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Biologie

Auch Rhesusaffen haben gleichgeschlechtlichen Sex

Neigung zu gleichgeschlechtlichem Sexualverhalten ähnlich erblich wie bei uns Menschen

Rhesusaffen
Bei Rhesusaffen kraulen sich Männchen nicht nur gegenseitig, sie haben auch gleichgeschlechtlichen Sex. © Neil Bowman/ Getty images

Sex unter Männern: Gleichgeschlechtlicher Sex ist auch bei wildlebenden Rhesusaffen keine Ausnahme – und sogar ähnlich erblich bedingt wie bei uns, wie eine Langzeitstudie in Puerto Rico belegt. Dort paaren sich 72 Prozent der Rhesusaffenmännchen auch mit anderen Männchen und stärken so offenbar Bündnisse untereinander. Dieses gleichgeschlechtliche Verhalten schmälerte nicht ihren Fortpflanzungserfolg, sondern erhöhte ihn sogar. Dies widerlege die Annahme, dass gleichgeschlechtlicher Sex der Natur und Evolution zuwiderlaufe, konstatieren die Forscher.

Pinguine tun es, Meeressäuger und auch Bonobos: Homo- und Bisexualität sind keine Eigenheit nur des Menschen, sondern kommen auch im Tierreich vor. Bei mehr als 1.500 Tierarten haben Forschende bereits verschiedene Spielarten gleichgeschlechtlicher Sexualität beobachtet. Weil viele dieser Beobachtungen jedoch anekdotisch sind oder bei Tieren in Gefangenschaft gemacht wurden, ist strittig, inwieweit solche Verhaltensweise auch für wildlebende Tiere typisch und „natürlich“ sind.

Rhesusaffen-Paarung
Männlicher und weiblicher Rhesusaffe bei der Paarung. © Udayan Borthakur/ Getty images

Gleichgeschlechtlicher Sex bei 72 Prozent der Affenmännchen

Jetzt belegt eine Langzeitstudie aus Puerto Rico, dass gleichgeschlechtlicher Sex auch bei Rhesusaffen alltäglich ist. Jackson Clive und seine Kollegen vom Imperial College London haben dafür zwei Gruppen wildlebender Rhesusaffen untersucht, die frei auf der 15 Hektar großen Insel Cayo Santiago leben. Über drei Jahre hinweg dokumentierten sie für jedes der 236 Männchen, ob und wie oft es mit Artgenossen des gleichen oder anderen Geschlechts kopulierte. Eine Erektion und typische Stoßbewegungen der Hüfte beim Aufreiten von hinten galten als Kennzeichen dafür.

Das überraschende Ergebnis: „Insgesamt stellten wir fest, dass gleichgeschlechtliche Paarungen sogar häufiger vorkamen als Paarungen zwischen Männchen und Weibchen“, berichten Clive und seine Kollegen. 72 Prozent der Rhesusaffenmännchen praktizierten demnach gleichgeschlechtliche Kopulation. „Die meisten dieser Männchen waren von ihrem Verhalten her bisexuell“, sagt Clive. Auch bei Weibchen beobachteten sie häufiger gleichgeschlechtliche Paarungen, für die Studie beschränkte sich das Team aber zunächst auf die Männchen.

Sex als Beziehungskitt unter Verbündeten

Als nächstes untersuchten die Biologen, unter welchem Umständen die Rhesusaffen gleichgeschlechtlichen Sex praktizierten. Dabei zeigte sich: Die Kopulationen dienen offenbar nicht als bloße Machtdemonstration ranghoher Männchen, wie von einigen Theorien für solches Verhalten bei Säugetieren postuliert. Denn bei den Rhesusaffen waren die aufreitenden Männchen oft sogar rangniedriger als ihre Partner. Insgesamt spielte der soziale Rang der Affenmännchen für dieses Verhalten nur eine untergeordnete Rolle, wie Clive und sein Team feststellten.

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Doch wo liegt dann der Vorteil dieses Verhaltens? Wie die Biologen beobachteten, kamen Kopulationen besonders oft unter Männchen vor, die miteinander verbündet waren und sich bei Konflikten gegenseitig unterstützten. 16,5 Prozent der gleichgeschlechtlichen Paarungen kamen zudem in Situationen vor, in denen sich dieses Männerbündnis gegenüber Artgenossen behaupten musste. Der Sex unter Männchen könnte demnach ihre Koalition und Beziehung stärken. „Dies könnte vielleicht einer der Vorteile dieser gleichgeschlechtlichen Aktivität sein“, erklärt Clive.

