Anzeige
Paläontologie

Bienenmumien in Portugal entdeckt

Junge Wildbienen starben vor 2.975 Jahren noch in ihrem Nestkokon

Bienenmumie
Diese männliche Eucera-Biene war vor rund 3.000 Jahren eigentlich bereit, ihren Kokon zu verlassen und in die Lüfte abzuheben, doch stattdessen erstickte und mumifizierte sie. © Federico Bernardini/ ICTP

Skurriler Fund: An der Südwestküste Portugals haben Paläontologen hunderte mumifizierte Wildbienen entdeckt. Sie starben vor 2.975 Jahren in den Kokons ihrer Brutkammer und sind bis heute so gut erhalten, dass man sogar ihr Geschlecht und am Kokon anhaftende Pollenreste erkennen kann. Die Forschenden vermuten, dass den noch ungeschlüpften Jungbienen in Folge einer plötzlichen Nestüberflutung einst die Luft ausging. Ein darauffolgender Temperaturabfall machte ihre Mumifizierung dann komplett.

In unseren Köpfen sind Mumien meist untrennbar mit der Kultur des alten Ägyptens verbunden, doch sie können auch ohne menschliches Zutun und die ikonischen Bandagen entstehen. So sorgte das extrem trockene Klima in den Anden vor tausenden von Jahren für die natürliche Mumifizierung von Toten der Inkas und Chinchorros. Außerdem gibt es zum Beispiel Dinosaurier-Mumien, die durch das Versinken in Treibsand und dessen rasch austrocknende Wirkung entstanden sind.

Bienenmumie Haare
Die Bienen sind so gut erhalten, dass man sogar einzelne Härchen erkennen kann. © Andrea Baucon

Mumifizierte Bienen von der Küste

In Portugal, an der Küste von Odemira, haben Paläontologen nun Tiermumien gefunden, die zwar deutlich kleiner und jünger als Dinosaurier sind, aber dadurch nicht weniger spektakulär. Es handelt sich um hunderte ungeschlüpfte Jungbienen, perfekt mumifiziert in den Kokons ihrer Brutkammer. Wie in einem Sarkophag sind die Insekten darin nun bereits seit 2.975 Jahren eingeschlossen. Das hat die Datierung durch Carlos Neto de Carvalho von der Universität Lissabon und seinen Kollegen ergeben.

„Der Erhaltungsgrad dieser Bienen ist so außergewöhnlich, dass wir nicht nur die anatomischen Details identifizieren konnten, die die Art der Biene bestimmen, sondern auch ihr Geschlecht und sogar den Vorrat an einblütigem Pollen, den die Mutter beim Bau des Kokons hinterlassen hat“, berichtet Neto de Carvalho.

Jungtiere waren kurz vor dem Schlüpfen

Der ausgezeichnete Erhaltungszustand der Mumien hat den Paläontologen unter anderem verraten, dass die Bienen der Gattung Eucera angehören, die auch heute noch in Portugal verbreitet ist. Diese solitär lebenden Wildbienen legen Nester für ihren Nachwuchs in unbewachsenen erdigen Stellen an.

Anzeige

Mithilfe mikrocomputertomografischer Aufnahmen konnten Neto de Carvalho und sein Team auch einen genauen Blick auf die komplizierten Fäden werfen, aus denen die Bienenmutter einst die Kokons dieser Nester gebaut hat. Sie bestehen aus einem organischen Polymer und sind wasserabweisend.

Der im Kokon miteingeschlossene Pollen stammt von Kreuzblütlern und diente den Bienen im Larvenstadium als Nahrung, wie die Paläontologen erklären. Zum Zeitpunkt der Mumifizierung waren viele Jungbienen bereits kurz vor dem Schlüpfen, doch das Licht der Welt sollten sie nicht mehr erblicken.

Bienenmumie Rücken
Detailaufnahme vom Rücken einer der mumifizierten Bienen. © Andrea Baucon

Sauerstoffmangel und Kälte als Schlüssel

Nach so langer Zeit immer noch derart detailliert erhalten zu sein, ist insbesondere für Insekten ungewöhnlich. Normalerweise zersetzt sich ihr chitinhaltiges Skelett rasch, wie die Forschenden erklären. Was genau einst zur Mumifizierung der Bienen führte, können sie nicht genau sagen. Ein plausibles Szenario sei aber, dass das Bienennest plötzlich überflutet wurde, woraufhin die Jungbienen darin an Sauerstoffmangel starben.

In der darauffolgenden Nacht könnte es dann zu einem Temperaturabfall gekommen sein, der den Kokon zusammen mit den sauerstofffreien Bedingungen schließlich zum Sarkophag machte. Neto de Carvalho und seine Kollegen gehen davon aus, dass sich diese Szene inmitten eines kalten, niederschlagsreichen Winters ereignet haben könnte.

Neue Erkenntnisse für Vergangenheit und Zukunft

Der Mumienfund ist nicht nur spektakulär, sondern auch wissenschaftlich bedeutsam. So wurden zwar immer wieder bis zu 100 Millionen Jahre alte Bienenstöcke und -nester gefunden, doch diese enthielten keine Bewohner. Ihre zerbrechlichen Körper hatten den Schritt zum Fossil nicht geschafft. Die Entdeckung in Portugal ermöglicht es Neto de Carvalho und seinem Team nun dagegen, mehr über die Evolution und Lebensweise dieser Bienen zu lernen.

Außerdem könnten die neuen Erkenntnisse zum Schutz heutiger Wildbienen beitragen. Denn wenn wir genauer verstehen, was vor rund 3.000 Jahren ganze Bienenpopulationen aussterben und mumifizieren ließ, können wir auch die Bestäuber der Neuzeit womöglich besser schützen. (Papers in Palaeontology, 2023; doi 10.1002/spp2.1518

Quelle: Faculty of Sciences of the University of Lisbon

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Phänomen Honigbiene - von Jürgen Tautz

Ötzi 2.0 - Eine Mumie zwischen Wissenschaft, Kult und Mythos von Angelika Fleckinger

Top-Clicks der Woche