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Paläontologie

Mensch entdeckte Nahrung aus dem Meer vor 164.000 Jahren

Ausgrabung enthüllt unerwartet fortgeschrittene Population des modernen Menschen in Südafrika

Lage der Höhle 13B bei Pinnacle Point © The Mossel Bay Archaeology Project

In einer Höhle an der Küste Südafrikas haben Wissenschaftler Steinwerkzeuge entdeckt, die zeigen, dass hier schon vor 164.000 Jahren Menschen lebten. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, ist dies gleichzeitig der früheste Nachweis von Menschen, die Meeresfrüchte als Nahrung nutzten.

Nach Jahrzehnten der Debatten sind sich die Paläoanthropologen inzwischen relativ einig, dass sich der moderne Mensch zwischen 100.000 und 200.000 Jahren in Afrika entwickelt haben muss. Funde aus dieser Zeitperiode sind in Afrika allerdings rar, daher ist bisher nicht bekannt, wo auf dem Kontinent sich dieser entscheidende Schritt in der Evolution des Menschen ereignet hat.

„Für Archäologen war es schwer, Relikte dieser frühesten modernen Menschen zu finden“, erklärt Curtis Marean, Paläoanthropologe der Arizona State Universität, einer der Teilnehmer an dem internationalen Forschungsprojekt.

„Die Welt befand sich vor 125.00 bis 195.000 Jahren in einer Eiszeit, ein Großteil Afrikas war sehr trocken bis wüstenähnlich, Nahrung war schwer zu finden. Die paläoklimatologischen Daten deuten darauf hin, dass es damals wahrscheinlich nur fünf oder sechs Orte gab, an denen die Menschen diese harten Bedingungen überleben konnten“, so der Forscher. Um aus ihnen den lohnendsten Ort für eine Grabung herauszufinden, analysierte Marean Meeresströmungen, geologische Formationen und andere Daten, bis er seine Suche auf eine Stelle einengte: Pinnacle Point, die Spitze Südafrikas. „Es war wichtig, genau zu wissen wo und nach was wir suchten”, erklärt der Forscher.

Meer als Nahrungsquelle entdeckt

Ockersediment mit Kratzspuren von frühen Menschen, die das rote Pigment für symbolische Handlungen nutzten. © The Mossel Bay Archaeology Project

„Allgemein gesprochen waren die Küstengebiete für den frühen Menschen nur von geringem Wert – es sei denn sie wussten bereits, wie man das Meer als Nahrungsquelle nutzt“, so Marean. Millionen von Jahren ernährten sich unsere Vorfahren nur von Landpflanzen und –tieren. Krebse war eine der letzten Ergänzungen zu ihrem Speisezettel, bevor domestizierte Pflanzen und Tiere dazu kamen.

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„Unsere Funde zeigen, dass die Menschen vor 164.00 Jahren ihr Nahrungsspektrum erweiterten und Krebs und andere Meerestiere aßen, möglicherweise als Reaktion auf härtere Umweltbedingungen“, erklärt Marean. „Das ist der früheste Nachweis eines solchen Verhaltens.“ Vorherige Belege für die Nutzung mariner Ressourcen und von Küstenhabitaten waren auf eine Zeit vor 125.000 Jahren datiert worden. „Wir haben festgestellt, dass die Menschen mindestens 40.000 Jahre früher damit begannen.“

Hinweise auf eine frühe Nutzung der Küstenregionen sind insbesondere für die Rekonstruktion des Wanderungsverhaltens der frühen Menschen von großer Bedeutung. Denn den Genetikern und Anthropologen könnten die Spuren der Küstenbewohner helfen, die Population zu identifizieren, die sich schließlich aus Afrika hinaus aufmachte und letztlich alle anderen Kontinente besiedelte.

Fortgeschrittene Werkzeuge

Bei ihren Ausgrabungen entdeckten die Wissenschaftler neben den Spuren „ozeanischer“ Nahrung auch Hinweise auf die gezielte Nutzung von Pigmenten für symbolische Handlungen und von Silexklingen, feine, geschlagene Steinklingen, die als Messer oder Speerspitzen verwendet wurden. Die früheste Verwendung dieser Steintechnologie war zuvor auf das Ende der Mittleren Steinzeit, 70.000 Jahre vor heute, datiert worden.

„Die kleinen Klingen, weniger als zehn Millimeter breit, etwa von der Größe eines kleinen Fingers, konnten am Ende eines Stocks befestigt oder wie Widerhaken auf einem Pfeil aufgereiht werden“, erklärt Marean. „Das zeigt, dass die damaligen Menschen bereits komplexe Kombinationswerkzeuge einsetzten.

Küstenpopulation als Urkeim aller modernen Menschen?

Die neuen Funde verlagern die Meilensteine der Evolution des modernen Menschen weiter zurück in die Vergangenheit. Zudem zeigen sie, dass eine Lebensweise, die sich an den Küstengebieten und deren Ressourcen orientierte, möglicherweise entscheidend für die Entwicklung und das Überleben dieser frühen Menschen gewesen ist.

„Die Belege zeigen, dass Afrika, und vor allem das südliche Afrika, bei der Entwicklung von modernem menschlichen Verhalten sehr weit fortgeschritten war“, so Marean. „Wir glauben, dass es an der Südküste des Kontinents eine kleine Population von modernen Menschen gegeben hat, die die eiszeitliche Periode überstand, indem sie Krebse und fortgeschrittenen Werkzeuge nutzen. Es ist möglich, dass in dieser Population sogar die Vorfahren aller modernen Menschen lebten.“

(Arizona State University, 19.10.2007 – NPO)

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