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Technik

„Himmlische Hilfe“ gegen Kollisionen im Zugverkehr

Neues Anti-Kollisionssystem für Züge nutzt Prinzip aus der Luftfahrt

Testzug mit RCAS © DLR

Ein aus der Luftfahrt entlehntes Anti-Kollisions-System könnte das Zugfahren künftig noch sicherer machen. Beim so genannten RCAS (Railway Collision Avoidance System) tauschen Züge selbstständig Informationen zu Position, Geschwindigkeit und Kurs aus, das System ermittelt daraus die potenzielle Kollisionsgefahr. Droht ein Zusammenstoß, wird der Lokführer zu entsprechenden Vermeidungsmaßnahmen aufgefordert. Die ersten Testfahrten sind jetzt erfolgreich absolviert.

Züge gelten als sicheres Verkehrsmittel. Dennoch kommt es immer wieder zu Kollisionen. Nur eine frühzeitige und exakte Information kann Zusammenstöße verhindern. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben nun mit RCAS (Railway Collision Avoidance System) ein neuartiges System entwickelt, das Unfälle auf der Schiene vermeiden soll. Wie RCAS funktioniert, haben die Wissenschaftler am 11. Mai 2010 zum ersten Mal auf einer Teststrecke in der Nähe von Aachen demonstriert. „RCAS ist ein System zur Vermeidung von Zugkollisionen, das unabhängig von Sicherungstechnik entlang der Strecke funktioniert“, fasst Projektleiter Professor Thomas Strang vom DLR-Institut für Kommunikation und Navigation das Ziel des Projekts zusammen.

Zug-zu-Zug-Kommunikation auch ohne Infrastruktur

So nutzt das System modernste Kommunikations- und Sensortechnologien, die eine direkte Zug-zu-Zug-Kommunikation ermöglichen. Die Züge tauschen Informationen zu Position, Geschwindigkeit, geplanter Streckenführung und Lademaß aus, sobald sie in Funk-Reichweite sind. „Stellt das System einen drohenden Zusammenstoß fest, warnt es den Triebfahrzeugführer und unterstützt ihn mit Lösungsmöglichkeiten“, erklärt Professor Strang weiter. Er ist überzeugt, dass mithilfe von RCAS auch tragische Zusammenstöße wie der zweier belgischer Regionalzüge am 15. Februar 2010 in der Nähe von Brüssel hätte verhindert werden können.

Drei unterschiedliche Testszenarien bestanden

Während der Testfahrten tauschten Integral und RailDriVE in drei verschiedenen Szenarien Informationen aus: Bei der ersten Situation handelte es sich um eine Flankenfahrt, bei der zwei Fahrzeuge gleichzeitig auf eine eingleisige Strecke zufahren. Im zweiten Szenario fuhr der Zug auf eine Weiche zu, hinter der ein Gleis belegt, das andere frei sowie die Weichenstellung unklar war. Ein stehendes Fahrzeug in Weichennähe bedeutete in einem dritten Testlauf keine Gefahr, was das System ebenfalls erkannte.

Die Aufgabe des RCAS war es, die Situationen selbstständig festzustellen und zu bewerten. Ist die Situation kritisch, fordert das System den Triebfahrzeugführer zum Bremsen auf. Ist die Lage unkritisch, alarmiert das RCAS nicht und der Zug kann weiterfahren. Tatsächlich reagierte das Antikollisionssystetm in allen drei Testfällen korrekt.

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RCAS als Ergänzung zu bestehenden Leit- und Sicherungssystemen

„RCAS ist zunächst für Strecken und Situationen vorgesehen, in denen heute gar keine Sicherung eingesetzt wird, beispielsweise Strecken mit sehr geringem Verkehrsaufkommen, reine Industriebahnen, Baustellen oder Rangierbereiche“, skizziert Projektmitarbeiter und DLR-Schienenverkehrsforscher Michael Meyer zu Hörste die Einsatzmöglichkeiten. Er betonte, dass RCAS dabei keineswegs das einheitliche europäische Eisenbahnverkehrsleitsystem ETCS ersetzen solle: „RCAS ist ein typisches Ergänzungssystem: Zugleit- und Sicherungssysteme verhindern Zusammenstöße bereits erfolgreich. RCAS kann als sogenanntes ‚Safety-Overlay‘ die Sicherheit dort erhöhen, wo die herkömmliche Sicherungstechnik nicht zum Einsatz kommt.“ Der derzeitige Prototyp basiere auf handelsüblicher Hardware und Software, die in dieser Form keine Zulassung im sicherheitskritischen Betrieb haben oder erhalten werden.

Da RCAS nicht auf funktionale Elemente in der Verkehrsinfrastruktur zurückgreift, kann das System sehr kostengünstig als reine „On-Board-Unit“ für Züge ausgelegt und gebaut werden. „Der genaue Zeitpunkt einer Markteinführung und der Preis werden aber von den funktionalen und zeitlichen Anforderungen der zuerst anwendenden Betreiber abhängen. Als Funktionsmuster für eine Erprobung unter betrieblichen oder realitätsnahen Randbedingungen ist RCAS bereits heute verfügbar“, erläutert Projektleiter Prof. Thomas Strang den aktuellen Status Quo.

(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 12.05.2010 – NPO)

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