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Evolution

Auch Neandertaler waren anpassungsfähig

Wanderungsverhalten nach der Eiszeit ähnelte dem des modernen Menschen

Verteilungskarte von Gruppen des Neandertalers (rot), des modernen Menschen (blau) und von Mischformen (gelb) im eiszeitlichen Europa; die auf einer Simulation beruhende Karte zeigt den Zustand, nachdem sich das Wanderungsverhalten der Jäger und Sammler an die geänderten Umweltbedingungen angepasst hat. © Michael Barton / Arizona State University

Die Neandertaler passten sich nach der letzten Eiszeit ähnlich gut an das wärmer werdende Klima an, wie unsere Vorfahren. Um ausreichend Nahrung zu finden, wanderten beide Menschenarten weiter als zuvor und dehnten ihr Verbreitungsgebiet in Europa aus. Das berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Human Ecology“.

„Lange Zeit glaubte man, dass die Neandertaler durch ‚fittere‘, moderne Menschen verdrängt wurden und sich nicht anpassen konnten“, sagt Julien Riel-Salvatore von der University of Colorado Denver, einer der Autoren der Studie. Doch beide Populationen von Jägern und Sammlern hätten ähnlich auf die sich verändernden Umweltbedingungen reagiert. Sie mussten mobiler werden um Nahrung zu finden.

Wanderungsverhalten der beiden Menschenarten simuliert

Für ihre Studie hatten die Forscher archäologische Funde aus ganz Europa ausgewertet und die Verteilung und das Wanderungsverhalten der beiden Menschenarten mit einem Modell simuliert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Neandertaler ihr Gebiet genauso ausdehnten wie der Homo sapiens. „Ihr Verhalten entsprach dem des modernen Menschen“, sagt Erstautor Michael Barton von der Arizona State University.

Dieses Ergebnis belege auch, dass die Neandertaler flexibler und einfallsreicher waren als bisher angenommen. „Die Neandertaler haben bewiesen, dass sie problemlos auch mit Veränderungen zurechtkamen“, sagt Riel-Salvatore. Das spreche gegen die Theorie, dass eine mangelnde Anpassungsfähigkeit die Eiszeitmenschen vor etwa 35.000 Jahren aussterben ließen.

Aussterben durch ähnliches Verhalten?

Nach Ansicht der Forscher könnte gerade die sehr ähnliche Reaktion der beiden Menschenarten zum Aussterben der Neandertaler geführt haben. Durch ihre ähnliche Lebensweise und Ausbreitung konkurrierten beide um Nahrung und Lebensraum. Der enge Kontakt zwischen Neandertalern und Homo sapiens habe wahrscheinlich auch dazu geführt, dass sich beide Menschenarten wiederholt miteinander kreuzten, sagen die Wissenschaftler.

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Im Laufe der Zeit seien dadurch die wenigen verbliebenen Neandertaler als genetisch und physisch erkennbare Menschenart verschwunden, meinen die Forscher. Die Computersimulation des Wanderungsverhaltens beider Menschenarten habe ein ähnliches Bild ergeben: Im Laufe von 1.500 Generationen wurden die Neandertaler allmählich von den zahlenmäßig überlegenen modernen Menschen geschluckt.

Funde aus 31 Orten in Europa und dem Nahen Osten ausgewertet

Für ihre Studie hatten die Forscher Daten von 167 archäologischen Ausgrabungen an 31 Orten in Europa und dem Nahen Osten ausgewertet. Das Alter der Funde deckte die Zeit vor 128.000 bis 11.500 Jahren ab – und damit die Zeit während und nach der Eiszeitära.

Zu Beginn dieser Phase bis vor etwa 45.000 Jahren lebte der Neandertaler als einzige Menschenart in Europa und den umgebenen Regionen. Dann wanderte der Homo sapiens aus Afrika und dem Nahen Osten ein. Vor etwa 35.000 Jahren starb der Neandertaler aus. Warum ist bis heute nicht eindeutig geklärt. (Human Ecology, 2011; doi:10.1007/s10745-011-9433-8)

(Human Ecology / dapd, 18.11.2011 – NPO)

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