Anzeige
Klima

Die Invasoren kommen

Neue Chancen für Einwanderer

Pantoffelschnecke, Guave und eine Rippenqualle haben eines gemeinsam: Sie alle leben inzwischen auch in Regionen, die nicht ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet entsprechen. Anders gesagt. Sie sind „Invasoren“. Denn mit der rasanten Veränderung der Lebensbedingungen wandelt sich auch die Zusammensetzung der Ökosysteme: Wärmeliebende Tier- und Pflanzenarten können dank der milderen Winter und heißeren Sommer in zuvor für sie zu kalte Gebiete einwandern und sich dort ansiedeln. Arten der niedrigeren Höhenlagen dringen in die alpinen Gipfelregionen vor, Bewohner von Mittelmeer und dem südlicheren Atlantik finden sich in Nord- und Ostsee ein.

Für die in diesen Gebieten „alteingesessenen“ Arten sind die Neuankömmlinge eine harte Konkurrenz, der sie wenig entgegenzusetzen haben, vor allem dann, wenn die Neuankömmlinge auch noch mit Eigenschaften wie einer enormen Anpassungsfähigkeit und hohen Vermehrungsrate ausgerüstet sind. Da ihnen im neuen Lebensraum meist auch natürliche Feinde fehlen, können sich die „Exoten“ explosionsartig ausbreiten. Viele einheimische Arten werden dadurch verdrängt oder könnten sogar aussterben. Deshalb gelten die so genannten „biologischen Invasoren“ mittlerweile als weltweit zweitgrößte Bedrohung der biologischen Vielfalt – nach der Zerstörung des Lebensraums durch den Menschen.

Guave statt Eisenholzbaum

In den Bergregenwäldern Hawaiis, einer sehr artenreichen Lebensgemeinschaft, hat die Kombination von extremen Wetterwechseln und Invasoren beispielsweise schon dazu geführt, dass die einheimischen Eisenholzbäume immer weiter zurückgedrängt werden. Wie ein Team deutscher und amerikanischer Forscher feststellte, verkrafteten die Eisenholzbäume den wiederholten Wechsel zwischen extremen Regenfällen und starker Sonneneinstrahlung nicht, ganze Abschnitte des Regenwalds starben ab.

Dies nutzen eingewanderte Arten wie die als Plantagenbaum nach Hawaii gekommene Guave aus. Sie verbreiteten sich so schnell in den kranken Wäldern, dass die normalerweise dominanten Eisenholzbäume nicht mehr nachwachsen konnten. Damit sind die Invasoren zusammen mit den durch den Klimawandel veränderten Wetterverhältnissen längst dabei die Struktur und Dynamik des Bergregenwaldes langfristig zu verändern. Nach Ansicht der Forscher wird sich dieser Trend in Zukunft noch verstärken.

Rippenqualle frisst Fische weg

In der Ostsee entdeckten Wissenschaftler im Oktober 2006 erstmals Exemplare der eingewanderten Rippenqualle Mnemiopsis leidyi, die zuvor vor allem aus wärmeren Meeren wie dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer bekannt war. Die sich schnell ausbreitende Qualle ernährt sich unter anderem von Fischlarven und soll dadurch die Fischerträge im Schwarzen Meer innerhalb weniger Jahre auf ein Zehntel reduziert haben. Die Forscher des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften IFM-GEOMAR, die die Rippenqualle entdeckten, befürchten nun eine Gefahr für Fischbestände der Ostsee, sollte sich Mnemiopsis weiter vermehren. Schon Ende 2006 hatte ihre Dichte dank der milden Wassertemperaturen ein Drittel der Maximaldichte im Schwarzen Meer erreicht. Auch eine Ausbreitung in die Nordsee sei zu befürchten, so die Wissenschaftler.

Anzeige

Kabeljau: Flucht nach Norden

In der Nordsee, das zeigt eine über zwölf Jahre laufende Langzeitstudie der Bundesforschungsanstalt für Fischerei, hat sich die Artenzusammensetzung ebenfalls bereits verschoben. Vor allem in den flacheren südlichen und südöstlichen Meeresteilen finden sich vermehrt Bodenfischarten aus wärmeren Gewässern, die sich vor allem dank der milderen Winter halten können. War zum Beispiel der Rote Knurrhahn zu Beginn der Untersuchungen extrem selten, so ist er jetzt regelmäßig in den Fängen vertreten.

Andere Fischarten dagegen, darunter der für die Fischerei so wichtige Kabeljau, flüchten vor der Wärme und weichen immer weiter nach Norden aus. Auch Miesmuscheln leiden unter der Erwärmung: Ihre Dichte hat deshalb in den letzten zehn Jahren in der Nordsee stetig abgenommen. Untersuchungen zeigen, dass die milden Winter offenbar die Jungmuscheln vom Ansiedeln abhalten. Zudem wächst der Druck durch eingewanderte Arten wie die pazifische Auster und die Pantoffelschnecke.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. 9
  20. |
  21. weiter

Nadja Podbregar
Stand: 14.11.2008

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Das große Sterben
Wie reagiert die Natur auf den Klimawandel?

Der Druck wächst
Klimawandel als zusätzlicher Belastungsfaktor für die Artenvielfalt

Beispiel Eisbär: Eis macht nicht satt
Symboltier vor dem Aus?

Beispiel Vögel: Wer zu spät kommt, verliert
Futtermangel und Brutplatzverlust

Die Invasoren kommen
Neue Chancen für Einwanderer

Beispiel Pflanzen: gut und schlecht zugleich
CO2 als Düngemittel

Wandel als Bedrohung
Jede fünfte Pflanzenart Europas gefährdet

Rezepte gegen das Aussterben
Was zeichnet Verlierer oder Gewinner aus?

Umsiedeln als letzte Rettung?
Neue Artenschutz-Strategie angesichts des Klimawandels

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Klimawandel: Todeszonen im Ozean werden größer
Neue Modellstudie prognostiziert drastischen Sauerstoffschwund

Norddeutschland: Klimawandel macht Herbst grüner
Temperaturen steigen um zwei bis 4,5° Celsius

Klimawandel: Wasserknappheit in den Alpen?
Die ungleiche Verteilung der Wasserressourcen kann sich in Zukunft verschärfen

Extremwetter bringen Pflanzen-Timing durcheinander
Dürre oder Starkregen verschieben Blütezeitpunkt so stark wie ein Jahrzehnt Klimaerwärmung

Seen reagieren unterschiedlich auf Klimawandel
Untersuchungen an tiefen japanischen Kraterseen liefern wichtige Erkenntnisse

Klimawandel treibt Arten den Berg hinauf
Neue Erkenntnisse über Auswirkungen der Erwärmung in den Tropen

Menschheit lebt ab jetzt auf Pump
Greenpeace: Morgen natürliche Ressourcen für 2008 weltweit aufgebraucht

Dossiers zum Thema