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Botanik

Himalaya-Moos ist älteste landlebende Pflanze

Takakia-Moos zweigte schon vor 390 Millionen Jahren von anderen Moosen und Landpflanzen ab

Takakia-Moos
Dieses Takakia-Moos aus dem Hochland von Tibet ist ein lebendes Fossil und eine der urtümlichsten heute noch lebenden Pflanzen. © Xuedong Li / Capital Normal University Peking

Lebendes Fossil: Das nur im Himalaya vorkommende Takakia-Moos ist eine der ältesten lebenden Landpflanzen – und die Schwestergruppe aller anderen Moose, wie DNA-Analysen enthüllen. Die Vorfahren von Takakia trennten sich demnach schon vor 390 Millionen Jahren, kurz nach der Entstehung der Landpflanzen, von der Linie der Laubmoose. Obwohl sein Lebensraum im Himalayagebiet sich seither stark verändert hat und zum Hochgebirge wurde, hat sich das Aussehen des Takakia-Mooses kaum verändert, seine genetische Ausstattung aber schon.

Moose gelten als die ältesten und ursprünglichsten Vertreter der landlebenden Pflanzen. Schon vor rund 515 Millionen Jahren könnten sich ihre Vorläufer aus dem Wasser der Urozeane an Land gewagt haben. Die grünen Pioniere besaßen noch keine Blüten, verzweigten Wurzeln oder komplexen Gefäße und wiesen noch einige Merkmale der Algen auf, aus denen sie hervorgegangen waren. Später kam es zu einem weiteren Entwicklungssprung: Die ersten Gefäßpflanzen entstanden und trennten sich von den Moosen ab. Diese differenzierten sich anschließend in Lebermoose, Hornmoose und Laubmoose.

Hochland von Tibet
Extremer Lebensraum: Hier, im Hochland von Tibet auf 3.800 bis 4.400 Meter Höhe, wächst das Takakia-Moos. © Ruoyang Hu/ Capital Normal University Peking

Hochgebirgsmoos mit seltsamer Merkmals-Mischung

Jetzt haben Forschende das Moos identifiziert, das dem urtümlichen Urmoos noch am ähnlichsten ist. Es handelt sich um zwei Moosarten der Gattung Takakia – eines Mooses, das heute nur noch im Hochland von Tibet vorkommt. Dort wachsen die nur wenige Millimeter kleinen Pflänzchen unter den extrem harschen Bedingungen des Himalaya: Sie sind acht Monate im Jahr unter einer Schneedecke begraben und den Rest der Zeit der in diesen Höhenlagen extremen UV-Strahlung ausgesetzt.

Noch interessanter jedoch: Die Takakia-Moose besitzen Merkmale von Lebermoosen und Laubmoosen, aber auch von Grünalgen. Sie stehen deshalb schon länger im Verdacht, besonders urtümlich zu sein. Um dies zu überprüfen, haben nun Ruoyang Hu von der Normal-Universität in Peking und seine Kollegen die DNA der erst 2005 entdeckten Takakia-Art Takakia lepidozioides sequenziert und sie mit dem Genom von 56 anderen Pflanzenarten verglichen.

Lebendes Fossil und Schwestergruppe aller anderen Moose

Das Ergebnis: Die Vorfahren des Takakia-Mooses haben sich schon vor knapp 390 Millionen Jahren von der Stammeslinie aller anderen Moose und Landpflanzen abgetrennt. „Takakia ist damit die Schwestergruppe aller anderen Moose, einschließlich des Laubmooses Sphagnum, das bisher trotz seiner äußeren Unterschiede als eng mit Takakia verwandt galt“, berichten Hu und sein Team. Damit ist dieses unscheinbare Hochgebirgsmoos eine der ältesten heute noch lebenden Landpflanzen.

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Gleichzeitig ist das Takakia-Moos auch ein lebendes Fossil. Denn seine äußere Gestalt hat sich seit mindestens 165 Millionen Jahren nicht verändert, wie der Vergleich mit Fossilien aus der Inneren Mongolei ergab. Obwohl es im Erbgut der Pflanze durchaus Veränderungen gab – vor allem in Anpassung an das Leben im Hochgebirge – sind ihre Grundmerkmale offenbar gleichgeblieben. „Damit ist Takakia ein wahres lebendes Fossil“, sagt Koautor Ralf Reski der Universität Freiburg.

Vielfältige Anpassung an extremen Lebensraum

Trotzdem ist das urtümliche Moos in seiner Entwicklung nicht stehen geblieben: Die DNA-Analysen enthüllten, dass Takakia in den letzten 65 Millionen Jahren einige sehr schnelle Weiterentwicklungen seines Genoms durchlebt hat. Ursache dafür war der dramatische Wandel seines Lebensraums, wie das Forschungsteam erklärt: In dieser Zeit kollidierte die Indische Erdplatte mit der Eurasischen und der Himalaya begann sich emporzuheben. Als Folge wurde der Lebensraum des Takakia-Mooses immer kälter, UV-reicher und unwirtlicher.

Um dies zu überleben, hat das Moos mehrere physiologische Schutzmechanismen entwickelt. „Takakia reguliert zum Beispiel seinen Stoffwechsel so, dass sich Moleküle wie Flavonoide und ungesättigte Fettsäuren anreichern, die vor schädlicher UV-Strahlung und freien Radikalen schützen“, erklärt Koautor Yikun He von der Normal-Universität. „Wir sehen im Genom, dass Signalmoleküle, die DNA-Reparatur, Photosynthese und Mechanismen gegen oxidativen Stress regulieren, unter besonders starker positiver Selektion stehen und sich in den letzten paar Millionen Jahren stark verändert haben.“

Durch den Klimawandel gefährdet

Damit bietet das Takakia-Moos nicht nur wertvolle Einblicke in die Evolution der Landpflanzen, es demonstriert auch, wie sich die Pflanzen an wandelnde und extreme Umweltbedingungen angepasst haben. Allerdings: Der aktuelle Klimawandel stellt Takaia vor eine neue Herausforderung – und ihr scheint das urtümliche Moos weniger gut gewachsen zu sein. Ihr Lebensraum erwärmt sich seit 2010 um rund ein halbes Grad pro Jahr [sic] und parallel dazu geht die Population dieses seltenen Mooses immer weiter zurück, wie die Forschenden feststellten.

„Der von uns festgestellte Populationsrückgang ist erschreckend“, sagt He. Geht die Entwicklung so weiter, dann könnte das seit 390 Millionen Jahren existierende Moos in naher Zukunft aussterben. „Takakia hat die Dinosaurier kommen und gehen sehen. Es hat uns Menschen kommen sehen. Nun können wir von diesem winzigen Moos etwas über Resilienz und Aussterben lernen“, sagt Reski. (Cell, 2023; doi: 10.1016/j.cell.2023.07.003)

Quelle: Cell Press, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

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