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Biologie

Farbensehen lässt neue Arten entstehen

Empfindlichkeit der weiblichen Sehrezeptoren entscheidend für Partnerwahl

Buntbarsch der Art Pundamilia nyererei © Eawag

Bei vielen Tierarten entscheidet das farbige Hochzeitskleid des Männchens, ob es von Weibchen bevorzugt oder links liegen gelassen wird. Eine Studie an bunten Fischen zeigt nun, dass dies weniger mit Schönheitsidealen, als schlicht mit der Empfindlichkeit der weiblichen Augen zu tun hat, die durch Anpassung an ihre Umwelt variiert. Diese Partnerpräferenzen können so stark sein, dass sich neue Arten bilden –ohne räumliche Trennung von Populationen.

Auf die Frage, welche Rolle die Selektion bei der Bildung neuer Arten spielt, hält die Evolutionsbiologie nach wie vor erst wenige Antworten bereit. Die in wenigen tausend Jahren – eine kurze Zeit in der Evolution – erfolgte Entwicklung von sehr farbenfrohen Barscharten in afrikanischen Seen stützt die These, dass sexuelle Präferenzen, also Vorlieben bei der Wahl der Geschlechtspartner, zur Artbildung beitragen können, und zwar auch ohne dass Populationen räumlich voneinander isoliert werden. Die Vermutung liegt nahe, dass die Selektion im Fall der Buntbarsche auf eine unterschiedliche Wahrnehmung der Farben zurückzuführen ist. Jetzt liefert eine soeben in der Fachzeitschrift Nature publizierte Studie erstmals Beweise für diese Annahme.

Rezeptoren im Weibchen-Auge entscheidend

Der Evolutionsbiologe Ole Seehausen vom Schweizer Wasserforschungsinstitut Eawag und der Universität Bern und seine Mitautoren weisen darin nach, dass Buntbarschweibchen aus dem Viktoriasee, deren Augen besser auf Blau eingestellt sind, eher blaugefärbte Männchen suchen. Weibchen deren Rezeptoren das rote Farbspektrum besser erkennen, wählen Männchen im roten Hochzeitskleid. Die unterschiedlichen Pigmente in den Rezeptoren in den Augen konnte das Team anhand ihrer DNA- und Protein-Sequenzen unterscheiden.

Die DNA-Sequenz der Gene, die den Augenpigmenten zugrunde liegen zeigt außerdem, dass die Spezialisierung kein Zufall ist, sondern ihrerseits unter natürlicher Selektion entstand. Je nach Wassertiefe, in welcher sich die Fische aufhalten, ist die Empfindlichkeit im Farbensehen unterschiedlich. Weibchen im tieferen Wasser sehen Rot besser, solche im flachen Wasser Blau. Dank dieser Anpassung ihrer Rezeptoren an die vorherrschende Lichtfarbe in der Umgebung verschaffen sich die Fische in einem bestimmten Tiefenbereich einen Vorteil. Sie können sich dort besser orientieren und finden zum Beispiel mehr Futter als ein nicht angepasster Artgenosse. Gleichzeitig haben sich offensichtlich auch die Männchen an diese Situation angepasst: Im tieferen Wasser dominieren Männchen, die zur Geschlechtsreife rote Hochzeitsfarben ausbilden, im flachen Wasser solche mit blauen Farben.

Neue Arten entstehen, wenn das Lichtspektrum mit der Wassertiefe nur langsam ändert. So bleibt in jedem Lichtbereich genügend Raum, dass die unterschiedlichen genetischen Varianten der Fische den Farbvorteil in ihren Nischen auch ausnutzen können. Im Fall des Viktoriasees befinden sich solche Zonen an flachen bis mittelsteilen Ufern mit relativ klarem Wasser.

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Erklärung für drastischen Artenrückgang

Die neuen Resultate zeigen aber nicht nur einen Weg der Artentstehung auf, sie liefern auch eine plausible Erklärung für den drastischen Einbruch der Artenvielfalt, der im Viktoriasee in den letzten 25 Jahren stattgefunden hat. Die von der Landwirtschaft, Entwaldung und umliegenden Grossstädten verursachte Überdüngung des Sees hat nämlich die Trübung im See stark gefördert. Das führt dazu, dass sich die Lichtverhältnisse schon nach wenigen Metern Wassertiefe drastisch ändern.

Die unterschiedlichen ökologischen Nischen liegen daher heute so nah beieinander, dass der Mechanismus der genetischen Anpassung an diese nicht mehr spielen kann. So fanden die Autoren, dass an Orten mit trübem Wasser statt einer roten und einer blauen Art nur eine Zwischenform bestehen kann, die an keine der Lichtnischen speziell angepasst ist. Diese von der Umweltveränderung angetriebene Vermischung der Arten hat mit grosser Wahrscheinlichkeit viel dazu beigetragen, dass innerhalb weniger Generationen von über 500 Buntbarscharten im Viktoriasee heute nur noch rund 250 Arten existieren.

(Schweizer Wasserforschungsinstitut Eawag, 06.10.2008 – NPO)

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