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Technik

„Beamen“ statt Flugmeilen sammeln?

Forscher entwickeln Roboter-Avatar, der die Anwesenheit eines Gesprächspartners simulieren soll

Demnächst zum Meeting beamen? © Shutterstock

Mit Hilfe einer Kombination aus Robotik, Videotechnik sowie Sensor- und Anzeigetechnik wollen uns europäische Wissenschaftler nun virtuell auf die andere Seite des Globus „beamen“. Zwar ist keine Teleportation im Spiel, doch sollen auch dem „reisenden“ Gesprächspartner haptische, sowie audiovisuelle Reize, wie etwa ein Händedruck vermittelt werden können. Dazu wurden im mit insgesamt 9,2 EU-Millionen geförderten „Beaming-Projekt“ Techniken der virtuellen Realität mit Roboter-Technologie verknüpft.

Für die meisten multinationalen Unternehmen sind Telefon- und Videokonferenzen und der Austausch über das Internet zur Selbstverständlichkeit geworden. Dennoch können sie ein persönliches Treffen nicht ersetzen. „Treffen wir Menschen von Angesicht zu Angesicht, so können wir subtile Hinweise aufnehmen – den Gesichtsausdruck, Eigenarten, wer wen anschaut“, erklärt Stephen Dunne, Projektleiter und Mitarbeiter vom Unternehmen Starlab in Spanien. „Es gibt dermaßen viel nonverbale Kommunikation, die man auch bei Videokonferenzführung allerhöchster Qualität ganz einfach vermisst. Man kann sich beispielsweise nicht die Hände schütteln oder beschließen, sich im Raum umzuschauen.“

Über Sensoren mit dem eigenen Avatar verknüpft

Bei der neuen Technik wird man als „Reisender“ mit mehreren Sensoren ausgestattet und trägt einen sogenannten Datenhelm, eine am Kopf befestigte Anzeigeeinheit (Head-Mounted Display). Über diesen Helm kann man durch die Kamera-Augen und Mikrofon-Ohren des Roboters sehen und hören, was der Roboter tausende Kilometer entfernt „wahrnimmt“. Auf diese Eindrücke kann dann entsprechend reagiert werden. Wird etwa der Kopf bewegt, so bewegt auch der Roboter den Kopf. Möchte man antworten, so tut dies der Roboter für einen und Bewegungssensoren an den Armen sollen sogar Gestik imitieren. Auch umgekehrt soll der Reisende etwa einen Händedruck über haptische Sensoren tatsächlich zu spüren bekommen.

„Wir konnten hier real vorführen, was bereits mit den uns heute zur Verfügung stehenden Technologien möglich ist“, erläutert Dunne. „Wir haben einfach standardgemäße Produkte genommen und sie auf diese ungewöhnliche Weise kombiniert. Deshalb ist es auch kein Durchbruch in der technischen Entwicklung, aber es ist ganz sicher ein Durchbruch in der Demonstration der gewaltigen Möglichkeiten, mit denen man über vernetzte Medien die erstaunlichsten Dinge erreichen kann. „

Eine der schwierigsten Aufgaben für die Beaming-Partner war die Entwicklung einer rahmengebenden Datenarchitektur für das System. Es definiert, wie sämtliche Audiovisuelle-, Bewegungs- und mechanische Daten gebündelt und zwischen dem Reisenden und dessen Remote-Umgebung übertragen werden.

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Emotionen zeigen

Zwar ist der Reisende durch sein Sensorpaket gut mit Reizen versorgt und sein Avatar ist so gestaltet sein Möglichstes zu tun, die Interaktion naturnah abzubilden, doch wie sieht das von der anderen Seite aus? Wie unterhält es sich mit einem Avatar-Roboter? Um diese Kommunikation möglichst lebensecht zu gestalten, versuchte das Team unter anderem, dem Roboter einen ausdrucksstärkeren Kopf zu geben. Die mechanischen Augen und den Mund des Roboters ersetzten die Wissenschaftler durch eine LCD-Anzeige.

„Wir verwendeten Grafiken für Augen und Mund; das sieht viel natürlicher aus. Die Leute scheinen entspannter zu sein, wenn sie einem Roboter in die Augen schauen können und die Augen echt aussehen. Es ist dann wohl einfacher, zu vergessen, dass sie es eigentlich mit einer Maschine zu tun haben!“ sagt Dunne. Aber damit nicht genug, Herzfrequenz, Mimik und sogar Hirnströme des Reisenden sollen zukünftig Hinweise auf seinen emotionalen und physiologischen Zustand geben. Die Forscher wollen im nächsten Schritt ermitteln, auf welche Weise der Avatar diese Signale allen anderen mitteilen könnte.

Kann der Avatar das Reisen ersetzen?

„Wir behaupten nicht, dass ‚Beaming‘ nun die Meetings revolutionieren oder der Welt Millionen Tonnen Kohlendioxid ersparen wird, da die Menschen überhaupt nicht mehr reisen müssen“, bekräftigt Dunne, „aber wir sind durchaus der Meinung, dass diese Idee des ‚Beamens‘ von Personen an Orte, wo sie sich vermittelt durch einen Roboter bewegen und interagieren können, zunächst für einige sehr spezielle Anwendungen tatsächlich funktionieren könnte.“ Denkbar sei die Anwendung der Technologie etwa für die Vermittlung von Spezialwissen, etwa eines Chirurgen. So könnte nicht nur Wissen weitergegeben, sondern vielleicht sogar Operationen über die Welt hinweg durchgeführt werden, so die Vision des Projektleiters.

Nun muss zunächst die technische Entwicklung fortgeführt und mögliche Anwendungen entwickelt werden um eine wirtschaftliche Nutzung zu ermöglichen.

Interview zwischen einem Projektwissenschaftler in Spanien und einen Journalisten der BBC

(European Commission, CORDIS, 05.11.2012 – KBE)

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