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Verhaltensforschung

Kommunizieren Pottwale menschenähnlich?

Satzbau der Meeressäuger ist komplexer als gedacht

Pottwale
Pottwale kommunizieren viel komplexer und menschenähnlicher als gedacht. © Amanda Cotton

Geniale Meeressäuger: Pottwale sind zu deutlich komplexerer Kommunikation fähig, als ihnen bislang zugetraut wurde, wie Wissenschaftler nun herausgefunden haben. Demnach ist das Repertoire ihrer Klicklaute zwar ähnlich überschaubar wie die Buchstaben unseres Alphabets, doch wie wir Menschen formen sie daraus komplexe Variationen. Pottwale könnten damit eine von wenigen Spezies sein, die menschenähnlich kommuniziert.

Mit einer Länge von bis zu 20 Metern und einem Gewicht von über 50 Tonnen sind Pottwale (Physeter macrocephalus) die größten Raubtiere unseres Planeten. Während ältere Männchen meist allein die Weltmeere durchschwimmen, leben die Weibchen und Jungtiere in sozialen Gruppen von bis zu 20 Tieren zusammen. Um gemeinsame Entscheidungen zu treffen, Kälber großzuziehen und Jagden zu koordinieren, kommunizieren die Gruppenmitglieder untereinander mit Klicklauten. Doch über die Feinheiten der Pottwal-Klicks ist nur sehr wenig bekannt.

Lauschangriff auf Pottwale

Bislang ist es Meeresbiologen lediglich gelungen, die Klickgeräusche von Pottwalen in 21 verschiedene Grundbausteine – sogenannte Codas – zu unterteilen. Jede Coda besteht aus einer charakteristischen Klick-Abfolge und ist jeweils unter zwei Sekunden lang. Sie lässt sich wahrscheinlich am ehesten mit menschlichen Buchstaben oder Silben vergleichen. Doch Bedeutung und Verwendung der Codas im Satzbau der Wale sind weitgehend unbekannt.

Ein Forschungsteam um Pratyusha Sharma vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat nun erstmals analysiert, wie die Pottwale die Coda-Bausteine im Gespräch benutzen. Dafür griffen sie auf umfangreiche Audio-Aufnahmen von rund 60 Pottwalen aus der Ostkaribik zurück. Indem Sharma und ihre Kollegen auswerteten, in welchen Variationen die verschiedenen Codas in der alltäglichen Kommunikation der Wale vorkommen, konnten sie deren Sprachsystem so genau sezieren wie nie zuvor.

Kommunikation ist unerwartet komplex

Das Ergebnis: „Die Vokalisationen der Pottwale sind ausdrucksstärker und strukturierter als bisher angenommen und bestehen aus einem Repertoire, das fast eine Größenordnung mehr unterscheidbare Codas umfasst“, berichten die Forschenden. Wie sie feststellten, kommen die Codas in der Alltagssprache der Wale längst nicht nur in ihrer Grundform vor, sondern in vielen verschiedenen Variationen und Kombinationen. Das macht ihre Sprache deutlich komplexer als bislang angenommen.

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So fanden Sharma und ihr Team etwa heraus, dass die Wale je nach sozialem Kontext die Klicklaute einer einzelnen Coda unterschiedlich in die Länge ziehen – ein Phänomen, das die Wissenschaftler Rubato getauft haben. Auch nutzen die Pottwale hin und wieder zusätzliche Zwischenklicks, die weder zur vorangegangenen noch zur nachfolgenden Coda gehören. Die Forschenden nennen sie Ornamente. Darüber hinaus konnten Sharma und ihre Kollegen auch erhebliche Unterschiede im Coda-übergreifenden Rhythmus und Tempo der Meeressäuger feststellen.

So klingt ein Gespräch unter Pottwalen. © Project CETI

Hinweise auf menschenähnliche Sprache

Zusammengenommen deuten die neuen Erkenntnisse daraufhin, dass die Sprache der Pottwale in Grundzügen unserer eigenen ähneln könnte, wie die Forschenden berichten: „Eines der Hauptunterscheidungsmerkmale zwischen menschlicher Kommunikation und allen bekannten tierischen Kommunikationssystemen ist die strukturelle Dualität: eine Grundmenge von individuell bedeutungslosen Elementen, die so angeordnet sind, dass sie einen sehr großen Raum von Bedeutungen erzeugen.“

Anders ausgedrückt: Ein Buchstabe oder Laut allein bedeutet noch nichts. Wird er jedoch in einem Wort oder Satz mit anderen Lauten kombiniert, vermittelt er auf einmal konkrete Informationen. Ähnlich könnten Pottwale die verschiedenen Codas nutzen. „Unsere Ergebnisse eröffnen die Möglichkeit, dass die Pottwal-Kommunikation das erste Beispiel für dieses Phänomen bei einer anderen Spezies darstellt“, so Sharma und ihre Kollegen. (Nature Communications, 2024; doi: 10.1038/s41467-024-47221-8

Quelle: Nature Communications

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