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Forscher / Entdecker

Phytoplankton zeigt Zähne

Eisige Algen verteidigen ihren Platz

Nicht nur Bakterien, sondern auch Phytoplankton steht unter dem Einfluss der klimatischen Veränderungen in der Arktis. Doch anders als bei Bakterien verläuft die Reaktion von Phytoplankton auf steigende Temperaturen und schmelzendes Meereis nicht ganz so linear und nicht zwingend im Sinne von „Alles, was auf Eis spezialisiert ist, hat keine Zukunft“. Womöglich gerät die starke Spezialisierung arktischer Algen ihnen sogar nicht einmal zum Nachteil.

Arktisches Plankton
Einige arktische Phytoplanktonarten wie diese Chaetoceros kommen auch in wärmeren Gefilden gut zurecht. © Richard A. Ingebrigtsen, Department of Aquatic Biosciences – University of Tromsø/CC-by 3.0

Polare Arten sind fitter

Darauf deutet zumindest eine bislang unveröffentlichte Studie von Ellen Oldenburg und Ovidiu Popa von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) hin, in der sie zusammen mit weiteren Kollegen die Zusammensetzung und Zukunft arktischer Algengemeinschaften untersucht haben. Als Datengrundlage dienten RAS, die zwischen 2017 und 2018 Wasserproben aus atlantischen sowie Mischgewässern der Framstraße nahmen.

Die RAS offenbaren, dass einige hochspezialisierte arktische Algenarten auch problemlos im atlantischen Wasser klarkommen, anders herum jedoch nicht. So konnten einige polare Arten wie Grammononema striatula, Chaetoceros neogracilis, Fragilariopsis cylindrus und Melosira arctica auch im atlantischen Wasser in großen Mengen nachgewiesen werden. Oldenburg und ihr Team gehen deshalb davon aus, dass sie – obwohl angepasst auf ein Leben im ewigen Eis – auch mit gemäßigtem, atlantischem Wasser gut klarkommen.

Odontella
Bakterien der gemäßigten Breiten wie diese Odontella aurita tun sich mit kaltem Wasser eher schwer. © Richard A. Ingebrigtsen, Department of Arctic and Marine Biology – University of Tromsø/CC-by-sa 3.0

Barriere stoppt atlantische Neuankömmlinge

Umgekehrt haben es typische Algenarten der gemäßigten Breite offenbar deutlich schwerer, im kalten Wasser zu überleben. Als Beispiel nennen die Forschenden die Kieselalge Odontella aurita, die auch für die grünlich-bläuliche Frühlingsblüte in der Deutschen Bucht verantwortlich ist. Sie kam in kalten, vom Meereis beeinflussten Gebieten nur selten vor, braucht also wahrscheinlich wärmere Temperaturen zum Gedeihen.

Das Temperaturgefälle zwischen arktischem und atlantischem Wasser bildet aktuell also noch eine Barriere, die gemäßigte Arten davon abhält, in großen Zahlen gen Norden zu wandern. „Dieser Trend wird sich fortsetzen, auch wenn sich die ozeanografischen Bedingungen im Atlantik weiter nach Norden verschieben“, berichten Oldenburg und ihr Team.

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Denn die Barriere wird vor allem durch die Schmelze des Meereises aufrechterhalten. Das kalte, verflüssigte Eis erneuert alljährlich die Trennung zwischen den Wasserbereichen und wird daher wohl auch in Zukunft eine Masseneinwanderung von atlantischem Plankton verhindern. Und selbst wenn diese Barriere irgendwann nicht mehr bestehen würde, könnte sich das arktische Plankton wahrscheinlich trotzdem gegen die Neuankömmlinge behaupten, da es schließlich auch in wärmerem Wasser gut zurechtkommt.

Eisberg
Die Mikroben-Erforschung im Nordpolarmeer ist noch lange nicht vollendet. © Mario Hoppmann

Auswirkungen auf das Ökosystem unklar

Doch obwohl Oldenburg, Popa und ihre Kollegen so viele neue Erkenntnisse über die Mikroben-WGs in der Arktis gewonnen haben, sind es immer noch nicht genug, um die Folgen der veränderten Lebensgemeinschaften für das Nordpolarmeer abzuschätzen. „Inwieweit sich das auf das Ökosystem auswirkt, können wir erstmal noch nicht vorhersagen“, erklärt Popa. „Dafür brauchen wir noch viel mehr Daten über längere Zeiträume hinweg, die wir in mathematische Modelle packen und damit dann Vorhersagen machen können, was das alles für das Ökosystem bedeutet.“

Da Bakterien und Phytoplankton enorm wichtig für ein funktionierendes Ökosystem Nordpolarmeer sind, könnten bereits kleinste Veränderungen in ihrer Zusammensetzung schon verheerende Auswirkungen haben – und das vom kleinen Krebs bis zum Orca.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Expedition ins Nordpolarmeer
Den arktischen „Mikroben-WGs“ auf der Spur

Eisiges Paradies in Gefahr
Das Nordpolarmeer schmilzt davon

Expedition in den hohen Norden
Wie sich „Mikroben-WGs“ erforschen lassen

Arktische Bakterien adé?
Keine rosige Zukunft für polare Arten

Phytoplankton zeigt Zähne
Eisige Algen verteidigen ihren Platz

Die Forschenden im scinexx-Interview
Wie war das Leben auf der Polarstern?

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