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Technik

Drosophila beflügelt Roboter

Flugkontrollsystem der Taufliege als Vorbild für die Entwicklung fliegender Kleinstroboter

Drosophila mit winziger Sonde © Karl Vollmers / Schweizerischer Nationalfonds

Sie ist klein, widerstandsfähig und kann nicht nur stabil fliegen, sondern auch außerordentlich schnelle und präzise Wendemanöver in der Luft durchführen. Forscher der ETH Zürich haben deshalb die Taufliege Drosophila melanogaster als Vorbild aus der Natur gewählt, um kleine, fliegende Roboter zu entwickeln. Auch die Medizin könnte nach Angaben der Wissenschaftler von den Forschungsergebnissen profitieren. So sollen im Rahmen des Projektes steuerbare Mikroroboter entstehen, die zukünftig im Auge oder inneren Organen von Patienten Messungen vornehmen oder sogar Medikamente verabreichen.

Die Schwarzbäuchige Taufliege wird schon seit fast einem Jahrhundert von Biologen und Genetikern erforscht, weil sie gerade mal vier Chromosomen besitzt, eine rasche Generationsfolge aufweist, und viele Genmutationen zeigt.

Doch obwohl Drosophila ein verhältnismäßig einfacher Organismus ist, verfügt das auch als Fruchtfliege bezeichnete Insekt über ein hoch entwickeltes Flugkontrollsystem.

18 Muskeln für die Feinabstimmung

Doch wie genau vollbringt Drosophila ihre akrobatischen Flugeinlagen? Die Antwort auf diese Frage könnte wesentlich zum Verständnis der hochkomplexen Verhaltensweisen biologischer Systeme beitragen. Forscher um Bradley Nelson vom Institut für Robotik und Intelligente Systeme (IRIS) der ETH Zürich haben deshalb mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds Mikrosensoren entwickelt, die im Stande sind, die beim flirrenden Muskelspiel der Taufliege erzeugten Trägheitskräfte zu messen.

„Zu verstehen, welche Kräfte auf einzelne Körper- oder Bauteile einwirken, gehört zu den größten Herausforderungen in der Mikrorobotik“, erklärt Nelson. Bei Drosophila sind nur 18 Kontrollmuskeln für die Feinabstimmung der Flügelbewegungen beim Manövrieren verantwortlich. Mit Hilfe von so genannten MEMS-Kraftsensoren (Micro-Electro-Mechanical System) sind die ETH-Forscher nun in der Lage, die beim Flug der Fruchtfliege auftretenden Kräfte in mehr als einer Dimension präzise und in Echtzeit zu messen.

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12.000 Messungen pro Sekunde

Bis zu 12.000 Mal pro Sekunde messen die winzigen Sensoren, die wie zwei ineinander verzahnte Kämme aufgebaut sind, die Kraftentwicklung von Drosophila. Parallel dazu werden die Testfliegen mit einer in der Schweiz entwickelten, neuartigen Hochgeschwindigkeitskamera gefilmt.

Erstmals konnten die Wissenschaftler so die Aerodynamik und Trägheitskräfte von Fruchtfliegen im Flug gleichzeitig erfassen. Ziel der Forscher ist letztlich die Entschlüsselung des Zusammenspiels zwischen jedem Flügelschlag und den für die Flugkontrolle zuständigen Teilen des Gehirns der Fliegen. Die Auswertung der ermittelten Daten könnte für die Entwicklung flugfähiger Kleinstroboter von großer Bedeutung sein.

Einsatz im menschlichen Körper

Die zielgerichtet steuerbaren Mikroroboter der Zukunft, die am IRIS geplant werden, sollen sich allerdings nicht nur in die Luft erheben können. Die Forscher entwickeln zurzeit auch den Prototyp einer winzigen Sonde, die für den Einsatz im menschlichen Körper optimiert wurde.

Der von bloßem Auge kaum noch erkennbare, steuerbare Mikroroboter soll im Auge oder inneren Organen von Patienten Messungen vornehmen und in Zukunft möglicherweise sogar punktgenau Medikamente verabreichen. Im Körper wird die Miniatursonde mittels starker Magnetfelder angetrieben und gesteuert, die von aussen auf das strömungsgünstig geformte Gefährt einwirken.

Mikroroboter erhalten "Nutzlast"

"Zurzeit arbeiten wir daran, die Mikroroboter mit einer "Nutzlast" auszustatten", erklärt Bradley Nelson. Mediziner möchten die winzigen, diagnostischen Sonden dazu benutzen, Messwerte an ganz bestimmten Stellen des Körpers zu ermitteln. Das kleine Messgerät kann durch die Nadel einer Spritze initiiert werden und wird nach getaner Arbeit auf demselben Weg wieder aus dem Körper entfernt.

Eines der ersten Einsatzgebiete der neuartigen Technologie könnte das Innere des Auges sein. Einige Erkrankungen der Netzhaut werden durch ungenügende Sauerstoffversorgung verursacht. Bislang ist es jedoch noch nicht möglich, entsprechende Messungen des Sauerstoffgehalts im Inneren des Auges durchzuführen.

Nelson und sein Team erwägen deshalb, ihr mikroskopisches Tauchgerät mit einem Sauerstoffsensor zu bestücken. Dass das Konzept nicht aus der Luft gegriffen ist, steht bereits fest. Erste Testfahrten im Glaskörper von Tieraugen verliefen erfolgreich.

(Schweizerischer Nationalfonds / ETH Zentrum, 28.04.2006 – DLO)

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