Keine Nachteile bei der Fortpflanzung

Eine Bestätigung dafür fanden die Biologen, als sie den Fortpflanzungserfolg der Rhesusaffenmännchen näher untersuchten. „Gängiger Annahme nach bringt gleichgeschlechtliches Sexualverhalten Kosten bei der Fitness mit sich“, erklären die Forscher. Weil aus gleichgeschlechtlichen Paarungen keine Kinder hervorgehen, produzieren diese Tiere weniger oder keinen Nachwuchs. Dies galt lange als Argument dafür, dass Homosexualität den Prinzipien der Evolution und des „Survival oft he fittest“ widerspricht – und daher „unnatürlich“ sein müsse.

Doch die Rhesusaffen widerlegen diese Annahme nun. Weil bei dieser Population schon seit 1956 von allen Affen Genproben gesammelt und analysiert werden, lässt sich genau nachvollziehen, welches Tier wie viele Nachkommen produziert hat. Das Ergebnis: „Wir fanden eine positive Korrelation zwischen gleichgeschlechtlichen Kopulationen und Fortpflanzungserfolg“, berichten Clive und seine Kollegen. Die Männchen, die auch Sex mit Männchen hatten, zeugten demnach im Schnitt mehr Nachkommen als die rein heterosexuellen Affenmännchen.

Soziale Vorteile sorgen für evolutionäre Weitergabe

Ein möglicher Grund dafür: Weil die Männchen durch ihre gleichgeschlechtlichen Kopulationen Verbündete gewinnen und sich in Konflikten durchsetzen können, steigert dies auch ihre Chancen beim weiblichen Geschlecht – und damit auch ihre reproduktive Fitness. „Die sozialen Vorteile des gleichgeschlechtlichen Verhaltens können zumindest zum Teil erklären, warum sich diese Praxis bei diesen Primaten evolutionär erhalten hat“, schrieben Clive und seine Kollegen.

Nach Ansicht von Clive und seinem Team widerlegen ihre Ergebnisse die Annahme, nach der gleichgeschlechtlicher Sex bei Tieren eine extrem seltene Ausnahme ist oder nur unter ungewöhnlichen Umweltbedingungen auftritt. Bei Rhesusaffen sei dieses Verhalten zudem nicht nur in Puerto Rico, sondern auch in Thailand und Indien beobachtet worden. „Cayo Santiago ist demnach nicht außergewöhnlich“, sagen die Biologen. Sie vermuten sogar, dass sich diese Art von gleichgeschlechtlichen Kopulationen gerade bei Primaten als eine evolutionäre Strategie entwickelt haben könnte.

Erbliche Veranlagung nachgewiesen

Dazu passt eine weitere Entdeckung: Ähnlich wie bei uns Menschen ist die Neigung zu gleichgeschlechtlichem Sex bei den Rhesusaffen zumindest zum Teil genetisch bedingt. Genanalysen ergaben, dass dieses Verhalten bei den Affenmännchen zu 6,4 Prozent erblich bedingt ist. Zum Vergleich: Bei uns Menschen liegt der Anteil zwischen acht und elf Prozent. „Dies ist unseres Wissens nach der erste Beleg für eine genetische Basis gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens bei einem Primaten außer dem Menschen“, konstatieren die Forscher.

Auch dies bestätige, dass es sich hier um ein natürliches und evolutionär verankertes Verhaltne handele: „Unglücklicherweise gibt es noch immer die Ansicht unter einigen Menschen, dass gleichgeschlechtlicher Sex ‚unnatürlich‘ sei und in einigen Ländern steht auf Homosexualität sogar noch immer die Todesstrafe“, sagt Seniorautor Vincent Savolainen vom Imperial College London. „Unsere Studie zeigt dagegen, dass gleichgeschlechtliches Verhalten auch bei nichtmenschlichen Primaten häufig sein kann.“ (Nature Ecology and Evolution, 2023; doi: 10.1038/s41559-023-02111-y)

Quelle: Imperial College London

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