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Chemie

Skurril: Graphen als Haarfärbemittel

Neue Anwendung für das "Wundermaterial" entdeckt

Von blond zu schwarz - dank Graphenfärbung © Chong Luo

Langanhaltend und sanft: Graphen eignet sich offenbar auch als Haarfärbemittel. Wie Forscher berichten, lassen sich mit dem „Wundermaterial“ Farbtöne von schwarz bis braun erzeugen. Der Clou: Anders als bei herkömmlichen Methoden ummantelt die neue Färbung das Haar nur von außen. Sie ist dadurch weniger schädlich, hält aber trotzdem länger als Tönungen. Weil Graphen leitfähig ist, wirkt die Farbe zudem gegen „fliegende“ Haare.

Ob blond, braun oder schon das erste Grau: Wer seiner von der Natur gegebenen Haarfarbe überdrüssig ist, greift heutzutage einfach zu Haarfärbemitteln. Ein bisschen Paste in die Strähnen geschmiert, einziehen lassen, ausspülen – und schon erstrahlt die Haarpracht in neuem Glanz.

Das Haarefärben scheint ein profaner Vorgang zu sein. Doch dahinter steckt ein komplizierter chemischer Prozess. „Unsere Haare sind von einer Art schützenden Schuppenschicht aus übereinander greifenden Zellen bedeckt, der sogenannten Cuticula“, erklärt Jiaxing Huang von der Northwestern University in Evanston. „Man braucht Chemikalien wie Ammoniak, um diese Schuppen aufzubrechen und den färbenden Molekülen den Weg ins Innere frei zu machen.“

Sanfte Haarfarbe gesucht

Das Problem: Dabei wird nicht nur die Struktur der Haare beschädigt, sodass sie spröde werden. Der Chemie-Cocktail, der die Strähnen farblich verändert, enthält oft auch giftige Substanzen. Wissenschaftler um Seniorautor Huang haben sich deshalb nun auf die Suche nach einer verträglicheren, aber ebenso farbkräftigen Alternative gemacht.

Die Graphenschichten legen sich wie bei einer Tönung von außen ums Haar, die Farbe hält aber deutlich länger. © Jiaxing Huang

Fündig wurde das Team schließlich bei einem Stoff, der sich in den letzten Jahren einen Namen als wahres Wundermaterial gemacht hat: Graphen. Das ultradünne Netz aus Kohlenstoffatomen gilt wegen seiner hohen elektrischen Leitfähigkeit sowie seiner Härte und gleichzeitigen Flexibilität vor allem als vielversprechender Kandidat für technische Anwendungen wie faltbare Bildschirme. Doch es eignet sich offenbar auch hervorragend zum Haarefärben.

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Ummantelt von Graphenschichten

Bei ihren Versuchen ummantelten die Forscher Proben von menschlichem Haar mit einer Lösung aus Graphen und einem polymeren Bindemittel. Das Ergebnis: Platinblonde Strähnen wurden schwarz und blieben es auch mindestens 30 Wäschen lang – die Voraussetzung, um eine Farbe als permanent bezeichnen zu dürfen.

Der Clou dabei: Anstatt ins Haar einzudringen, legen sich die dünnen, flexiblen Graphenschichten nur von außen um die Strähnen und richten dadurch weniger Schaden an. Tönungen funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Mit einem Unterschied: Sie waschen sich sehr schnell wieder heraus.

Nie wieder „fliegende“ Haare

Das Graphen aber wickelt sich so passgenau um jedes einzelne Haar, dass eine dichte und gleichmäßige Ummantelung entsteht. „Hat sich dieser Farbmantel einmal geformt, ist das Graphen sehr gut darin, Wasser abzuweisen“, erklärt Huang. „So wird es beim Waschen nicht so schnell zersetzt.“

Unbehandeltes und herkömmlich gefärbtes Haar lädt sich statisch auf - mit Graphen ummanteltes Haar nicht (rechts). © Chong Luo

Ein weiterer Vorteil: Das Färbemittel enthält keine giftigen Substanzen und kann zudem nicht so leicht in den Körper gelangen. „Kleine Moleküle können über die Haut oder beim Einatmen aufgenommen werden“, sagt Huang. Bei der vergleichsweise großen Struktur des Graphens passiere dies weniger schnell. Hinzu kommt ein netter Nebeneffekt: Weil Graphen leitfähig ist, wirkt es statischer Aufladung entgegen – und damit gegen das lästige Phänomen „fliegender“ Haare.

Zukunftsvision Smart Hair

Nicht nur Fans von Schwarz könnten sich schon sehr bald mit dem „Wundermaterial“ die Haare färben, wenn es nach den Wissenschaftlern ginge. Sie betonen, dass durch simple chemische Veränderungen auch braune Töne oder farbliche Verläufe im Haar erzeugt werden können.

Anders als für technische Anwendungen muss das Graphen zum Haarefärben von keiner besonders hohen Qualität sein. „Wir können Graphen oder Derivate wie Graphenoxid nutzen, die sich für High-End-Produkte nicht eignen, und daher billiger und besser verfügbar sind“, konstatiert das Team. Einem schnellen Weg von der Forschung in die Praxis stehe deshalb nichts entgegen.

Eines Tages könnte mit dem Graphen allerdings auch mehr drin sein als nur eine langweilige Färbung: Smart Hair. „Man könnte die Farbe auftragen, um die Haaroberfläche leitend zu machen und das Haar dann beispielsweise mit tragbarer Elektronik verknüpfen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt“, schließt Huang. (Chem, 2018; doi: 10.1016/j.chempr.2018.02.021)

(Cell Press/ Northwestern University, 16.03.2018 – DAL)

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