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Astronomie

Doppelquasar im frühen Kosmos

Zwei aktive Schwarze Löcher und ihre Galaxien bei der Verschmelzung "ertappt"

Verschmelzende Galaxien
Diese Illustration zeigt, wie die beiden verschmelzenden Quasare und ihre Galaxien von nahem aussehen könnten. © NASA/ESA, Joseph Olmsted (STScI)

Frühe Giganten: Astronomen haben das fernste und engste Paar von Quasaren auf Kollisionskurs identifiziert. Die beiden massereichen Schwarzen Löcher existierten knapp drei Milliarden Jahre nach dem Urknall und liegen in zwei benachbarten, gerade miteinander verschmelzenden Galaxien. Die beiden aktiven Galaxienkerne sind nur noch rund 10.000 Lichtjahre voneinander entfernt, wie das Team in „Nature Astronomy“ berichtet. Dieser Doppelquasar bestätigt, dass die heutigen supermassereichen Schwarzen Löcher und ihre Galaxien auf solche Verschmelzungen zurückgehen.

Gängiger Theorie nach sind die supermassereichen Schwarzen Löcher im Herzen der heutigen Galaxien ein Produkt früher Kollisionen: Junge Galaxien im frühen Kosmos kollidierten und verschmolzen miteinander und dadurch gewannen auch ihre zentralen Schwarzen Löcher immer mehr Masse. In unserer näheren kosmischen Umgebung haben Astronomen schon einige solcher Galaxienkollisionen mit zwei oder sogar drei kurz vor ihrer Verschmelzung stehende Schwarzen Löchern beobachtet.

Doppelquasar
Hubble-Aufnahme des Quasarpaares SDSS J0749 + 2255.© NASA/ESA, Yu-Ching Chen (UIUC), Hsiang-Chih Hwang (IAS), Nadia Zakamska (JHU), Yue Shen (UIUC)

Doppelter Lichtpunkt im Visier

Anders ist dies jedoch für aktive supermassereiche Schwarze Löcher – Quasare – im frühen Kosmos: „Es gibt zwar rund ein Dutzend bekannter ‚Doppelquasare‘ aus der Zeit vor mehr als acht Milliarden Jahren, sogar ein Quasarquartett“, sagt Erstautor Yu-Ching Chen von der University of Illinois. „Aber die Abstände zwischen diesen Systemen sind zu groß, als dass die Wirtsgalaxien dieser Paare schon in direkter Interaktion stehen.“ Bei keinem dieser Systeme ließen sich Anzeichen für Gezeitenwechselwirkungen zwischen den beiden Partnern finden.

Doch das hat sich nun geändert. Die Astronomen haben einen Doppelquasar näher untersucht, der schon 2021 mithilfe des Hubble-Weltraumteleskops entdeckt worden war. SDSS J0749 + 2255 liegt mehr als zehn Milliarden Lichtjahre von uns entfernt und erschien in den Hubble-Aufnahmen als Quasar mit zwei eng beieinander liegenden hellen Zentren. Allerdings reichten diese Aufnahmen nicht aus, um auszuschließen, dass der doppelte Lichtpunkt durch den Gravitationslinsen-Effekt einer Vordergrundgalaxie erzeugt wurde.

Chen und sein Team haben daher diesen Doppelquasar SDSS J0749 + 2255 noch einmal mit mehreren Teleskopen im Weltraum und auf der Erde ins Visier genommen, darunter dem Gaia-Satelliten und den hochauflösenden Spektrografen am Gemini North Observatorium auf Hawaii.

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Quasare auf Kollisionskurs bestätigt

Die neuen Beobachtungen bestätigen nun, dass es sich bei SDSS J0749 + 2255 tatsächlich um ein enges Paar von aktiven supermassereichen Schwarzen Löchern handelt. „Der Prozess war nicht einfach und wir haben Teleskopdaten vom Röntgen- bis in den Radiobereich benötigt, um dies zu bestätigen“, sagt Shen. Entscheidende Hinweise lieferte unter anderem ein in den Gaia-Daten sichtbares „Ruckeln“ in diesem System, das auf sporadische Änderungen im „Fressverhalten“ der beiden Schwarzen Löcher hindeutet.

Die spektroskopischen Analysen durch das Hubble-Weltraumteleskop und Gemini North zeigten zudem, dass sich die beiden hellen Quasare in ihren spektralen Merkmalen deutlich unterscheiden – auch dies spricht dagegen, das hier nur ein Quasar durch den ablenkenden Effekt einer Vordergrundgalaxie „verdoppelt“ wurde. Den Daten zufolge sind die beiden Quasare rund eine Milliarde Sonnenmassen schwer und liege nur noch rund 10.000 Lichtjahre voneinander entfernt. Ihre Galaxien zeigen schon Anzeichen von Schwerkraft-Wechselwirkungen und sind noch so jung, dass ihnen die sternenreiche Mittelbeule, der sogenannten Bulge, fehlt.

„Spitze eines Eisbergs freigelegt“

Damit ist das System SDSS J0749 + 2255 der erste eindeutig bestätigte Doppelquasar im frühen Kosmos. Es belegt, dass es in der Zeit der aktivsten Sternbildung und des stärksten Galaxienwachstums tatsächlich solche Galaxienkollisionen und Quasarverschmelzungen gab. „Das ist das einzigartige unserer Studie: Sie zeigt uns, dass es diese Population damals gab – wir haben damit die Spitze eines ganzen Eisbergs solcher früher Doppelquasare freigelegt“, sagt Chens Kollege Xin Liu.

Die Beobachtungen solcher Doppelquasare geben neue Einblicke in das Wachstum früher Galaxien, aber auch darin, wie die Giganten unter den heutigen supermassereichen Schwarzen Löchern entstanden. „Wenn wir mehr über die Vorläufer dieser Schwarzen Löcher erfahren, kann uns dies auch verraten, wie die ersten supermassereichen Schwarzen Löcher im Universum entstanden und wie oft solche Verschmelzungen vorkamen“, sagt Chen.

Gleichzeitig hat die multispektrale Analyse des Doppelquasars SDSS J0749 + 2255 die Merkmale und Methodik aufgezeigt, mit der sich solche Systeme am besten identifizieren lassen. Dies wird dabei helfen, auch weitere, von neuen Teleskopen aufgespürte Kandidaten für Quasarverschmelzungen zu überprüfen. (Nature Astronomy, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-05766-6)

Quelle: NASA, NOIRLab, W. M. Keck Observatory

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