Anzeige
Technik

Obsolete Technik

Wenn das passende Gerät fehlt

Digitale Daten sind nicht nur weniger lange haltbar als die meisten analogen Medien, sie erfordern auch die jeweils passende Technik. Eine Floppy-Disk oder das Magnetband eines alten Datenspeichers beispielsweise sind für die meisten unserer Computer schon nicht mehr lesbar – und das aus gleich mehreren Gründen: Uns fehlen das passende Lesegerät, die richtige Schnittstelle und nicht zuletzt auch das Programm und Betriebssystem, das die Bits und Bytes interpretieren kann.

Viele wissenschaftliche Daten sind noch auf alten Magnetbändern gespeichert, wie hier im US National Cancer Institute. © NCI/ Linda Bartlett

Das Problem der Datenträger

Wie schnell diese Form der technologischen Obsoleszenz eintritt, mussten unlängst Pflanzenforscher feststellen, die nach Daten eines Feldversuchs aus den 1970er Jahren suchten. Damals waren im kanadischen Ontario 50.000 Weißfichten gepflanzt und ihr Wachstum über ein Jahrzehnt hinweg verfolgt worden. Die Rohdaten fanden sich schließlich: Sie waren gespeichert auf einer 3,5-Zoll-Diskette, einem Magnetband und mehreren 5,25-Zoll Floppy-Disks – allesamt Datenträger, die heute obsolet sind.

Auch wenn die Daten noch völlig intakt sind, bleibt dadurch der Zugang versperrt – es sei denn, wir haben noch irgendwo die Technik von vorgestern herumstehen. Fast verloren gegangen wären dadurch auch die Daten des Domesday-Projekts des britischen Senders BBC. Zum 900. Jubiläum des Domesday Book, eines Grundbuchs aus der Zeit Wilhelm des Eroberers, sammelte der Sender im Jahr 1986 die Fotos, Dokumente und Videos von einer Million Teilnehmern aus allen Teilen des Landes, um sie als moderne Version des Domesday Book auf zwei Laserdisks zu brennen.

Das Problem: Gelesen werden konnten diese Daten nur mit einem speziellen Mikrocomputer der BBC. Als 25 Jahre später die Domesday-Daten ins Internet übertragen werden sollten, existierte nur noch ein einziges dieser Geräte. Es dauerte daher zweieinhalb Jahre, um die beiden Laserdisks auszulesen und die Daten zu konvertieren.

Noch gibt es Laufwerke für Floppy-Disks, aber die noch funktionsfähigen Exemplaare werden weniger. © gemeinfrei

Konvertieren – solange es die Hardware noch gibt

Im Fall von gängigen alten Datenträgern wie Floppy-Disk und Co gibt es allerdings Lösungen – noch: Viele Unternehmen bieten das Auslesen und Konvertieren von Daten solcher alten Speichermedien als Dienstleistung an. Kostenlos ist dieser Service sogar in einigen Bibliotheken, beispielweise dem Memory Lab der Public Library in Washington DC. Hier können Besucher nach Voranmeldung selbst alte VHS-Videos, Audiokassetten oder Floppy-Disks einlesen und auf USB-Stick oder externe Festplatte umspeichern.

Anzeige

Allerdings: Die meisten dieser heute obsoleten Speichertechnologien sind gerade einmal 20 oder 30 Jahre alt. Und schon jetzt ist es teilweise schwer, die alten Lesegeräte zu finden oder für defekte Technik entsprechende Ersatzteile zu bekommen. Und selbst wenn die alten Lesegeräte noch vorhanden sind: Sie lassen sich gar nicht mehr ohne weiteres an einen modernen Computer anschließen, weil oft die nötigen Schnittstellen fehlen.

Übersetzer gesucht

Doch mit der passenden Hardware ist es oft nicht getan. Oft ist auch das Datenformat veraltet und die entsprechenden Anwendungen gibt es gar nicht mehr. Schon bei ehemals gängigen Programmen wie dem Tabellenkalkulationsprogramm Lotus 1-2-3 oder Word für DOS lassen sich die Informationen oft nur noch mit speziellen „Übersetzungsprogrammen“ auslesen. Bei weniger verbreiteten Formaten gibt es solche Programme jedoch häufig nicht.

Die Daten von DNA-Analysen und anderen Biotech-Laboren liegen oft in proprietären Formaten vor. Um sie später noch lesen zu können, muss man diese Formate kennen. © Maudib/ iStock.com

Ein weiteres Problem gibt es dann, wenn nicht bekannt ist, in welchem Dateiformat ein alter Datenträger formatiert ist. Hier müssen digitale Forensiker dann spezielle Werkzeuge einsetzen, mit denen sie beispielsweise die rohen Binärdaten auslesen. Aus deren Struktur können sie dann – im optimalen Fall – auf das verwendete Format schließen.

Fakt ist: Von der Unmenge der Daten, die wir heute auf Datenträgern oder im Internet speichern, wird ein Großteil verloren gehen. Schon in nicht allzu ferner Zukunft werden nur noch die digitalen Informationen überleben, die regelmäßig wiederaufgerufen, konvertiert und gezielt archiviert werden. Gelingt dies nicht, könnte unsere Ära für unsere fernen Nachfahren zu einem dunklen Zeitalter werden – vergleichbar den alten Kulturen, die noch keine Schrift kannten und von denen wir daher bis heute nur sehr wenig wissen.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. weiter

Nadja Podbregar

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Das digitale Vergessen
Wie lassen sich unsere Daten für die Zukunft erhalten?

Vergängliches Erbe
Wie lange halten unsere Daten?

Obsolete Technik
Wenn das passende Gerät fehlt

Wettlauf mit der Zeit
Wie funktioniert digitales Archivieren?

Zurück zum Analogen
Die Renaissance des Mikrofilms

Steinzeit-Technik für die Ewigkeit?
Keramiktafeln als Erbe für unsere Nachfahren

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Kleinster Magnetspeicher der Welt
Forscher machen ein einzelnes Atom zum Bit

Erster Quantencomputer wird kommerziell
An die Cloud angeschlossener Quantencomputer bald auch für Unternehmen nutzbar

Skurril: Auch Bots tragen Fehden aus
Nützliche Webroboter verwickeln sich teilweise in endlose Konflikte

Dossiers zum Thema

Alan Turing - Genialer Computerpionier und tragischer Held