Anzeige
Forscher / Entdecker

Die Forschenden im scinexx-Interview

Wie war das Leben auf der Polarstern?

Ovidiu Popa und Ellen Oldenburg im Interview. © Harald Frater/ scinexx – Das Wissensmagazin
Ovidiu Popa und Ellen Oldenburg von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) waren zwei Monate an Bord der „Polarstern“  auf Forschungsexpedition im Nordpolarmeer. Wie sie die Zeit erlebt und was sie dabei herausgefunden haben, berichten sie im Interview mit scinexx.
 

Transkript des Interviews

Ich bin Ellen Oldenburg, ich mache hier an der Heinrich-Heine-Universität meinen PhD, also mein Doktor. Ich bin jetzt in meinem letzten Jahr. Ich beschäftige mich hauptsächlich mit Arktisforschung, das heißt ich bin Theoretikerin und gucke mir am Computer an: Wie verhalten sich Organismen, in welchem Bereich wenden wir Modelle an, wie sich diese Organismen in der Zeit in der Arktis verhalten, welche Einflüsse das hat.

Ja, hallo, also ich bin Ovidio Popa, ich bin hier Senior Scientist am Institut für Quantitative und Theoretische Biologie und ich arbeite in den Bereichen Bioinformatik und Datenanalyse und auch einer meiner Hauptprojekte ist die Analyse mikrobieller Daten aus den Polargebieten.

Worum ging es bei Eurem Projekt auf der Polarstern?

Dr. Ovidio Popa: Bei unserem Projekt auf der Polarstern geht es darum, dass wir Mikroorganismen aus den verschiedenen Bereichen des Polarmeeres und seines ökologischen Systems isolieren und uns hier im Labor angucken können, und zwar auch im speziellen Bereich der Eiskante. Das ist dort der Bereich, wo gerade so das Eis beginn. Damit können wir sehen, welche Organismen im Eis unter dem Eis, beziehungsweise im offenes Wasser leben – genau an dieser Kante, wo der Übergang ist von flüssigen zu festen Medien.

Ellen Oldenburg: Ja genau, es wird sich angeguckt wie wir diese Organismen nehmen können, wie wir sie verarbeiten können, was die verschiedenen Einflüsse sind in der Umgebungen, in denen sie sich befinden und was das über einen Einfluss einmal auf die Organismen hat, die Communities, die wir dann da finden, also die Zusammensetzung und wie diese sich verändern über die Zeit und was da gemacht werden.

Anzeige

Wie gestaltet sich der Tagesablauf an Bord?

Ellen Oldenburg: Der Tagesablauf ist eigentlich relativ kurzfristig, also man plant immer ungefähr 12 bis 24 Stunden im voraus, weil man immer gucken muss, wie sind die Wetterbedingungen, was ist das, was man gerade vor sich hat, was sind die Aufgaben: Werden verschiedene Samples genommen mit verschiedenen Geräten oder werden Geräte rausgeholt, die schon ein Jahr im Wasser festlagen und nun einfach reingeholt und bearbeitet werden müssen. Je nachdem, wie die Wetterbedingungen sind, regelt sich danach auch der Alltag.

Man muss immer gucken, das Schiff ist quasi 24 Stunden in Betrieb. Das heißt wir gucken uns an: Sind wir jetzt auf einer Eisscholle, wie sind die Wetterbedingungen, was haben wir für Samples, haben wir die Zeit, die Proben hochzuholen, rauszunehmen, zu verarbeiten, einzufrieren, wegzupacken. Je nachdem, was halt ansteht und wie das Wetter ist, hängt davon auch unsere Arbeitsalltag ab.

Wie verlief die Probenentnahme?

Dr. Ovidio Popa: Unsere Probenentnahme verlief auf zwei Arten, also es gab einmal die sogenannten biologischen Stationen, die anhand von bestimmten Wassermassenprofilen definiert worden sind. In diesen Profilen hat man mit einem sogenannten CTD, das ist so ein Sammelgerät, was in die Tiefe gelassen wird und dann in verschiedenen Tiefen unterschiedliche Mengen an Wasser aufnehmen kann. Zurück am Schiff wurde das Wasser dann über die sogenannte fraktionierte Filtrierung, das sind Filter mit unterschiedlichen Porengrößen, gefiltert, um das ganze biologische Material, was im Wasser ist, aufzufangen. Diese Filter wurden dann eingefroren, die haben wir dann später hier mit zurückgebracht und analysieren das genetische Material.

