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Sonnensystem

Titan: Das Geheimnis des „elektrischen Sandes“

Dünen-Körnchen auf dem Saturnmond sind elektrostatisch geladen

Die Dünenfelder des Saturnmonds Titan sind in dieser Aufnahme als dunklere Bereiche in der Bildmitte zu erkennen. © NASA/JPL

„Klebrig“ wie Styropor-Pellets: Eine ungewöhnlich starke und langanhaltende Aufladung könnte erklären, warum die Dünen auf dem Titan so unbeweglich sind. Denn wie ein Experiment belegt, lädt sich der Kohlenwasserstoff-Sand des Saturnmonds bei Reibung elektrostatisch auf. Dadurch kleben die Körnchen hartnäckig aneinander und an jeder Oberfläche. Nur die stärksten Stürme können diese Gebilde dann noch bewegen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.

Der Titan ist in vieler Hinsicht erstaunlich erdähnlich: Er besitzt Seen, Canyons, Gebirge, Vulkane und sogar Dünen. Statt Wasser und Sand prägen allerdings eisige Temperaturen und verschiedene Kohlenwasserstoffe seine Umwelt. Sie sorgen unter anderem dafür, dass die Dünen auf dem Saturnmond in die „falsche“ Richtung zeigen: nicht in Richtung der vorherrschenden Ostwinde, sondern genau entgegengesetzt.

Schon vor einigen Jahren fanden Planetenforscher heraus, dass die seltsame Ausrichtung der Dünen mit ihrer Unbeweglichkeit zusammenhängt: Nur die stärksten Winde sind imstande, die hundert Kilometer langen Dünenreihen zu verformen, weil der „Sand“ zu fest zusammenklebt. Bisher vermutete man, dass die aus Naphtalin und Biphenylen bestehenden Körnchen einfach zusammengefroren sind.

Ladung statt Frost?

Doch es könnte noch eine andere Erklärung für die seltsame Haftkraft der Dünenkörnchen geben, wie Josh Méndez Harper vom Georgia Institute of Technology und seine Kollegen herausgefunden haben. Denn wenn heftige Winde die Körnchen verwehen und diese aneinander reiben, laden sie sich elektrisch auf. Das jedoch macht sie ähnlich „klebrig“ wie die statisch aufgeladenen Styropor-Pellets in vielen Verpackungen.

Die Aufladung hält die KÖrnchen auf dem Titan viel stärker zusammen als Sandkörner auf der Erde © Georgia Tech

Ein Indiz für die Aufladung der Dünenkörnchen brachte ein Experiment. Dafür füllten die Forscher Naphtalin und Biphenyl in einen Zylinder und ließen die Körnchen 20 Minuten lang in einer Stickstoffatmosphäre rotieren. Dies simulierte das Durcheinanderwirbeln der Körnchen bei sehr starken Windstößen auf dem Titan. Anschließend maßen die Wissenschaftler, ob und wie stark sich die Teilchen dadurch elektrostatisch aufgeladen hatten.

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Wochenlang aufgeladen

Das Ergebnis: „Alle Partikel waren geladen und zwei bis fünf Prozent blieben dadurch im Innern des Zylinders kleben“, berichtet Harper. „Sie klebten sowohl aneinander als auch an der Innenwand des Behälters.“ Die elektrostatische Aufladung dieser Körnchen war eine Größenordnung höher als bei irdischem Sand unter ähnlichen Bedingungen.

Das Besondere daran: Während Silikatsand auf der Erde seine elektrostatische Ladung sehr schnell wieder verliert, bleibt die Ladung in der kalten, und trocken Atmosphäre des Titan über Tage, Wochen und sogar Monate hinweg erhalten. „Wenn man aus dem Dünenmaterial auf dem Titan eine Sandburg bauen würde, dann würde diese wochenlang halten – ganz ohne Wasser als Bindemittel“, erklärt Harpers Kollege Josef Dufek.

Radaraufnahme der Dünenreihen auf dem Titan (unten) und oben zum Vergleich Dünenreihen auf der Erde. Trotz großer Ähnlichkeiten verhalten sisch die Körnchen anders. © NASA/JPL

„Seltsame, elektrostatisch klebrige Welt“

Nach Ansicht der Forscher könnte dies erklären, warum die Dünen auf dem Saturnmond nur durch die seltenen, aber starken Westwinde bewegt werden, nicht aber durch die vorherrschenden, schwächeren Ostwinde: „Die elektrostatischen Anziehungskräfte machen die Körnchen so klebrig und zusammenhaltend, dass nur sehr starke Winde sie bewegen können“, erklärt Harper. „Die vorherrschenden Ostwinde sind dazu einfach nicht stark genug.“

Für eine Raumsonde, die in einem Dünengebiet des Titan landen würde, hätte der „elektrische Sand“ ebenfalls Konsequenzen: Das statisch aufgeladene Material würde wahrscheinlich an allen Oberflächen kleben, ähnlich wie die Styropor-Pellets einer Verpackung an unseren Händen. „Titan ist wirklich eine seltsame, elektrostatisch klebrige Welt“, sagt Dufek. (Nature Geoscience, 2017; doi: 10.1038/ngeo2921)

(Georgia Institute of Technology, 29.03.2017 – NPO)

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