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Medizin

Leukämie: Bald alle Eltern als Spender geeignet?

Neues Verfahren ermöglicht Knochenmarksspende auch bei nur halb passenden Merkmalen

Künftig könnten fast alle Eltern zu geeigneten Spendern für ihre leukämiekranken Kinder werden © Frantab/ iStock.com

Neue Hoffnung für Leukämie-Patienten: Künftig könnte es viel einfacher werden, Knochenmarksspender für an Leukämie erkrankte Kinder zu finden. Denn Forscher haben eine Methode entwickelt, durch die nahezu alle Eltern zu Spendern werden können – auch wenn ihre Blutzellmerkmale nur zur Hälfte übereinstimmen. In einer Studie mit 80 Kindern war dieses neue Verfahren ähnlich erfolgreich wie die gängige Transplantation komplett passender Blutstammzellen.

Leukämie ist eine der häufigsten Krebserkrankungen bei Kindern. Einige Formen dieser Entartung von blutbildenden Zellen im Knochenmark sind inzwischen mit Chemotherapie relativ gut behandelbar, andere jedoch erweisen sich als hartnäckig und reagieren kaum auf die Behandlung. Hier hilft bisher nur eine völlige Zerstörung des erkrankten kindlichen Knochenmarks und die Transplantation von neuem, gesunden Knochenmark durch einen passenden Spender.

Das Knochenmark muss stimmen

Doch genau hier liegt bisher das Problem: Damit die transplantierten Blutstammzellen nicht abgestoßen werden, müssen sie in wesentlichen Merkmalen mit denen des Kindes übereinstimmen. Vor allem die sogenannten humanen Leukozyten-Antigene (HLA), auf der Oberfläche der Blutzellen sind dabei entscheidend. Zwar werden diese Merkmale vererbt, aber selbst Geschwister und Eltern tragen nicht immer die passende Blutzellsignatur.

Jetzt jedoch könnte Mediziner eine Methode gefunden haben, um das Knochenmark von nahen Angehörigen nachträglich passender zu machen. Das Zellmaterial wird dabei nachträglich so aufgereinigt, dass nur noch die Zellen übrigbleiben, die in ihren Gewebemerkmalen passen. Mit Hilfe dieses Verfahrens könnten künftig nahezu alle Eltern ihren leukämiekranken Kindern Knochenmark spenden.

Nicht passende Zellen werden entfernt

Der Clou dabei: Das Erbgut des Kindes und damit auch seine HLA-Merkmale stammen jeweils zur Hälfte von der Mutter und dem Vater. Diese tragen daher immer auch einen Anteil passender HLA-Merkmale in sich. Das neue Verfahren von Franco Locatelli von der Universität Padua und seinen Kollegen identifiziert die Blutstammzellen mit den passenden Merkmalen und entfernt zudem die sogenannten alpha-T- und B-Zellen, die an Abstoßungsreaktionen beteiligt sind.

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Entnahme einer Knochemarksspende © US Navy/ Chad McNeeley

Wie gut dieses Verfahren funktioniert, haben die Forscher von September 2011 bis September 2014 in einer Studie mit 80 Kindern untersucht. Alle Kinder wurden mit einer Chemotherapie vorbehandelt, die die Knochenmarkszellen abtötete. Zusätzlich zu den aufgereinigten Blutstammzellen bekamen sie ein spezielles Medikament verabreicht, das gegen T-Zellen des Immunsystems wirkt, um das Risiko einer Abstoßung weiter zu reduzieren.

Erste Kinder erfolgreich behandelt

Das Ergebnis: Die Transplantation mit dem aufgereinigten, haploidentischen Knochenmark war erfolgreich: Keines der Kinder entwickelte umfangreiche, langanhaltende Abstoßungsreaktionen, wie die Kinder berichten. Bei nur rund 30 Prozent von ihnen traten milde Abwehrreaktionen vornehmlich auf der Haut auf, nur bei zwei Kindern hatte die Stammzelltransplantation keinen Erfolg, berichten Locatelli und seine Kollegen.

Nach der Behandlung lag die Überlebensrate ohne Auftreten von Abwehrreaktionen oder Krankheitsrückfällen bei 71 Prozent – und damit ähnlich hoch wie bei zwei Vergleichsgruppen von Kindern, die HLA-identische Blutstammzellen bekommen hatten, so die Forscher. Ihrer Ansicht nach stellt die haploidentische Stammzell-Transplantation mit Aufreinigung damit eine geeignete Alternative für Kinder mit akuter Leukämie dar.

Hoffnung auch für erwachsene Leukämiepatienten

„Unsere Methode eröffnet damit die Chance, nahezu jedem Kind mit Leukämie die nötige Stammzell-Transplantation zu geben“, konstatieren die Forscher. Denn durch die Aufreinigung des Knochenmarks kommen fast alle Eltern als Spender für ihre Kinder in Frage. Locatelli und seine Kollegen halten es für sehr wahrscheinlich, dass ihre Methode künftig auch bei Erwachsenen funktionieren könnte. (Blood, 2017; doi: 10.1182/blood-2017-04-779769)

(Beilit, 23.10.2017 – NPO)

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