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Archäologie

Arbeitsteilung schon vor 45.000 Jahren

Tausende Steinwerkzeuge zeugen von früher Spezialisierung der Werkzeugmacher

Zwei in Mughr el-Hamamah gefundene Speerspitzen und eine Knochennadel oder Ahle © Aaron Stutz/ Emory University

Ungewöhnliche Vielfalt: Schon vor rund 45.000 Jahren praktizierten Menschen im Nahen Osten Arbeitsteilung. Sie stellten fast schon wie am Fließband verschiedene spezialisierte Steinwerkzeuge her. Das belegen tausende Speerspitzen, Klingen und Faustkeile, die Paläontologen in einer Höhle in Jordanien entdeckt haben. Ob Neandertaler oder anatomisch moderne Menschen diese Werkzeuge herstellten, ist jedoch noch unklar.

Die meisten Werkzeuge unserer steinzeitlichen Vorfahren waren eher Allzweckgeräte: Faustkeile, mit denen man sowohl schneiden als auch ritzen, schaben und stechen konnte. „Das war durchaus sinnvoll in einem Umfeld, in dem man nicht wusste, für was man sein Feuersteinstück demnächst brauchen würde“, erklärt Erstautor Aaron Stutz von der Emory University in Atlanta. Doch zumindest einige Neandertalergruppen praktizierten auch schon Arbeitsteilung, wie der Fund einer 35.000 Jahre alten Elfenbeinwerkstatt in Sachsen-Anhalt belegt.

Jetzt haben Stutz und seine Kollegen einen noch älteren Beleg für spezialisierte Werkzeuge und Arbeitsweisen entdeckt. In der Höhle Mughr-el-Hamamah in Jordanien stießen sie auf mehrere gut erhaltene Lagerplätze aus der Zeit von vor 40.000 bis 45.000 Jahren. Die das Jordantal überblickende Höhle enthielt tausende von Steinwerkzeugen verschiedener Machart, wie die Forscher berichten.

Arbeitsteilung und Fließbandproduktion

Neben Schabern, eher groben Faustkeilen und Steinklingen fanden sich unzählige wie genormt aussehende Speerspitzen. „Diese Standardisierung minimiert den Gesteinsabfall und maximiert die Produktion“, erklärt Stutz. „Das ist fast schon eine Art Vorläufer der Fließbandproduktion.“ Diese Massenanfertigung von Speerspitzen könnte dazu gedient haben, Jägergruppen mit immer neuem Nachschub an Jagdwaffen zu versorgen.

Einige der Werkzeuge glichen typischen Faustkeilen, die von Neandertalern wie anatomisch modernen Menschen genutzt wurden. © Aaron Stutz/ Emory University

„Die Menschen von Mughr el-Hamamah hatten offenbar eine klare Arbeitsteilung entwickelt, bei denen einige jagten, andere Feuerholz sammelten, Pflanzen suchten oder andere Nahrung“, so Stutz. Seiner Ansicht nach könnte es spezielle Werkzeugmacher gegeben haben, die für die anderen die Werkzeuge herstellten. „Die angefertigten Werkzeuge an andere Mitglieder der Gruppe abzugeben war dabei von Vorteil und band die Gruppe enger zusammen.“

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Neandertaler oder Homo sapiens?

Wer allerdings diese Werkzeugmacher waren, ist bisher noch unklar. „Unser Fund liegt direkt im levantinischen Korridor“, erklärt Stutz. „Durch dieses Gebiet zog jede Generation von Menschen, die aus Afrika nach Eurasien auswanderten, machte Rast und suchte Nahrung.“ In der Zeit vor rund 45.000 Jahren waren die Neandertaler bereits am Aussterben, während unsere Vorfahren sich in Europa ausbreiteten.

In der Levante mischten sich jedoch beide Populationen wahrscheinlich schon seit rund 100.000 Jahren. Zwar haben die Forscher in der Mughr el-Hamamah auch einige wenige Fragmente von menschlichen Knochen gefunden. Allein anhand ihrer Form lassen sie sich jedoch nicht einer Menschenart zuordnen. Nun muss geprüft werden, ob sich DNA aus diesen Knochenfragmenten isolieren lässt – dies könnte die Frage nach den Werkzeugmachern beantworten.

Nach Ansicht der Forscher spricht die Arbeitsteilung aber in jedem Fall dafür, dass die Menschen damals bereits soziale Kontakte und einen Austausch von Werkzeugen über ihre Kleingruppe hinaus besaßen. „Was wir in Mughr el-Hamamah sehen, ist dass die Individuen und ihre Familien begannen, in größeren, kulturell stärker strukturierten Netzwerken zu leben und zu arbeiten“, so Stutz. Dieser gesellschaftliche Wandel könnte seiner Ansicht nach für unsere Vorfahren typisch gewesen sein und mit dazu beigetragen haben, die Neandertaler zu verdrängen. (Journal of Human Evolution, 2015; doi: 10.1016/j.jhevol.2015.04.008)

(Emory Health Sciences, 15.06.2015 – NPO)

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