Ein Bakterium, dessen Auftreten in Trinkwasseranlagen seit über 100 Jahren gefürchtet ist, ernährt sich vom Treibhausgas Methan und verwendet dafür ein äußerst ungewöhnliches Protein. Dies hat jetzt ein internationales Forscherteam herausgefunden. Die Entdeckung könnte nach Ansicht der Wissenschaftler große Bedeutung für die Klimaforschung haben.
Im Jahr 1870 entdeckte Ferdinand Cohn, der Begründer der modernen Bakteriologie, in Trinkwasserbrunnen ein fadenförmiges Bakterium und nannte es den „Brunnenfaden“ oder Crenothrix polyspora. Gelegentlich hat er sich so stark vermehrt, dass große Mengen in die Trinkwasserversorgung gelangten und dort mit viel Aufwand entfernt werden mussten. Historisch belegt sind beispielsweise Fälle in Berlin und Rotterdam, wo die Bakterien noch an den Entnahmestellen der Haushalte nachgewiesen wurden.
Im Mikroskop ist der Brunnenfaden anhand seiner eigentümlichen Gestalt leicht von anderen Bakterien zu unterscheiden. Es ist aber nie gelungen, den Brunnenfaden im Labor zu züchten und herauszufinden, mit welchen anderen Bakterien er verwandt ist, wovon er sich ernährt und warum es zur Massenvermehrung kommt.
Energie und Kohlenstoff aus Methan
Erst die Wissenschaftler der Universität Wien um Professor Michael Wagner und Holger Daims konnten zusammen mit Kollegen der Universitäten Aalborg und Hamburg-Harburg nun diesem Bakterium seine Geheimnisse entreißen. Die lebensnotwendige Energie und den Kohlenstoff für seine Zellsubstanz, so die Forscher in der Fachzeitschrift PNAS (Proceedings of the National Academy of Science), bezieht der Brunnenfaden aus Methan.
„Diese Fähigkeit haben außer ihm nur wenige andere der bisher erforschten Mikroorganismen“, erklärt Michael Wagner, der Leiter der Studie. Zu diesem Zweck hat der Brunnenfaden ein besonderes, bislang unerforschtes Protein, das in dieser Form bei keinem anderen bekannten Lebewesen vorkommt.
Daraus ergeben sich völlig neuartige Einblicke in die Evolution und Biochemie Methan verwertender Bakterien. „Ein besseres Verständnis dieser Bakterien ist von besonderer Bedeutung, da die Verwertung des Treibhausgases Methan dessen Konzentration in der Atmosphäre verringert und somit der globalen Erwärmung entgegenwirkt“, so Wagner, der Leiter des Departments für Mikrobielle Ökologie der Universität Wien.
(Universität Wien, 06.02.2006 – DLO)