küken dieser Vogelarten Nesthocker sind: Ihre Gehirn hat auch nach dem Schlupf noch viel Zeit, zu wachsen und heranzureifen, wie die Forschenden berichten.

Vögel besitzen anders als Säugetiere keine Großhirnrinde und damit fehlt ihnen die anatomische Voraussetzung für höhere Intelligenz – dachte man. Doch inzwischen ist klar, dass einige Vogelgruppen, darunter vor allem Krähenvögel und Papageien kaum weniger klug und innovativ sind als Primaten: Sie können zählen, basteln Werkzeuge und glänzen sogar als Tresorknacker. Diese komplexen mentalen Aufgaben bewältigt das Vogelhirn vor allem im Pallium, einer Region im Vorderkopf, die als Gegenstück zu unserer Großhirnrinde gilt.

Gimpelfink
Dieser Barbados-Gimpelfink beweist seine innovative Intelligenz: Er hat gelernt, solche Zuckerpäckchen zu stibitzen und als Futter zu nutzen. © Louis Lefebvre

Blick ins Gehirn von 111 Vogelarten

Doch warum zeigen nur einige Vogelgruppen herausragende kognitive Fähigkeiten, andere aber nicht? So gelten Enten- und Hühnervögel, Strauße oder auch manche Greifvögel nicht unbedingt als Geistesriesen – auch wenn ihr Gehirn kaum kleiner ist als das der Krähen oder Kakadus. Um zu klären, welche Gehirn-Merkmale einen Vogel intelligent machen, haben Daniel Sol vom Zentrum für ökologische Forschung in Katalonien und sein internationales Team sich die Gehirn von 111 Vogelarten aus 24 Familien näher angeschaut.

Es zeigte sich: Die Vogelarten, die als besonders intelligent und innovativ gelten, haben im Schnitt eine höhere Zahl von Hirnzellen. Dieser Zusammenhang blieb auch dann bestehen, als die Forschenden die Körpergröße und -masse mit einbezogen. „Die Innovationsfreudigkeit ist bei den Vögeln höher, deren Gehirn im Verhältnis zu ihrer Körpergröße überproportional viele Neuronen aufweist“, berichten Sol und seine Kollegen. Gänse oder Eulen haben zwar ein relativ großvolumiges Gehirn, aber deutlich weniger Hirnzellen als gleichgroße Papageien oder Krähenvögel.

Neuronenzahl im Pallium entscheidend

Nähere Analysen ergaben, dass die zusätzlichen Neuronen nicht gleichmäßig im Gehirn verteilt sind. Als entscheidend für die Intelligenz einer Vogelart erweisen sich vor allem die Zellzahlen im Pallium – dem evolutionär jüngsten und hochentwickeltsten Hirnteil der Vögel. „Unsere Ergebnisse bestätigen damit die Hypothese, dass Intelligenz die Fähigkeit widerspiegelt, möglichst viele Neuronen einer Aufgabe zu widmen“, erklärt das Team.

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Warum haben aber nur einige Vögel entsprechend große Mengen an Hirnzellen entwickelt? Untersuchungen bei anderen Tiergruppen legen nahe, dass die Embryonalentwicklung und die Dauer der „Kindheit“ eine Rolle spielen können. Denn je länger sie dauern, desto mehr Zeit hat das Gehirn, um zu wachsen und Neuronen zu bilden. Sol und seine Kollegen haben deshalb untersucht, ob sich diese Entwicklungsphasen bei intelligenteren und weniger intelligenten Vogelarten unterscheiden.

Nesthocker sind im Vorteil

Und tatsächlich zeigten sich auffallende Unterschiede: Vogelarten mit weniger neuronenreichen Gehirnen sind meist Nestflüchter – ihre Küken schlüpfen fast fertig entwickelt aus dem Ei und können sofort laufen, schwimmen und fressen. Beispiele dafür sind Hühner, Enten oder Gänse. Ihr Gehirn und vor allem ihr Pallium bildet sich noch im Ei aus – wächst aber nach dem Schlupf kaum mehr weiter, wie die Forschenden in vergleichenden Analysen ermittelten.

Anders ist dies hingegen bei den Küken von Krähen, Papageien und andere „klugen“ Vögeln: Sie sind meist Nesthocker, die nackt und blind schlüpfen und nur langsam heranreifen. Analysen ergaben, dass das Gehirn dieser Küken während dieser Nestlingszeit überproportional viele neue Neuronen bildet – deutlich mehr als bei Nestflüchtern. „Die Zeit, in der die Küken im Nest heranwachsen, könnte demnach eine entscheidende Rolle für die Entwicklung ihrer Intelligenz spielen“, sagt Koautor Louis Lefebvre von der McGill University in Kanada.

Diese Ergebnisse bestätigen, dass auch bei Vögeln das Hirnvolumen allein nur wenig über die kognitiven Leistungen aussagt. Stattdessen spielt die Größe und Zelldichte vor allem der höheren Hirnregionen eine wichtige Rolle. Und ähnlich wie bei uns Primaten, scheint eine relativ lange Kindheit auch bei den Vögeln förderlich für Hirnwachstum und Intelligenz zu sein. (Nature Ecology and Evolution, 2022; doi: 10.1038/s41559-022-01815-x)

Quelle: McGill University

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