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Technik

Künstliche Venusfliegenfalle

Miniatur-Pinzette greift Objekte wie sein Vorbild aus der Natur

Eine dünne Folie biegt sich im richtigen Licht zu einem Miniaturgreifarm. © Owies Wani et al., Nature Communications / CC-by-sa 4.0

Inspiration aus der Natur: Nach dem Vorbild einer Venusfliegenfalle haben Forscher eine Art Minipinzette aus einer lichtsensitiven Folie entwickelt. Dank eingebauter Lichtsonde erkennt der kleine Greifer automatisch, wenn ein Objekt in sein „Sichtfeld“ gelangt und greift zu – angetrieben durch das einfallende Streulicht des Objektes. Die neue Technologie könnte Wegbereiter für autonom interagierende Roboter sein, berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“.

Pflanzen halten so manche Überraschung bereit. Erst kürzlich fanden Wissenschaftler etwa neue Hinweise auf ein Pflanzengedächtnis. Diese Entdeckung könnte auch die erstaunliche Fähigkeit des Zählens von Venusfliegenfallen erklären. Die fleischfressenden Pflanzen können sich die Zahl der Beutekontakte merken und sind für ihren raffinierten Fliegenfang-Mechanismus berühmt.

Gelangt ein Insekt zwischen die beiden Fangblätter der Pflanze, registrieren drei Sinneshaare auf jeder Blatthälfte seine Gegenwart – und die Falle schnappt wie ein Maul zu. Owies Wani und seine Kollegen von der Tampere Universität in Finnland haben sich nun von diesem Fangmechanismus inspirieren lassen und einen lichtsensitiven Miniaturgreifarm entwickelt, der wie die Venusfliegenfalle zuschnappt.

Funktionsprinzip der künstlichen Venusfliegenfalle. © Owies Wani et al., Nature Communications / CC-by-sa 4.0

Licht als Antrieb

Der Greifer der Forscher besteht aus einer flachen Folie aus einem Flüssigkristall-Elastomer. In diesem Kunststoff sind längliche Kristalle enthalten, die im Normalzustand geordnet sind: hintereinander gereiht auf der Oberseite der Folie und parallel nebeneinander auf der Unterseite. Durch einfallendes Licht der geeigneten Intensität und Energie wird die Ordnung der Kristalle durcheinandergebracht. Dies führt dazu, dass sich die Oberseite zusammenzieht und die Unterseite ausdehnt. Das Resultat: Die Folie biegt sich.

Um den Greifer zu konstruieren, haben die Forscher die Folie auf der Spitze einer Glasfaser fixiert. Durch das Glas können sie Licht senden. Wenn der Greifer sich einem Objekt nähert, welches das Licht ausreichend reflektiert, löst dieses Streulicht die Verformung der Folie aus – die künstliche Venusfliegenfalle klappt zu.

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Flexibel und selektiv

Damit unterscheidet sich die technische Entwicklung von ihrem Vorbild aus der Natur: Anders als die Falle der Pflanze, die nur auf Berührungen auf der Innenseite der Fangblätter reagiert, erkennt die künstliche Venusfliegenfalle Objekte ohne Kontakt. Stattdessen „sieht“ sie die Gegenstände in dem ausgesandten Lichtkegel. Dabei reagiert sie auf das zurückkehrende Streulicht und kann somit reflektierende Objekte von transparenten oder absorbierenden Objekten unterscheiden. So ist eine selektive Objektauswahl anhand von Oberflächeneigenschaften möglich, wie das Team berichtet.

Die Biegung der Flüssigkristall-Folie ist reversibel. Sobald die Lichtversorgung durch die Glasfaser ausgeschaltet wird, lässt der Greifer los und nimmt seine platte Ursprungsform wieder an – genauso wie sich die Blätter der Venusfliegenfalle nach abgeschlossener Mahlzeit wieder öffnen.

Der Greifarm reagiert selektiv auf Objekte, die besonders gut das Licht reflektieren.© Owies Wani et al., Nature Communications

Vorteil: weicher Griff

Die Minipinzette könnte eine wegweisende Technologie in der Weiterentwicklung von Mikrorobotik mit weichen Materialien sein, hofft das Team: „Anders als herkömmliche Maschinen mit starren Greifarmen gewährleisten weiche Roboter eine natürliche Sicherheit und menschenfreundlichen Kontakt.“

Dank der Flexibilität des Designs schmiegt sich der Greifer Objekten unterschiedlichster Geometrie an und ist daher vielseitig nutzbar, wie die Forscher betonen. Der lichtsensitive Miniaturgreifarm könnte somit ein Vorreiter für zukünftige größere Roboter sein. (Nature Communications, 2017; doi: 10.1038/ncomms15546)

(Tampere University of Technology, Finnland, 24.05.2017 – CLU)

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