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Physik

Corona: Wie hoch ist das Risiko im Auto?

Aerosolausbreitung im Auto verläuft teils anders als erwartet

Taxifahrt
Taxifahrt in Coronazeiten – wie hoch ist das Risiko einer Ansteckung durch Aerosole? © avdeev007/ iStock.com

Beim Lüften im Auto kommt es auf das Wie an. Denn manche  Luftströme können die Ansteckung begünstigen statt sie zu senken, wie nun Computersimulationen zeigen. Demnach breiten sich Aerosole in Fahrzeugen überraschenderweise von hinten nach vorne aus. Der Fahrer ist dadurch tendenziell einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt als ein Passagier – insbesondere, wenn das ihm gegenüberliegende Fenster geschlossen ist.

Das Coronavirus SARS-CoV-2 wird vor allem durch die beim Atmen, Sprechen, Husten oder Niesen entstehenden Tröpfchen übertragen. Während die größeren Tröpfchen jedoch schnell zu Boden sinken, können Aerosole – winzige Schwebtröpfchen – im Extremfall über Stunden in der Luft bleiben. Das Problem: Die Ansteckung über infektiöse Aerosole lässt sich auch mit einem Mund-Nasen- Schutz nicht komplett verhindern. Daher wird der Aufenthalt in ungenügend gelüfteten Innenräumen mit geringer Luftfeuchtigkeit schnell zum Risiko.

Luftströme im Auto rekonstruiert

Aber wie sieht es bei Fahrten im Auto aus? Das Infektionsrisiko beim Autofahren haben nun Wissenschaftler um Varghese Mathai von der University of Massachusetts in Amherst näher untersucht. Sie wollten herausfinden, wie die Luftströmungen im Fahrzeuginneren in verschiedenen Lüftungsszenarien verlaufen und wie sie das Risiko der Übertragung von Krankheitserregern beeinflussen.

Dazu simulierten die Forscher mit Hilfe von Computermodellen das Innere eines mit rund 80 Stundenkilometern fahrenden Kleinwagens. Besetzt war das Fahrzeug mit zwei Personen: dem Fahrer und einem schräg hinter ihm auf der Rückbank sitzenden Passagier. In der Simulation öffneten die Insassen wahlweise vier, drei oder zwei sich gegenüberliegende oder diagonal liegende Fenster. Im letzten Szenario schalteten sie nur die Klimaanlage ein.

Wie erwartet war das Ansteckungsrisiko umso geringer, je mehr Autofenster geöffnet wurden. „Das beste Szenario, das wir gefunden haben, war, alle vier Fenster geöffnet zu haben. Aber selbst ein oder zwei Fenster geöffnet zu haben, war weitaus besser, als sie alle geschlossen zu halten“, so die Forscher. Mit geschlossenen Fenstern und eingeschalteter Klimaanlage oder Heizung herumzufahren, sei ihren Simulationen nach definitiv das schlimmste Szenario.

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Luftströmungen
Simulation der Luftströme im Auto © Breuer lab / Brown University

Luft strömt von hinten nach vorn

Interessant jedoch: Entgegen der landläufigen Annahme strömt die Luft im Auto nicht von vorne nach hinten zur Rückbank. Stattdessen zeigten die Simulationen, dass der Luftdruck bei vier offenen Fenstern hinten tendenziell höher ist als vorne. Dadurch tritt die Frischluft durch die Heckscheiben in das Fahrzeug ein und durch die vorderen Scheiben wieder aus.

Bei vier geöffneten Fenstern entstehen so zwei seitliche Strömungen, die aber weitgehend voneinander getrennt bleiben. Für die Insassen bedeutet dies: Sitzen sie auf verschiedenen Seiten des Autos, gelangen bei vier offenen Fenstern nur sehr wenige Aerosole von einem zum anderen. Der Fahrer ist dabei aufgrund der Luftbewegung einem geringfügig höheren Risiko ausgesetzt als der Passagier.

Fensterwahl beeinflusst Risiko des Fahrers

Anders ist dies, sobald die Insassen ein Fenster schließen. Dann können die beiden getrennten Luftströme nicht mehr entstehen und die Luft vermischt sich stärker, wie die Simulationen ergaben. Als Folge gelangen deutlich mehr Aerosole vom Beifahrer zum Fahrer nach vorne. Wegen des geringeren Luftaustauschs bleiben sie zudem länger im Auto.

Wie gefährdet die Fahrer sind, hängt aber auch von der Wahl der Fenster ab: Das Infektionsrisiko für den Fahrer erhöht sich, wenn die Fenster direkt neben dem schräg hinter ihm hinten sitzen Passagier geöffnet sind. Günstiger ist es, wenn beide Insassen das Fenster neben sich schließen und das jeweils gegenüberliegende Fenster öffnen.

„Wenn die Fenster gegenüber den Insassen geöffnet sind, entsteht eine Strömung, die hinter dem Fahrer in den Wagen eintritt, über die Kabine hinter dem Passagier hinwegströmt und dann durch das beifahrerseitige Frontfenster wieder austritt“, erklärt Mathais Kollege Kenny Breuer.

Kein Ersatz für Mund-Nase-Schutz

Zwar legen diese Ergebnisse nahe, dass das Infektionsrisiko beim Autofahren durch den Abstand der Insassen und die Wahl der geöffneten Fenster reduziert werden kann. Dennoch sagen die Wissenschaftler, dass dies nicht unbedingt auch für Autos mit Dachluke, in Lastwagen oder in Vans gilt. Außerdem könnten starke Seitenwinde oder höhere Fahrtgeschwindigkeiten die Strömungen beeinflussen.

Auch Abstand und geöffnete Fenster ersetzen daher nicht das Tragen einer Mund-Nase-Maske im Auto. Mathai und sein Team betonen deshalb abschließend, dass in Fahrzeugen immer ein Infektionsrisiko besteht und ein Verzicht auf Taxifahrten oder Mitfahrgelegenheiten erwartungsgemäß die sicherste Möglichkeit ist, um Infektionen mit Viren wie dem Coronavirus SARS- CoV-2 zu verhindern. (Science Advances, 2020, doi: 10.1126/sciadv.abe0166)

Quelle: Brown University

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