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Phänomene

Auf den Hund gekommen

Vom Mängelexemplar zum Klassenprimus

Die Wissenschaftsgemeinde nahm die Studien in Leipzig und Budapest zunächst eher zurückhaltend auf. „Für Hunde interessierte sich einfach kaum jemand. Man hielt sie für ungeeignet, weil sie in einer unnatürlichen Umgebung leben, und die Ergebnisse solcher Versuche deshalb nicht ihre wahre Natur widerspiegeln würden“, erklärt Bräuer, weshalb Hunde in den blinden Fleck der Forschung gerückt waren.

Zudem sei der Hund lange Zeit als „unvollständiger“ Wolf abgewertet worden, da er viele Fähigkeiten seiner in Freiheit lebenden Vorfahren nicht mehr besitzt. So sind etwa sein Geruchs- und Hörvermögen deutlich schlechter als die seiner sich selbst versorgenden wilden Verwandtschaft.

Auch Welpen können es schon - hier ein 9 Wochen alter golden Retriever © SXC

Angeboren oder erlernt?

Doch schon bei den ersten Verhaltensstudien in Leipzig überraschte der vermeintlich durch Domestizierung Degenerierte mit seinen kognitiven und sozialen Fähigkeiten und erwies sich bei vielen vergleichenden Studien als neuer Primus gegenüber den Primaten im Pongoland. Doch woher kann ein Hund das? Hat er durch das nahe Zusammenleben mit dem Menschen die Zeichen als „Fremdsprache“ schon im Welpenalter erlernt? Oder ist dieses Vermögen etwa angeboren?

Um das herauszufinden, führten die Doktorandin Julia Riedel und Kollegen den Objektwahltest mit jungen Hunden im Alter von sechs bis 16 Wochen durch. Um auszuschließen, dass die Welpen einfach bei dem Becher ihr Glück versuchten, der der Hand des Zeichengebers am nächsten stand – Hände sind für Hunde erfahrungsgemäß immer hochinteressant –, wurde als zusätzliche Bedingung für diesen Test eingeführt, dass sich die Welpen von der Hand wegbewegen mussten, um zu den Bechern zu kommen.

Schon Welpen verstehen Fingerzeige

„Welpen aller Altersstufen nutzten die Zeigegeste als Hinweis auf das Futterversteck gleich gut und wählten den richtigen Becher aus“, fasst Riedel das Resultat zusammen. Dieses Ergebnis sei ein Hinweis darauf, dass die Fähigkeit, kommunikativen Gesten des Menschen zu folgen, von Hunden nicht erlernt werden müsse, sondern angeboren sei. „Das wiederum lässt den Schluss zu, dass bei ihrer Entstehung die jahrtausendelange Domestikation eine entscheidende Rolle gespielt hat.“ Dafür spreche auch die Erfahrung aus Studien mit von Hand aufgezogenen Wölfen, die – obschon ebenfalls an den Menschen und seine Ausdrucksformen gewöhnt – keine Fingerzeige verstehen.

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Birgit Fenzel / MaxPlanckForschung
Stand: 30.07.2010

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Der Hund denkt mit
Tiere knacken ein vermeintlich menschliches Privileg

„Ich spüre, was du meinst“
Der Theory of Mind auf der Spur

Hunde als „Menschenversteher“?
Unerwartete Champions im Objektwahltest

Auf den Hund gekommen
Vom Mängelexemplar zum Klassenprimus

Wegschauen macht Diebe
Bravsein ist immer eine Frage des Blickwinkels

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