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Forscher / Entdecker

Naturgesetze statt Schöpfungsglaube

Vom „deutschen Darwin“ zum Monisten

Ernst Haeckel verbreitet aber nicht nur die Evolutionstheorie Darwins als einer der Pioniere in Deutschland und baut sie weiter aus, sondern prägt die Wissenschaften auch noch darüber hinaus mit: Aus dem Darwinismus entwickelt er eine monistische Weltanschauung. Als Monismus wird eine Weltanschauung bezeichnet, nach der alle Wesen und Vorgänge auf ein Grundprinzip zurückgehen. Für Haeckel bedeutet dies, dass sich Gott und das Göttliche in den Naturgesetzen manifestiert.

Monismus statt Glaube

Obwohl Haeckel kein Atheist ist, positioniert er sich damit klar gegen den christlichen Schöpfungsglauben. Als Wissenschaftler und Anhänger Darwins ist er davon überzeugt, dass sich Arten ohne Gottes Mithilfe entwickelt haben müssen. Und auch der Mensch ist laut Haeckel auf „natürliche“ Weise entstanden und nicht durch einen göttlichen Schöpfungsakt.

Arbeitszimmer
Hier arbeitete Haeckel manchmal bis zu 18 Stunden am Tag und schrieb seine Bücher. © Gerbil/ gemeinfrei

Folglich fordert Haeckel Ende des 19. Jahrhunderts in zahlreichen Veranstaltungen und Vorträgen, dass die Evolutionstheorie in den Schulunterricht eingeführt werden müsste. Kirchliche und staatliche Institutionen und auch viele wissenschaftliche Kollegen verspotten ihn dafür.

Deshalb verfasst der Forscher im Jahr 1899 ein allgemein verständliches Buch mit dem Namen „Die Welträtsel“. Es wird in vielen Auflagen und 25 Sprachen gedruckt und erläutert Haeckels Ideen des naturwissenschaftlichen Monismus.

„Alles ist Natur“

Im Detail besagt der Monismus Haeckels, dass sich das Universum selbstständig aus einer Ursubstanz entwickelt habe – ohne Gottes Mitwirkung. Die Welt ist demnach aus ihrer eigenen Dynamik heraus entstanden. Haeckel stellt sich vor, dass der Kosmos ein „allumfassendes Naturganzes“ ist. Gott hingegen ist für ihn die Summe aller Kräfte und Materie und deren Verbindung und nicht etwa ein persönlicher Schöpfer.

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In den folgenden Jahren formuliert Ernst Haeckel seinen Monismus als untrennbare Einheit von Kraft und Materie und begründet seine Auffassung mit zwei allgemeinen Grundsätzen: „Alles ist Natur, Natur ist alles und neben oder über oder hinter der Natur ist nichts“ und „Alles ist den gleichen Gesetzen unterworfen und die Erkenntnis dieser Gesetze gründet sich auf Erfahrung.“ Ernst Haeckel gehört mit dieser monistischen Weltanschauung zu den führenden Freidenkern und Vertretern eines naturwissenschaftlich orientierten Fortschrittsgedankens des frühen 20. Jahrhunderts.

Um diese monistische Weltanschauung zu verbreiten, gründet Haeckel 1906 den Monistenbund am Jenaer Zoologischen Institut. Die Mitglieder des Bunds sollen nach dem Willen des Forschers nicht nur die naturwissenschaftliche Bildung verbreiten, sondern auch freidenkerische Bestrebungen fördern.

Umstrittene Ansichten

Haeckel ist aber wegen eines anderen Aspekts seiner Weltanschauung heute umstritten. Er vertritt basierend auf seinen Vorstellungen zu Evolution und Selektion eine „eugenische“ Sozialpolitik. Seiner Ansicht nach müsse es für das langfristige Wohl einer Gesellschaft legitim sein, unheilbare Kranke oder Behinderte von der Fortpflanzung auszuschließen oder sie sogar zu töten.

So schreibt er in seinem Buch „Die Lebenswunder“: „Es kann daher auch die Tötung von neugeborenen verkrüppelten Kindern, wie sie zum Beispiel die Spartaner behufs der Selektion des Tüchtigsten übten, vernünftiger Weise gar nicht unter den Begriff des ‚Mordes‘ fallen, wie es noch in unseren modernen Gesetzbüchern geschieht. Vielmehr müssen wir dieselbe als eine zweckmäßige, sowohl für die Beteiligten wie für die Gesellschaft nützliche Maßregel billigen.“

Die menschliche Gesellschaft teilt er zudem in höher- und niederwertige Rassen ein. Damit gilt Haeckel als entscheidender Wegbereiter von Euthanasie und Rassenhygiene, wie sie dann im Dritten Reich praktiziert wurde. Im Laufe der Jahre betätigt Haeckel sich politisch und ist Mitglied des Alldeutschen Verbandes, der für sein nationalistisches Gedankengut bekannt ist.

Andererseits setzt sich Haeckel auch stark für den Pazifismus ein, etwa indem er 1910 zusammen mit anderen bedeutenden Persönlichkeiten – wie etwa Friedrich Naumann und Max Weber – dazu aufruft, einen Verband für internationale Verständigung zu gründen. Dieser Verband soll ihnen zufolge Abkommen mit anderen Nationen fördern, um den Weltfrieden zu garantieren. Zudem unterstützt Haeckel aufkommende Friedensbewegungen.

Was geblieben ist

Meerestiere
Aquarelle wie diese machten Haeckel auch nach seinem Lehrende noch berühmt. © Ernst Haeckel/ historisch

Ab 1900 unternimmt der Wissenschaftler weniger praktische Forschungen und konzentriert sich auf Reisen. Es erscheinen Reiseberichte und ein bis heute berühmter Band mit weiteren Aquarellen. 1908 stiftet Haeckel das Phyletische Museum in Jena, das sich vor allem der Stammesgeschichte widmet. Ernst Haeckel stirbt schließlich am 9. August 1919 als weltberühmter Gelehrter in der Villa Medusa in Jena, seinem Wohnhaus.

Ein Jahr nach dem Tod Haeckels eröffnet das Ernst-Haeckel-Haus als Memorialmuseum des populären Wissenschaftlers in der Villa Medusa. Der Deutsche Monistenbund wird zunächst unter anderem von Haeckels Kollegen Wilhelm Ostwald fortgeführt. Aber wie auch andere Freidenkerorganisationen verbieten die Nationalsozialisten ab 1933 den Bund Haeckels.

Zudem nutzen die Nationalsozialisten die darwinistischen Vorträge und Schriften Haeckels zur Artenlehre aus, um ihren Rassismus und Sozialdarwinismus zu erklären. Gleichzeitig aber lehnen sie wesentliche Teile seines Weltbilds als unvereinbar mit ihrer Weltauffassung ab.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Ernst Haeckel
Naturphilosoph und der „deutsche Darwin“

Vom Medizinstudenten zum Reisenden
Haeckel taucht in die Welt der Naturwissenschaften ein

Als Darwinist unterwegs
Wie Haeckel zur Evolutionstheorie kam

Das biogenetische Grundgesetz
Entwicklung des Embryos als Abbild der Evolution

Naturgesetze statt Schöpfungsglaube
Vom „deutschen Darwin“ zum Monisten

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