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Medizin

Krebszellen in Muskelzellen umgewandelt

Blockade eines Proteins lässt Rhabdomyosarkom-Zellen zu Muskelzellen ausdifferenzieren

Muskelzellen
Diese völlig normal aussehenden Muskelzellen waren früher Krebszellen. Die Blockade eines Proteins hat die ehemaligen Rhabdomyosarkom-Zellen wieder zu normalen Muskelzellen werden lassen. © Vakoc lab/ Cold Spring Harbor Laboratory

Krebstherapie mal anders: Forschenden ist es erstmals gelungen, Zellen eines bei Kindern häufigen Weichteilkrebses in normale Muskelzellen umzuwandeln. Dafür hemmten sie in Zellkulturen ein Protein namens NF-Y, das eine zentrale Rolle für die Entartung unreifer Muskelvorläuferzellen spielt. Durch diese Proteinblockade reifen die Rhabdomyosarkom-Zellen zu Muskelzellen aus und verlieren ihre Krebsmerkmale, wie das Team berichtet. Dies könnte neue Ansätze zur Therapie dieses Muskelkrebses und möglicherweise auch anderer Sarkome eröffnen.

Das aus entarteten Muskelvorläuferzellen entstehende Rhabdomyosarkom ist der häufigste Weichteil-Krebs bei Kindern und manchmal schwer zu behandeln. Ausgangspunkt dieser Krebsart sind Myoblasten, embryonale Vorläuferzellen der Muskelfasern. Beim Rhabdomyosarkom reifen diese Vorläuferzellen nicht zu den spindelförmigen Muskelzellen heran, sondern entarten und vermehren sich im unreifen Zustand aggressiv.

Einer der häufigsten Auslöser für diese Entartung ist eine fehlerhafte Verschmelzung zweier normalerweise getrennter Krebsgene. Dieser fusionierte Genkomplex erzeugt das Onkoprotein PAX3-FOXO1, das die normale Differenzierung der Muskelvorläuferzellen stoppt und sie stattdessen in Rhabdomyosarkom-Zellen umwandelt. Wie PAX3-FOXO1 dies bewerkstelligt und welche Gene noch an der Entartung der Myoblasten beteiligt sind, ist bisher jedoch erst in Teilen geklärt.

Fahndung nach Entartungs-Faktoren

Jetzt ist es einem Forschungsteam um Martyna Sroka vom Cold Spring Harbor Laboratory in New York gelungen, einen weiteren wichtigen Faktor für die Entartung der Muskelvorläuferzellen zu identifizieren – und einen neuen Ansatzpunkt für künftige Therapien. Für ihre Studie hatten sie eine modifizierte Version der Genschere CRISPR/Cas9 genutzt, um verschiedene Gene in Rhabdomyosarkom-Zellen stillzulegen. Anschließend ermittelten sie mithilfe einer Immunofluoreszenz-Markierung und der Analyse der Zellform, ob dies bei den Krebszellen Wirkung zeigte.

Tatsächlich wurde das Team fündig: Neben dem Genkomplex für das Onkoprotein PAX3-FOXO1 zeigte auch die Blockade von Genen für ein weiteres Protein Wirkung: Verhinderten die Forschenden die Bildung dieses NF-Y genannten Proteins, setzte dies die zuvor unterdrückte Ausreifung der entarteten Vorläuferzellen wieder in Gang. Als Folge entwickelten sich in der Zellkultur statt der rundlichen Krebszellen spindelförmige Zellen, die Aktin, Myosin und weitere muskeltypische Komponenten ausbildeten.

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Umwandlung von Krebszellen
Wird in Krebszellen des Rhabdomyosarkoms das Protein NF-Y ausgeschaltet, wandeln sich die unreifen, entarteten Zellen in differenzierte Muskelzellen um (rechts). © Vakoc lab/ Cold Spring Harbor Laboratory

Aus Krebszellen werden Muskelzellen

„Diese Zellen wandelten sich in Muskelzellen um und verloren alle krebstypischen Attribute“, berichtet Seniorautor Christopher Vakoc vom Cold Spring Harbor Laboratory. „Die Krebszellen verwandeln sich von einer Zelle, die sich nur vermehren will, in eine auf Kontraktion hin ausgerichtete Zelle.“ Diese fast vollständige Rück-Umwandlung der entarteten Krebszellen in relativ normale, ausdifferenzierte Muskelzellen war selbst für das Forschungsteam überraschend, wie die Autoren schreiben.

Nähere Analysen ergaben, dass das Ausschalten von NF-Y eine biochemische Kettenreaktion in Gang setzt, in deren Folge auch die Aktivität des Genkomplexes für das Onkoprotein PAX3-FOXO1 drastisch heruntergeregelt wird. Damit wird auch die hemmende Wirkung dieses Onkoproteins auf die Zellreifung unterdrückt. Die unreife Muskelvorläuferzelle kann sich dadurch wieder normal weiterentwickeln und zur Muskelfaserzelle ausdifferenzieren.

Relevant auch für andere Sarkome

Wie das Team erklärt, könnte dieser neuentdeckte Mechanismus auch für andere Weichteil-Tumoren relevant sein: „Eine beeinträchtigte Differenzierung von Mesenchymzellen ist ein Schlüsselmerkmal vieler Weichteil-Sarkome“, erklären Sroka und ihre Kollegen. Die von ihnen entwickelte Screening-Methode könnte demnach dazu beitragen, auch bei anderen Krebstypen solche Regulator-Proteine ausfindig zu machen und sie zu blockieren.

Damit ergeben sich neue Ansatzstellen für Therapien, die Sarkom-Krebszellen nicht abtöten, sondern sie wieder zu gesunden, ausgereiften Zellen machen. In einer früheren Studie ist es Vakoc und seinem Team bereits gelungen, auch Zellkulturen des Ewing-Sarkoms, einem vor allem bei Kindern häufigen Knochentumor, wieder in gesunde Zellen zurückzuverwandeln. Das Team hofft nun, durch seine Forschungen Wirkstoffe zu finden, die die diese Umwandlung auch im Menschen ohne schwere Nebenwirkungen ermöglichen.

Ansatz für neuartige Krebstherapien

„Diese Technologie erlaubt es, jede Krebsart zu nehmen und nach den Hebeln suchen, durch die man sie zum korrekten Ausreifen bringen kann“, sagt Vakoc. „Das könnte ein wichtiger Schritt zu einer breiteren Anwendung solcher Differenzierungstherapien sein.“ Dies wird allerdings dadurch erschwert, dass beispielsweise das NF-Y-Protein auch von gesunden Zellen benötigt wird – wenngleich die entarteten Rhabdomyosarkom-Zellen deutlich sensibler auf eine Blockade reagieren.

„Das könnte uns eine Chance eröffnen, durch vorübergehende Blockade von NF-Y die Sarkomzellen zur Differenzierung zu bringen, während gesunde Gewebe nur minimal betroffen sind“, erklären die Forschenden. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2023; doi: 10.1073/pnas.2303859120)

Quelle: Cold Spring Harbor Laboratory

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