Wenn man aber eine Eisstation hat, das heißt man hat eine Eisscholle gefunden, die beprobt wurde, dann ist man auf sEis gegangen, nachdem das alles vorbereitet wurde von den Spezialisten. Dort hat man ein Loch gebohrt in das Eis, so dass man Proben aus dem Eis genommen hat, bzw. auch unter dem Eis, also mit einem speziellen Gefäß, womit wir dann bis zu 15 Meter Tiefe unter dem Eis das Wasser sammeln konnten. Dieses Wasser wurde dann auf das Schiff transportiert. Dort im Labor hat man das Wasser auch gefiltert, ebenfalls dann über unterschiedliche Porengröße, sodass man die verschiedenen Größen der Organismen auffangen kann und separieren kann.

Welche Erkenntnisse konntet Ihr bereits gewinnen?

Ellen Oldenburg: Was man bisher sagen kann, beruht auf bisher auf Proben über vier Jahre, das ist das längste, was wir haben, also jede Woche ein Sample, eine Probe unserer Organismen. Das heißt, wir können zum Beispiel sehen, was Unterschiede sind in Bereichen, wo wir rein atlantischen Einfluss haben, rein polaren Einfluss haben und in diesem Mischbereich, dass da unterschiedliche Communities leben, die sich unterschiedlich verhalten. Das heißt, unterschiedliche Wassereinflüsse haben unterschiedlichen Einfluss, das heißt, wenn wir irgendwann es so haben, dass wir mehr Schmelzwassereinflüsse haben durch die verschiedenen Eisschollen, die runterkommen durch Eisschmelze zum Beispiel, kommen unterschiedliche Communities gut damit klar, manche Organismen kommen nicht so gut damit klar und das sind die einzelnen Auswirkungen, die man jetzt sehen kann an Veränderungen der Wassermassen.

Dr. Ovidio Popa: Die ökologischen Konsequenzen sind tatsächlich gar nicht vorhersehbar erstmal, denn wir haben schon beobachtet, dass gewisse Gemeinschaften einfach weniger werden. Über die Zeit sieht man, dass ihre Abundanz abnimmt und manche andere in Abundanz zunehmen. Wie sich das auf das Ökosystem auswirkt, das können wir erstmal noch nicht vorhersagen, dafür brauchen wir noch viel mehr Daten, die wir jetzt auch über die Zeit nehmen und in sogenannte mathematische Modelle packen, um dann Vorhersagen machen zu können, was das auch für das Ökosystem bedeutet.

Wie war das Leben an Bord?

Ellen Oldenburg: Ja, es ist halt was völlig anderes als in meinem normalen Alltag, der sonst so eine Routine hat. Man weiß nur zwölf Stunden voraus, was so ungefähr passiert und ja, es ist den ganzen Tag hell, also immer hell. Es ist immer zwölf Uhr Mittags, strahlender Sonnenschein und man man merkt, dass sein biologischer Rhythmus komplett anders ist, wenn wir nicht diesen typischen Tag-Nacht-Rhythmus haben. Man muss wirklich gucken, dass man auch rechtzeitig schlafen geht.

Denn ob es 3 Uhr nachts ist oder zwölf Uhr Mittags, es sieht immer gleich aus und je nachdem, welche Aufgabe man hat, ob man eher abends arbeiten muss, mal einen Tag oder mehr morgens arbeiten muss, muss man sich wirklich selber daran erinnern: Ich muss jetzt schlafen gehen und jetzt ist Aufstehenszeit, dass man seinen typischen Rhythmus behält.
Es ist etwas, was wirklich schwierig ist zu behalten und da muss man wirklich gut die Orientierung behalten, einfach, wie man seinen Tag schafft und auch, dass man die Proben vernünftig nehmen kann, weil man es übermüdet macht. Somit muss man sich da immer strikt daran halten, dass man weiß, wann man arbeitet und wie.

Dr. Ovidio Popa: Also wir hatten Glück, wir hatten eine super Mannschaft und ein super Team dabei, deswegen hatten wir sehr viel Spaß. Die Zeit vergeht doch schneller als man denkt, auch wenn man acht Wochen da ist, das fühlt sich gar nicht so an. Man hat nie Langweile gehabt. Erst einmal, weil man viel zu tun hatte, aber man auch in der Freizeit hatte man natürlich Zeit, die man auch damit verbringen konnte, dass man sich mit der Mannschaft unterhält und dass man auch schon mal Spiele spielt. Es gibt auch einen Freizeitbereich auf dem Schiff und da ist für das Wohl einer Person schon gesorgt.

Es war eine schöne spannende Zeit, auch zum Teil körperlich sehr anstrengend, da man so viel Wasser transportieren musste, dann diese Verankerungen, die wir gelassen haben. Trotzdem sehr spannend und würde es gerne auch nochmal machen, auf jeden Fall.

Was steht als nächstes Projekt an?

