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Technik

Skurril: Papagei mit Laser-Schutzbrille

Experiment mit gefiedertem Probanden offenbart Fehler in Flugmodellen

Es kann losgehen: Obi im Versuchsdress für die Fluganalyse. © Eric Gutierrez

Fluganalyse der besonderen Art: Dank eines cleveren Experiments haben Wissenschaftler neue Einblicke in die komplexe Aerodynamik des Vogelflugs erhalten. Möglich wurde dies durch einen putzigen Probanden: Ausgestattet mit einer Mini-Schutzbrille stellte sich der Sperlingspapagei Obi in den Dienst der Forschung und flatterte durch Aerosole im Laserlicht. Dabei zeigte sich: Bisherige Modelle über das Fliegen sind sehr ungenau.

Vögel sind perfekte Flugmaschinen. Ob Kolibri oder Adler – sie alle bevölkern seit Millionen von Jahren den Himmel und sind die unangefochtenen Herrscher der Lüfte. Jeder Teil ihres Körpers hat sich im Laufe der Evolution optimal an das Fliegen angepasst. Kein Wunder also, dass sie dem Menschen seit jeher als Vorbild für seine Flugkonstruktionen dienen. Längst hat er sich abgeschaut, wie die Tiere mit minimalem Widerstand durch die Luft gleiten und ihren Auftrieb erzeugen – oder doch nicht?

Ein Experiment der besonders putzigen Art offenbart nun, dass es trotz allen Wissens über die gefiederten Flugkünstler noch immer neue Details zu entdecken gibt. Forscher um David Lentink von der Stanford University haben mithilfe moderner Laser-Technik die aerodynamischen Prozesse beim Vogelflug so genau unter die Lupe genommen wie nie zuvor – mithilfe des kleinen Sperlingspapageis Obi, dem dafür extra eine winzige Schutzbrille angefertigt werden musste.

Eine Schutzbrille für Obi

Normalerweise nutzen Wissenschaftler die Laser-Methode, um technische Geräte beim Fliegen zu beobachten. Dabei bewegt sich ein Flugobjekt durch eine von Laserlicht durchflutete Luftmasse, in der winzige Aerosol-Partikel schweben. In dem scharfen Licht sind die Bewegungen dieser Teilchen exakt erfassbar. Sie machen sichtbar, welche Muster der Luftverwirbelung beim Flug entstehen. Vögel für die Forschung durch das Laserlicht fliegen zu lassen, war dagegen bisher undenkbar. Wie sollte man schließlich die empfindlichen Augen der Tiere schützen?

Doch von diesem vermeintlichen Hindernis ließen sich Lentink und seine Kollegen nicht irritieren: Sie konzipierten kurzerhand eine Schutzbrille für Vögel. Sie besteht aus dem gleichen Material wie das Pendant für Menschen, die Gläser sind aber extra klein und wurden mithilfe von 3D-Druck Verfahren perfekt auf Vogelaugen abgestimmt. Für sicheren Halt sorgen schmale Riemchen, die die Brille am Kopf des Tieres befestigen.

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Mit Mini-Schutzbrille flattert Sperlingspapagei Obi durchs Analyse-Aerosol im Laser-Licht.© Stanford University

Fluganalyse bringt Überraschung

Der gefiederte Proband Obi gewöhnte sich schnell an dieses seltsame Accessoire und war bald dazu bereit, auf Kommando von Stange zu Stange durch die Aerosol-geschwängerte Luft im Laserraum zu fliegen. „Das Ziel war dabei, bisher übliche Modelle aus der Literatur zu überprüfen, die beschreiben, wie viel Auftrieb ein Vogel erzeugt“, erklärt Lentinks Kollegin Diana Chin.

Die Analyse von Obis fleißiger Flatterei brachte eine Überraschung: „Wir fanden heraus, dass alle drei Modelle, die wir ausprobierten, sehr ungenau sind. Denn sie basieren auf Annahmen, die nicht unbedingt zutreffen“, sagt Chin. Anders als bisher gedacht, folgen etwa die Luftverwirbelungen, die ein Vogel hinter sich verursacht, keinem kontinuierlich gleichbleibendem Muster wie die Kondensstreifen eines Flugzeugs. Stattdessen sind sie viel komplexer.

Neue Modelle nötig

Den Forschern zufolge können die bisherigen Modelle deshalb den tatsächlichen Auftrieb, den ein Sperlingspapagei oder ein anderer Vogel erzeugt, nicht korrekt wiedergeben. „Wissenschaftler orientieren sich oft an Informationen zum tierischen Flugverhalten aus der Literatur, um Roboter-Flügel zu verbessern“, sagt Lentink. „Doch wir zeigen nun, dass diese Angaben weniger verlässlich sind als wir gehofft hatten.“

„Wir brauchen neue Studien und neue Methoden, die den Designprozess künftig wirklich sinnvoll unterstützen“, fordert er. Vielleicht gelingt das ja auch mithilfe von Obi und seinen Kollegen. Bewährt hat sich seine Arbeit schließlich schon einmal – und auch die Forscher glauben: Die neu erprobte Fluganalyse könnte sich auch in Zukunft als hilfreich erweisen. (Bioinformatics and Biomimetics, 2016)

(Stanford University, 06.12.2016 – DAL)

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