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Biologie

Diese Fledermaus hat für Säugetiere einzigartigen Sex

Breitflügelfledermaus hat Riesenpenis, paart sich aber durch bloßen Körperkontakt

Breitflügelfledermaus
Diese leicht verwegen dreinschauende Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus) hat eine unter Säugetieren bisher einzigartige Form der Kopulation, wie Videoaufnahmen enthüllt haben. © Alona Shulenko/ CC-by-sa 4.0

Skurrile Sexpraktik: Biologen haben erstmals ein Säugetier entdeckt, das sich ohne Penetration paart – die Breitflügelfledermaus. Bei dieser auch bei uns heimischen Art ist das Glied des Männchens viel zu groß für die Vagina des Weibchens, wie Videoaufnahmen enthüllten. Deshalb erfolgt die Spermienübertragung durch bloßen Körperkontakt. Sein Riesenpenis dient dem Fledermaus-Männchen dazu, die verdeckende Schwanzhaut des Weibchens zur Seite zu schieben, wie das Team in „Current Biology“ berichtet.

Bisher ist nur wenig darüber bekannt, wie sich Fledermäuse paaren – ihre nächtliche Lebensweise und gut versteckten Quartiere machen es schwer, sie auf „frischer Tat“ zu ertappen. Bisher ging man aber davon aus, dass sich der Fledermaus-Sex nicht grundsätzlich von dem anderer Säugetiere unterscheidet: Die Paarung durch Penetration gilt bei Säugetieren als die Regel. Zwar gibt es unzählige Varianten dieses Prinzips, bisher waren aber keine Säugetiere bekannt, die sich komplett ohne Penetration fortpflanzen.

Breitflügelfledermaus Verbreitungsgebiet
Die sechs bis acht Zentimeter großen Breitflügelfledermäuse kommen auch bei uns in Mitteleuropa vor. © Alona Shulenko/ Carlosblh,
CC-by-sa 4.0

Voyeurismus in der Fledermaus-Behausung

Allerdings: „Das Kopulationsverhalten ist eine der wesentlichen Säulen der sexuellen Selektion, gleichzeitig ist es bei vielen Arten noch rätselhaft“, schreiben Nicolas Fasel von der Universität Lausanne und seine Kollegen. Dies gelte besonders für Fledermäuse. Um mehr darüber zu erfahren, haben die Forschenden die scheuen Flattertiere ausgetrickst: Sie installierten Kameras unter einem Gitter, das den Tieren in ihren Rückzugsquartieren als Halterung dienen sollte.

Dieses „Spionagesystem“ brachten die Biologen in einem von Breitflügelfledermäusen (Eptesicus serotinus) besiedelten Kirchturm in den Niederlanden und in einer Fledermaus-Auffangstation in der Ukraine an. Dies ermöglichte es ihnen, die Paarung dieser Fledermausart erstmals aus neuer Perspektive und von unten zu filmen. Insgesamt gelang es Fasel und seinem Team so, 97 Kopulationen aus der Nähe zu beobachten.

Fledermausmännchen hat einen Riesenpenis

Die Videos enthüllten Erstaunliches: Kurz vor der Paarung schwoll das Genital des Fledermausmännchens auf überraschende Ausmaße an. Mit einer Länge von rund 16,5 Millimetern machte das Glied 20 Prozent der gesamten Körperlänge dieser Tiere aus. „Es war im erigierten Zustand siebenmal länger als die Vagina“, berichten die Biologen. Noch wichtiger jedoch: Mit einem Durchmesser von 7,5 Millimetern war die herzförmig verdickte Spitze des Fledermauspenis auch viel zu dick für die nur rund 1,1 Millimeter kleine Vaginalöffnung der Fledermausweibchen.

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„Wir haben uns gewundert, wie das funktionieren soll“, sagt Fasel. „Aber wir dachten, dass es vielleicht wie bei den Hunden ist, bei denen der Penis erst nach der Penetration zu voller Größe anschwillt.“ Durch dieses nachträgliche Anschwellen kommt es zur sogenannten Kopulationssperre, die ein Herausrutschen vor „vollbrachter Tat“ verhindern soll. Doch bei den Breitflügelfledermäusen ist das nicht der Fall, wie die Videoaufnahmen belegten: Das Genital der Männchen war schon zu Beginn der Paarung zu groß für eine Penetration.

Erst den Weg freiräumen, dann stillhalten

Doch wie können diese Fledermäuse trotzdem Sex haben? Nähere Analysen des Videomaterials enthüllten, was genau bei der Kopulation der Breitflügelfledermäuse vor sich geht. Die Paarung beginnt damit, dass das Männchen das Weibchen leicht in den Nacken beißt und eine Zeitlang suchende Bewegungen mit dem Unterleib vollführt. Dabei scheint das Fledermausmännchen seinen übergroßen Penis als Hilfsmittel zu nutzen, um die Genitalöffnung des Weibchens freizulegen. Denn diese ist normalerweise von der verbreiterten Schwanzhaut des Weibchens überdeckt, wie die Biologen erklären.

„Fledermäuse benötigen ihre Schwanzhäute normalerweise zum Fliegen, aber die Weibchen können sie auch dazu nutzen, ihren Unterleib zu bedecken und sich so vor Männchen zu schützen“, sagt Fasel. „Aber die Männchen verwenden ihr großes Genital, um Schwanzhaut zur Seite zu schieben.“ Anschließend nutzt das Fledermausmännchen dann die sensible Spitze seines Riesenpenis, um die Lage der Vaginalöffnung des Weibchens zu ertasten. Hat es sie lokalisiert, halten beide still.

Erste Kopulation durch bloßen Kontakt

Die Aufnahmen enthüllten auch: Für die eigentliche Paarung presst sich das Fledermausmännchen nur von außen an die Vaginalöffnung und überträgt so das Ejakulat – ohne dass sein Genital in die Vagina des Weibchens eindringt. Im Schnitt blieben die Fledermäuse 53 Minuten in der Paarungsposition, die längste Paarung dauerte sogar 12,7 Stunden, wie das Team berichtet. „Nach der Kopulation erschien das Fell am Hinterleib des Weibchens nass, was auf die Präsenz von Ejakulat und Spermien hindeutet“, so die Biologen.

Damit könnten die Breitflügelfledermäuse die erste bekannte Säugetierart sein, für die eine Paarung ohne Penetration dokumentiert ist. „Unter der Annahme, dass während dieser Paarungen tatsächlich Spermien übertragen wurden, enthüllt unsere Studie damit ein für Säugetiere völlig neues Kopulationsmuster“, konstatieren Fasel und sein Team. Ob es diese Form der nicht-penetrierenden Paarung auch bei anderen Fledermausarten gibt, muss nun noch untersucht werden. (Current Biology, 2023; doi: 10.1016/j.cub.2023.09.054)

Quelle: Cell Press

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