Ellen Oldenburg: Auf jeden Fall natürlich nochmal dieses Erlebnis haben zu können, also auf jeden Fall nochmal zu gucken, dass man Anträge schreibt, dass man nochmal auf so eine Expedition gehen kann. Wir haben viele Fragen beantwortet bekommen, aber deswegen auch noch mehr Fragen, die wir stellen wollen und jetzt genauer stellen können, weil wir genau wissen, wie ist der Ablauf, wie werden die Proben genommen und wo genau wollen wir hin, was sind Bereiche, wo wir nochmal uns genauer angucken wollen.

Zum Beispiel haben wir uns jetzt Bakterien und Eukaryoten angeguckt, aber wir können das ja auch wieder verbinden, einerseits mit dem Zooplankton, was wir da gefunden haben und andererseits, was dort jetzt noch nicht so vorhanden ist, sind die Viren oder die Phagen, die wiederum die Bakterien beeinflussen und infizieren und auch in ihnen leben. Das sind dann Sachen, die wir uns als nächstes quasi angucken wollen, weil auch diese klein, noch kleineren Bereiche ja einen großen Eindruck darauf haben können, wie sich unsere Umgebung verändern.

Dr. Ovidio Popa: Wir brauchen noch einiges an Daten für unsere mathematischen Modelle, damit wir das Ökosystem einigermaßen beschreiben können, mit einem Modell um Vorhersagen treffen zu können, wie sich das in Abhängigkeit von Veränderungen der Umweltparameter anpasst, sich verändert. Dafür brauchen wir, wie Ellen schon sagte, noch Proben für die Viren zum Beispiel oder weitere Proben von den Zeitreihen, damit wir dort noch mehr Sicherheit haben über die Dynamik.

Welchen Rat könnt Ihr rückblickend Studierenden geben?

Ich würde jedem Studenten das vorschlagen, wenn der mal in den Bereich der Theorie geht, sollte der sich immer genau überlegen, woher die Daten kommen, immer praktisch einen Teil selber machen. Wirklich nicht nur rein in der Theorie am Computer sitzen, auch, wenn man ein Experte in Mathematik ist und sehr gut programmieren kann. Man muss die Biologie verstehen, das kann man nur vor Ort, wenn man selber die Proben auch genommen hat.

Ellen Oldenburg: Ich glaube, ich bin da genau von der anderen Seite,. Ich habe ein reines Biostudium. Ich würde immer sagen, guckt euch alles an. Guckt euch alles an und hinterfragt auch alles. Weil, mein Problem war es immer, ich habe die Proben verarbeitet und jetzt will ich sie auch analysieren. Jetzt will ich auch wissen, was kommt raus. Ich will sie nicht nur verarbeiten und dann irgendwem geben und ich möchte das ganze Bild sehen können. Um das ganze Bild sehen zu können, muss man aus verschiedenen Bereichen Dinge wissen und aus verschiedenen Bereichen über seinen eigenen Teller and gucken. Also sich immer angucken, einerseits die Theorie, aber man darf nie die andere Sache vernachlässigen.

Man braucht die praktische Arbeit und man muss es mit der Theorie verbinden, weil nur in Verbindung macht es überhaupt Sinn. Das war auch das Schöne auf dem Schiff. Man muss auch mit den anderen Bereichen, den Spezialisten für Eis, den Spezialisten für die Großtiere, den Spezialisten das Wetter checken, wie es sich beeinflusst. All das sind Dinge, die deinen Kreis, auf den du dich spezialisiert, beeinflussen. Du brauchst ein breiteres Wissen und eine breitere Range, in der du dich bewegen kannst, um zu verstehen, was gerade bei dir passiert.

So wie es bei uns absolut toll war zu sehen, wie werden die Proben überhaupt genommen, weil wir immer gesagt haben: Das fehlt, das bräuchten wir noch genauer hier, dass bräuchten wir da. Und wir konnten aufs Schiff gehen und die Proben nehmen, konnten dann sagen, okay, das ist ja toll, wir können das auch automatisieren, wir können das auch so machen. Ach, das sind die Sachen, die ihr braucht für euer Modell. Und wenn man das wirklich in direkter Interaktion und Zusammenarbeitet in den verschiedenen Disziplinen, nur dann kann da was Vernünftiges rauskommen.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. weiter
Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Expedition ins Nordpolarmeer
Den arktischen „Mikroben-WGs“ auf der Spur

Eisiges Paradies in Gefahr
Das Nordpolarmeer schmilzt davon

Expedition in den hohen Norden
Wie sich „Mikroben-WGs“ erforschen lassen

Arktische Bakterien adé?
Keine rosige Zukunft für polare Arten

Phytoplankton zeigt Zähne
Eisige Algen verteidigen ihren Platz

Die Forschenden im scinexx-Interview
Wie war das Leben auf der Polarstern?

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema

Meereis - Wimmelndes Leben in salzigen Kanälen

Meereis adé? - Erster internationaler Polartag für eine schwindende Eiswelt