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Ökologie

Doch grünes Licht für die Ozeandüngung

BMBF: Polarstern-Expedition "LOHAFEX" kann durchgeführt werden

Planktongemeinschaft drei Wochen nach Eisendüngung © AWI

Das umstrittene Meeresdüngungs-Experiment LOHAFEX darf jetzt doch durchgeführt werden. Dies hat gestern Bundesforschungsministerin Annette Schavan entschieden. „Nach Auswertung der mir vorliegenden Gutachten bin ich davon überzeugt, dass es keine naturwissenschaftlichen und rechtlichen Bedenken gegen das deutsch-indische Meeresforschungsexperiment LOHAFEX gibt. Deshalb habe ich mich entschieden, dem Vorschlag des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) zu folgen, das Experiment zu beginnen“, sagte Schavan.

Und weiter: „Dabei habe ich mich auf die Bewertungen international anerkannter Institutionen und herausragender Wissenschaftler gestützt, die zu den ökologischen Auswirkungen und dem Verhältnis des Experiments zu den einschlägigen Konventionen Stellung genommen haben. Die Gutachten stellen fest, dass das Vorhaben auf Hoher See im Südatlantik unter Umweltgesichtspunkten unbedenklich ist und im Einklang mit den völkerrechtlichen Vorgaben steht.“ Das Experiment diene der Grundlagenforschung zum Verständnis der Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre und dem Ozean im globalen Kohlenstoffkreislauf.

Meeresumwelt nicht in Gefahr

Ferner habe das AWI ihr nochmals versichert, dass von dem Experiment keine Gefährdung für die Meeresumwelt ausgehe. Sie sei deshalb davon überzeugt, dass Deutschland, entsprechend den Ergebnissen der Konferenz zur Biodiversität (CBD) im Mai 2008 in Bonn, mit diesem Vorhaben einen aktiven Beitrag zur Ächtung einer kommerziellen Eisendüngung der Ozeane leisten könne.

„Wir freuen uns, dass die Gutachter unsere eigene ökologische Risikoanalyse vollständig bestätigt haben“, kommentierte Professorin Karin Lochte, Direktorin des AWI, die positive Nachricht aus dem Bundesforschungsministerium. „Nun ist auch von unabhängiger Seite nochmals deutlich gemacht worden, dass die Umweltauswirkungen im Untersuchungsgebiet vernachlässigbar klein sein werden.“

Umstrittener Ansatz?

Anders sah dies ein Sprecher des Bundesumweltministeriums (BMU): „Das Bundesumweltministerium nimmt die Entscheidung zur Freigabe des LOHAFEX-Experiments mit Bedauern zur Kenntnis. Unsere Vorbehalte gegen LOHAFEX bestehen fort, solange nicht abschließend geklärt ist, ob dieses Projekt mit den Beschlüssen der 9. Vertragsstaatenkonferenz zum Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (CBD) vereinbar ist.“

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Aus Sicht des BMU sei dies nicht der Fall, da die Versuche nicht in Küstengewässern durchgeführt würden und auch eine unabhängige Kontrolle des Experimentes nicht sichergestellt sei. Außerdem weise die „Risikoanalyse“ aus Sicht des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) noch Lücken auf, die abzuklären gewesen wären.

„International ist der Ansatz der Meeresdüngung höchst umstritten, da die Wirksamkeit der Methode fraglich ist. So weisen sowohl der Interstaatliche Rat zum Klimawandel (IPCC) als auch der Wissenschaftliche Beirat für Globale Umweltveränderungen (WBGU), das gemeinsame wissenschaftliche Beratungsgremium des BMBF und des BMU, in ihren Gutachten wiederholt darauf hin, dass die Risiken der Meeresdüngung im Hinblick auf die mittelbaren Folgen für die Meeresökosysteme schwer abzuschätzen sind und lehnen diese daher ab“, so der BMU-Sprecher weiter.

Große Erleichterung beim AWI

Das AWI wies dagegen noch einmal darauf hin, dass LOHAFEX für die Klima- und Erdsystemforschung wertvolle Daten liefern wird – wenn das Experiment wie geplant durchgeführt werden kann. Erst unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen wie LOHAFEX könnten einen fundierten und faktenbasierten politischen Entscheidungsprozess zu der umstrittenen Frage ermöglichen, ob die Eisendüngung im Ozean ein sinnvoller Beitrag zum Klimaschutz sein könne.

„Wir sind natürlich erleichtert über den Rückhalt aus dem Bundesforschungsministerium“, ergänzte Lochte. Diese Rückendeckung sei auch international ein wichtiges Signal für die Wissenschaft, weil es zeige, dass die deutsche Forschung selbst in einer schwierigen politischen Situation ein verlässlicher Partner bleibe. Diese Entscheidung sei auch für die indischen Partner vom National Institute of Oceanography von großer Bedeutung, das dieses Experiment personell und finanziell zur Hälfte trage, und für die dieses Experiment ein wichtiger Beitrag zur deutsch-indischen Kooperation sei.

Rolle des Eisens im Klimasystem besser verstehen

„Wenn LOHAFEX jetzt durchgeführt wird, dann möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen, dass unser Experiment aus rein wissenschaftlichen Fragen heraus entwickelt wurde, um die Rolle des Eisens im globalen Klimasystem besser zu verstehen. Im Internet und in der internationalen Presse kursieren viele Berichte, die behaupten, das Alfred-Wegener-Institut führe das Experiment als Maßnahme zum Klimaschutz durch und wolle testen, ob durch Ozeandüngung der Atmosphäre Kohlendioxid in großem Maßstab entzogen werden kann. Das ist keinesfalls so“, wehrt sich die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts gegen Unterstellungen.

Und weiter: „Wir sind bestürzt darüber, dass sich eine solch kontroverse Diskussion aufgrund falscher, international gestreuter Informationen entzündet hat. Wir hoffen, dass wir mit dem Experiment zu einem besseren Verständnis und zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen können.“

Geeigneter Ozeanwirbel identifiziert

Aufgrund mehrtägiger Voruntersuchungen hat das Wissenschaftlerteam auf der Polarstern inzwischen einen für das Experiment geeigneten geschlossenen Ozeanwirbel gefunden. Er befindet sich auf 48° südlicher Breite und 15° 302 westlicher Länge. Im Zentrum dieses Wirbels wird so bald wie möglich eine Treibboje mit Peilsendern ausgebracht. Von diesem Punkt aus wird Polarstern in den nächsten Tagen dann in spiralförmigen Windungen gelöstes Eisensulfat in den oberen 15 Metern der Wasserschicht verteilen. Dies wird ungefähr 30 Stunden in Anspruch nehmen.

Unmittelbar nach Abschluss des Eiseneintrags werden im Zentrum des gedüngten Bereichs zahlreiche biologische, chemische und physikalische Parameter kontinuierlich gemessen und ökologische Veränderungen in allen Schichten der Wassersäule – von der Oberfläche bis zum Meeresboden in 3.800 Metern Tiefe – über 40 Tage verfolgt. Bis die Biomasse im Untersuchungsgebiet aufgrund der Düngung messbar steigt, werden voraussichtlich 14 Tage vergehen.

Daten werden offen gelegt

Das Alfred-Wegener-Institut wird – wie üblich – die Daten und Forschungsergebnisse zu LOHAFEX offen legen und nicht nur der Wissenschaft, sondern auch Behörden und Umweltverbänden zur Verfügung stellen.

(idw – BMBF/BMU/Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 27.01.2009 – DLO)

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