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Materialforschung

Porzellan: Geheimnis von Böttgers Glasur gelüftet

Spezielle Nanogold-Anordnung verlieh Meißener Purpurglasur ihren irisierenden Glanz

Teekanne
Die purpurfarbene Glasur auf dieser Meißener Porzellan-Teekanne aus dem frühen 18. Jahrhundert zeigt einen damals einzigartigen Glanz. © Celia Chari, The Art Institute of Chicago

Geheimnisvoller Glanz: Der Alchemist Johann Friedrich Böttger schuf nicht nur das erste europäische Porzellan, er entwickelte auch eine einzigartig schimmernde Glasur, den Böttger-Glanz. Was hinter dem metallischen Irisieren dieser purpurfarbenen Glasur steckt, haben nun Physiker aufgeklärt. Demnach sorgte eine spezielle Anordnung von verschieden großen Gold-Nanopartikeln für den damals einzigartigen Glanz.

Die Geschichte des europäischen Porzellans beginnt um 1700 mit Johann Friedrich Böttger, einem Alchemisten am Hof des Kurfürsts August von Sachsen. Eigentlich damit beauftragt, Blei zu Gold zu machen, entdeckte Böttger das Rezept für die Herstellung des „weißen Golds“ und legte gemeinsam mit Ehrenfried Walther von Tschirnhaus den Grundstein für die 1710 gegründete Meißener Porzellan-Manufaktur.

Purpur mit irisierendem Glanz

Das frühe Meißener Porzellan war jedoch auch für eine ganz spezielle, damals einzigartige Glasur berühmt. Die von Böttger entwickelte Purpur-Glasur zeigte einen irisierenden Schimmer, der sie von allen anderen zeitgenössischen Glasuren in diesem Farbbereich unterschied. Zwar legen historische Rezepturen nahe, dass die purpurroten Farbtöne von Goldpartikeln in der Glasur hervorgerufen wurden. Warum aber nur Böttgers Glasur das metallische Irisieren zeigt, blieb unklar.

Dieses Geheimnis haben nun Celia Chari vom California Institute of Technology und ihre Kollegen gelüftet. Für ihre Studie hatten sie winzige Proben von Böttgers glänzender Purpurglasur von einer Meißener Teekanne aus dem frühen 18. Jahrhundert entnommen und mithilfe eines Elektronenmikroskops und Spektrometern analysiert. Zum Vergleich untersuchten sie Glasurproben der nichtglänzenden Cassius-Purpurglasur von einer Teetasse aus der gleichen Zeit.

Glasur
Schichtaufbau der Böttger-Glasur. © Chari et al. /PNAS, CC-by-nc-nd 4.0

Gold-Nanopartikel als Farbgeber

Die Analysen enthüllten: Beide Glasuren sind mehrschichtig aufgebaut und enthalten wie vermutet Gold-Nanopartikel. Beim Böttger-Purpur bilden diese winzigen Goldkörnchen eine nur 0,3 bis 0,8 Mikrometer dünne Glanzschicht an der Oberfläche der Blei-Silikatglasur. Die nicht irisierende Cassius-Purpurglasur beinhaltet zusätzlich Zinn. Bei beiden Glasuren sitzt die goldhaltige Farbglasur auf einer farblosen, bei höheren Temperaturen gebrannten Grundglasur, wie das Team berichtet.

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Und noch eine Gemeinsamkeit hatten beide Glasuren: Ihre Gold-Nanopartikel sind so angeordnet, dass sie das Licht auf eine spezielle Weise streuen. „Diese Mie-Streuung beruht auf einem geometrischen Effekt, der bei Nanopartikeln oberhalb von 15 Nanometern Größe einen purpurfarbenen Farbton erzeugt“, erklären Chari und ihre Kollegen. Beide Glasuren verdanken ihre purpurnen Töne demnach dem Nanogold.

Das Besondere sind die Größen und Abstände

Doch warum irisiert die Böttger-Glasur, die anderen Purpurglasuren aber nicht? Eine Antwort auf diese Frage lieferte eine Größenanalyse der Goldpartikel in den Glasurproben und ein Experiment, bei dem die Forschenden die Glasuren nach historischen Rezepturen reproduzierten. Es zeigte sich: „Wenn man die Böttger-Glasur aus goldhaltigen Salzen herstellt, entsteht eine breite Spanne unterschiedlich großer Gold-Nanopartikel“, berichtet das Team.

Diese verschieden großen Goldpartikel ordnen sich in nahezu regelmäßigen Abständen von rund 100 Nanometern in der Glanzschicht der Glasur an. Nach Angaben der Forschenden ist genau diese Kombination aus unterschiedlich großen, aber regelmäßig angeordneten Partikeln der Schlüssel zu zum irisierenden Schimmer von Böttgers Glasur: „Es kommt zu einer Lichtbrecheng im sichtbaren Spektrum ähnlich wie bei einem Diffraktionsgitter“, erklären Chari und ihre Kollegen.

Wie bei den Nanostrukturen mancher Käferpanzer oder Schmetterlingsschuppen erzeugt diese Lichtbrechung einen irisierenden Metallglanz. Beim nichtglänzenden Cassius-Purpur hingegen sind die Goldpartikel zu klein und nicht regelmäßig genug angeordnet, um diesen Brechungseffekt hervorzurufen.

Mit modernen Methoden reproduzierbar

Damit ist es Chari und ihrem Team gelungen, das Geheimnis des Böttger-Purpurs zu lüften – und daraus sogar wertvolle Hinweise für moderne Glasuren abzuleiten. „Die Böttger-Glasur schaffte es, sowohl den Metallglanz wie auch das richtungsabhängige Irisieren durch nur eine einzige Schicht von Nanopartikeln zu erzeugen“, erklären sie. „Viele Silber- und Kupfer basierte Glasuren benötigen dafür hingegen mehrere Nanopartikelschichten, die durch glasige Bereiche getrennt sind.“

Die Experimente zum Nachbauen der historischen Rezepturen ergaben zudem, dass sich die Purpur-Glasuren des Böttger-Typs auch ohne zu viel Hantieren mit giftigem Blei im Rahmen moderner Chemikalienstandards reproduzieren lassen, indem man Goldchlorid als Goldquelle nutzt. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2022; doi: 10.1073/pnas.2120753119)

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences

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