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Biologie

Action-Filme für Menschenaffen

Auch Schimpansen erkennen Filme wieder und ahnen die Schlüsselszenen voraus

Action-Film für Menschcenaffen: Ein als Kingkong verkleideter Mensch gtreift einen Menschen an. © Fumihiro Kano / Universität Kyoto

Menschenaffen sind uns sogar beim Filmgucken erstaunlich ähnlich: Schimpansen und Bonobos prägen sich besonders aufregende Filmszenen schon nach einmaligem Sehen ein. Beim nächsten Mal wissen sie dann genau, wann diese spannende Schlüsselszene kommt und wo der Bösewicht auftaucht – das verrät ein Experiment mit einem Eyetracker. Die Menschenaffen können demnach wie wir Erfahrungen im Langzeitgedächtnis speichern und wieder abrufen, so die Forscher im Fachmagazin „Current Biology“.

In unserem Alltag rufen wir uns ständig vergangene Erfahrungen und Erinnerungen in Gedächtnis. Das hilft, neue Erlebnisse einzuordnen oder Gefahren zu vermeiden. Besonders stark prägen sich dabei Erfahrungen ein, die in uns Gefühle wie Angst oder Freude wecken. Dies gilt sogar für Erlebnisse, die wir nur aus „zweiter Hand“ machen, beispielsweise beim Anschauen eines Films:

„Wenn Sie ein schockierendes, aufregendes Ereignis in einem Film sehen, dann erinnern Sie sich daran“, sagt Fumihiro Kano von der Universität Kyoto. „Wenn Sie dann später den gleichen Film noch einmal sehen, sehen Sie diesen Moment bereits voraus.“ Experimente mit Eyetrackern zeigen, dass wir dann unwillkürlich an die Stelle auf der Leinwand schauen, an dem beispielsweise das Monster erscheint oder der Bösewicht – und das schon kurz bevor er wirklich zu sehen ist.

Kingkong greift an

Aber können Menschenaffen das auch? Von Schimpansen weiß man, dass sie sich die Lage von ertragreichen Futterplätzen merken: Schon nach einmaligem Besuch bei einem besonders lohnenden Obstbaum speichern sie dessen Position und Art im Langzeitgedächtnis. Selbst Jahre später finden sie ihn dadurch wieder. Ob die Affen ähnliches auch beim Anschauen eines Films leisten können, haben Kano und sein Kollege Satoshi Hirata nun untersucht.

Für ihr Experiment setzen die Forscher sechs Bonobos und sechs Schimpansen Eyetracker auf. Dann führten sie ihnen ein Video vor, in dem ein Mensch in einem Raum mit zwei Türen saß. Nach einigen Sekunden stürzte ein zweiter, als Kingkong verkleideter Mensch aus einer der beiden Türen und griff die erste Person an. Genau 24 Stunden später führten die Forscher den gleichen Film wieder vor.

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Schimpanse Natsuki schaut das Video mit dem Kingkong-Angriff mit einem Eyetracker., Bonobo Ikera beim Betrachten des zweiten Testfilms – ebenfalls mit Eyetracker.© Fumihiro Kano/ Universität Kyoto, Fumihiro Kano/ Universität Kyoto

Blick verrät Erinnerung

Würden die Affen sich daran erinnern, wann und wo Kingkong erscheint? Der Eyetracker enthüllte, dass dies tatsächlich so war: Unmittelbar bevor der als Kingkong Verkleidete aus der Tür gestürmt kam, fixierten die Menschenaffen diese Tür besonders intensiv. „Sie musterten sie länger als die andere Tür und auch länger als beim ersten Sehen des Film“, berichten Kano und Hirata.

Ähnliches ergab ein zweiter Test mit einem anderen Film. In diesem griff sich ein Mensch eines von zwei Objekten und schlug damit eine als Affe verkleidete Person. Diesmal jedoch zeigten die Forscher beim zweiten Sehen eine leicht veränderte Fassung des Clips: die beiden Objekte waren in ihrer Position vertauscht. Doch die Bonobos und Schimpansen ließen sich nicht beirren: Kurz vor dem Angriff starrten sie gezielt das später als Waffe zweckentfremdete Objekt an.

Schimpanse Natsuki schaut das Video mit dem Kingkong-Angriff mit einem Eyetracker., Bonobo Ikera beim Betrachten des zweiten Testfilms – ebenfalls mit Eyetracker.© Fumihiro Kano/ Universität Kyoto, Fumihiro Kano/ Universität Kyoto

Filmgenuss auf äffische Art

„Das belegt, dass Menschenaffen schon bei nur einmaligen Sehen Ort und Inhalt eines Ereignisses ins Langzeitgedächtnis übernehmen“, konstatieren Kano und Hirata. Schimpansen und Bonobos sind demnach sogar in der Lage, sich an Filmszenen zu erinnern und sie beim Wiedersehen vorauszuahnen – wie wir Menschen. Die Menschenaffen begreifen, dass sie diesen Film schon einmal gesehen haben und dass er wieder genauso enden wird wie zuvor.

Und spannend schienen die Menschenaffen ihre „Action-Filme“ auch zu finden: „Einige von ihnen vergaßen sogar zu trinken und starrten gebannt auf den Bildschirm“, berichtet Kano. Bemerkenswert sei aber vor allem, dass den Menschenaffen ein einziges Sehen reichte, um sich den Film und die Schlüsselszene zu merken.

Diese Fähigkeit verschafft den Primaten wahrscheinlich auch im Dschungel wichtige Vorteile. „Es könnte den Tieren dabei helfen, Gefahren zu vermeiden oder soziale Konflikten aus dem Weg zu gehen“, mutmaßen Kano und Hirata. (Current Biology, 2015; doi: 10.1016/j.cub.2015.08.004)

(Cell Press, 18.09.2015 – NPO)

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