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Physik

Wellenleiter ist „dünner als das Licht“

2D-Wellenleiter lenkt Licht verschiedenster Wellenlängen an der Oberfläche statt innen

Lichtstrahlen
Wellenleiter für optische Signale bilden die Basis vieler moderner Technologien. Entsprechend wichtig ist es, sie zu optimieren. © Photoraidz/ Getty images

Manipuliertes Licht: Physiker haben einen neuartigen zweidimensionalen Lichtleiter entwickelt – er ist dünner als der Photonenstrahl, den er manipuliert. Möglich wird dies durch eine nur drei Atome dünne Schicht aus kristallinem Molybdän-Disulfid, die das Licht an ihrer Oberfläche „festhält“ und ungerichtetes Abstrahlen verhindert. Dadurch werden Photonen leichter steuerbar und trotzdem effizient weitergeleitet. Solche zweidimensionalen Lichtleiter könnten photonische Chips und die optische Datenübertragung verbessern, wie das Team in „Science“ erklärt.

Ob Glasfaserkabel, photonische Chips oder quantenphysikalische Experimente: Die gezielte Leitung und Manipulation von Photonen ist für die moderne Technik nahezu unverzichtbar. Möglich wird dies durch kristalline Materialien, die als Wellenleiter fungieren. Winzige Kanälchen in gewünschter Form und Verzweigung lenken dann die Photonen möglichst verlustfrei durch das Innere des Kristalls. Erreicht wird dies meist durch Unterschiede in der Lichtbrechung, die die Photonen am „Ausbrechen“ hindern.

WEllenleiter
In der Mitte dieses transparenten Polymerblocks liegt der hauchdünne Wellenleiter aus Molybdän-Disulfid. © Jean Lachat/ University of Chicago

Licht ragt oben heraus

Doch es geht auch anders: Myungjae Lee von der University of Chicago und seine Kollegen haben einen Lichtleiter entwickelt, der das Licht nicht in seinem Inneren leitet, sondern an der Oberfläche: Das Material ist so dünn, dass das optische Feld über die Oberfläche hinausragt. „Durch extrem geringe Dicke des Materials kommt ein lichtleitender Mechanismus zum Tragen, der die Ausbreitung der Lichtwellen innerhalb der Ebene erlaubt, ihr aber das Abstrahlen aus der Ebene hinaus verwehrt“, erklärt das Team. Physiker bezeichnen solche Lichtleiter auch als Delta-Wellenleiter.

Möglich wird dies durch eine nur rund 0,6 Nanometer dünne Schicht aus Molybdän-Disulfid (MoS2), was etwa der Dicke von drei Atomen entspricht. Die Forscher erzeugten dieses hauchdünne Kristallscheibchen mittels Vakuum-Dampfabscheidung und schlossen es zum Schutz vor Schäden in einen Block des siliziumhaltigen Polymers Polydimethylsiloxan (PDMS) ein. Dieses hatte aber keine optische Funktion und diente nur als Schutz.

Geringe Verluste und gute Reichweite

Um die Wellenleiter-Eigenschaften des Kristallscheibchens zu testen, bestrahlten Lee und seine Kollegen dann ein Ende des quasi zweidimensionalen Wellenleiters mit einem Laserstrahl von Wellenlängen zwischen 500 und 990 Nanometern. Mithilfe von Dunkelfeldmikroskopen folgten sie dabei dem Weg des Lichts durch den Kristall. Dadurch konnten sie feststellen, ob und wie viel Licht am anderen Ende ankommt und wie effizient die Lichtleitung ist.

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Das Ergebnis: „Wir waren völlig überrascht, wie leistungsstark dieser superdünne Kristall ist“, sagt Seniorautor Jiwoong Park von der University of Chicago. „Der Wellenleiter hält nicht nur die Energie des Lichtstrahls, sondern hat auch eine tausendmal höhere Reichweite als in vergleichbaren Systemen zuvor gemessen.“ Den Tests zufolge liegt der Verlust der Signalstärke beim Molybdän-Disulfid-Wellenleiter über einen große Lichtbandbreite hinweg bei nur rund 0,5 Dezibel pro Millimeter und die Kopplungs-Effizienz bei 30 Prozent, wie die Physiker berichten.

Leichter manipulierbar

Noch wichtiger jedoch: Weil der Wellenleiter so dünn ist, ragt der größte Teil des Lichtstrahls über ihn hinaus. „Der leitende Modus in einem solchen Wellenleiter ist im Prinzip eine evaneszente Welle, deren optische Felder zu 98 Prozent außerhalb des Wellenleiters liegen“, erklären Lee und sein Team. Zur Veranschaulichung vergleichen sie dies mit dem Gepäcktransport auf einem Flughafen: Herkömmliche dreidimensionale Wellenleiter ähneln Tunneln, durch die die Koffer zur Gepäckausgabe gelangen.

Der zweidimensionale Wellenleiter ähnelt dagegen den offenen Gepäckbändern – und bietet auch ähnliche Vorteile, wie die Physiker erklären. Zum einen kann man den Weg des Lichtstrahls leichter verfolgen und beeinflussen. So ist es beispielsweise sehr viel einfacher, das Licht durch Strahlteiler, optische Gitter oder Linsen zu manipulieren: Man muss diese Elemente nicht aufwändig ins Innere eines Kristalls bringen, sondern setzt sie einfach beiderseits auf die dünne Kristallschicht auf.

Prädestiniert für optische Sensoren

In ihren Experimenten testeten Lee und sein Team dies, indem sie den Laserstrahl im Wellenleiter mit solchen aufgesetzten Elementen teilten, ihn durch konkave oder konvexe Linsen fokussierten und streuten oder ihn durch ein optisches Gitter leiteten – mit Erfolg.

Ein weiterer Vorteil: Weil das Licht an der Oberfläche des Wellenleiters läuft, kann es auf die Umwelt reagieren – ähnlich wie ein Koffer, der beim Transport auf dem offenen Gepäckband im Regen nass wird. Das ermöglicht eine Anwendung als optischer Sensor: „Wenn man beispielsweise eine Flüssigkeitsprobe hat und man möchte feststellen, ob ein bestimmtes Molekül präsent ist, kann man das Licht mit diesem Wellenleiter direkt durch die Probe leiten“, erklärt Park. „Die Präsenz des Moleküls verändert dann das Verhalten dieser Lichtwelle.“

Nur ein Wellenleiter für eine breite Palette des Lichts

In vieler Hinsicht ähnelt der zweidimensionale Wellenleiter damit einem frei durch die Luft gelenkten Laserstrahl. „Die breitbandige, hohe Leistung und geringe Streuung solcher Delta-Wellenleiter macht sie zu einer einzigartigen Plattform“, schreiben die Forscher. Denn solche atomdünnen Wellenleiter erlauben eine effiziente Übertragung und Manipulation optischer Signale, ohne dass für jede Wellenlänge und Anwendung ein neues Material mit angepasstem Brechungsindex gefunden werden muss.

„Dadurch können beispielsweise Lichtwellen mit sehr verschiedenen Wellenlängen von Infrarot bis Ultraviolett durch nur einen einzigen Delta-Wellenleiter gelenkt werden – das ermöglicht photonische Architekturen, die mehrere Oktaven des Lichts umfassen“, erklären Lee und seine Kollegen. Sie wollen nun auch noch andere kristalline Verbindungen auf ihre Eignung für solche optischen Bauteile testen. (Science, 2023; doi: 10.1126/science.adi2322)

Quelle: University of Chicago

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