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Medizin

Brustkrebs: Auslöser später Metastasen identifiziert

Bestimmte Proteine fördern das „Wiedererwachen“ gestreuter Krebszellen

Brustrkrebs
Beim häufigsten BRustkrebstyp treten Metastasen oft erst Jahre bis Jahrzehnte nach der Krebstherapie auf – einen möglichen Grund dafür haben nun Forscher gefunden. © Lars Neumann/ Getty images

Hoffnung für Brustkrebs-Patientinnen: Mediziner haben herausgefunden, warum gestreute Krebszellen beim häufigsten Brustkrebstyp oft erst nach Jahren „wiedererwachen“ und Metastasen bilden – und sie haben ein potenzielles Mittel dagegen gefunden. Verantwortlich ist demnach ein hoher Spiegel des Proteins PDGF-C, der vor allem bei älteren Frauen und bei solchen mit vorgeschädigtem Lungengewebe auftritt. In Experimenten mit Mäusen konnte ein Leukämie-Medikament diesen „Wachmacher“ ausschalten und Metastasen verhindern.

Rund 80 Prozent aller Brustkrebs-Patientinnen leiden unter einem sogenannten Östrogenrezeptor-positiven Brustkrebs (ER+). Bei diesem ist der Primärtumor zwar meist besser behandelbar als bei der negativen Variante. Doch dafür sind die Spätfolgen besonders tückisch: Gestreute Krebszellen dieses Tumortyps können oft jahrelang in einem Ruhezustand im Körper überdauern und als „Schläfer“ selbst aggressiven Chemotherapien widerstehen.

Erst Jahre oder sogar Jahrzehnte nach der scheinbar erfolgreichen Krebsbehandlung „wachen“ diese Brustkrebszellen dann wieder auf und erzeugen Metastasen in Lunge, Leber, Knochen und anderen Organen. Diese Brustkrebs-Metastasen sind dann zwar behandelbar, indem man versucht, ihr Wachstum einzudämmen. Beseitigen lassen sie sich aber nicht mehr.

Fahndung nach dem „Wecker“ der gestreuten Krebszellen

Bisher war jedoch unklar, was genau die schlafenden Krebszellen wieder „aufweckt“. Ähnlich wie bei anderen Krebsmetastasen gehen Onkologen aber davon aus, dass die Mikroumgebung dieser Zellen eine entscheidende Rolle spielt – das Umfeld, in dem sich die gestreuten Brustkrebszellen eingenistet haben. So können bestimmte Botenstoffe, Stressfaktoren oder auch umprogrammierte Abwehrzellen dazu beitragen, das Wachstum von Metastasen zu fördern.

Einem weiteren Einflussfaktor sind nun Forschende um Frances Turrell vom Institute of Cancer Research in London nachgegangen. Schon in früheren Studien gab es Hinweise darauf, dass bestimmte Signalmoleküle im Blut älterer Krebspatienten die Metastasenbildung begünstigen und die gestreuten Krebszellen aggressiver machen können. Turrell und ihr Team haben daher untersucht, ob möglicherweise auch das Wiedererwachen der gestreuten Brustkrebszellen durch ein solches Molekül beeinflusst wird.

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Mehr Metastasen in älteren Lungen

Dafür arbeiteten die Forschenden mit Mäusen verschiedenen Alters, bei denen sie Östrogenrezeptor-positiven Brustkrebs ausgelöst hatten. Bei allen Mäusen konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass Brustkrebszellen vom primären Tumor in andere Körperregionen gestreut hatten, darunter in Lunge und Leber. Ob daraus jedoch Metastasen entstanden und wie aggressiv diese waren, hing vom Alter der Tiere ab.

Die Untersuchungen ergaben, dass sich die gestreuten Krebszellen bei den jungen Mäusen nur zu einem sehr geringen Prozentsatz vermehrten und Metastasen bildeten. Bei den älteren Mäusen wuchsen die Brustkrebszellen dagegen meist zu großen Sekundärtumoren heran. „Die älteren Tiere hatten eine größere Zahl und weitere Verbreitung von Metastasen mit meist prominenten Läsionen im Lungengewebe“, berichten die Forschenden. Auch bei schon vorgeschädigtem, vernarbtem Lungengewebe war dies der Fall.

PDGF-C-Proteine als Wachmacher

Mithilfe einer Genexpressionsanalyse untersuchte Turrells Team anschließend, was sich bei den Versuchstieren auf molekularer Ebene abspielte. Es zeigte sich: Bei den Mäusen, die stärker zu sekundären Tumoren neigten, waren zahlreiche Gene stärker aktiv, die unter anderem Bindegewebszellen in der Lunge aktivieren und Vernarbungen. Besonders auffällig war dabei eine Gruppe von Genen, die sogenannte PDGF-C-Proteine kodieren.

Diese Proteine werden von Bindegewebszellen und bestimmten Immunzellen produziert und stehen schon länger im Verdacht, auch das Wachstum einiger Krebsarten zu begünstigen, wie Turrell und ihre Kollegen erklären. Sie schließen aus ihren Ergebnissen, dass ein erhöhter PDGF-C-Spiegel auch das Erwachen der ruhenden Krebszellen und ihr Heranwachsen zu Metastasen fördert. Das würde auch erklären, warum Frauen ab dem mittleren Alter und solche mit vorgeschädigten Organen häufiger betroffen sind.

Leukämiemittel unterdrückt PDGF-C-Effekt

Doch das ist nicht alles: Das Wissen um die Wirkung von PDGF-C auf das Wiederaufwachen gestreuter Brustkrebszellen bietet auch einen Ansatzpunkt für die Therapien. In ihrer Studie haben
Turrell und ihre Kollegen die erkrankten Mäuse dafür mit dem Krebswachstumsblocker Imatinib behandelt. Eigentlich kommt das Medikament bei Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie zum Einsatz. In einem zweiten Versuch verabreichten sie den brustkrebskranken Mäusen einen Antikörper gegen PDGF-C.

Das Ergebnis: Sowohl Imatinib als auch die Antikörperbehandlung reduzierten das Wachstum der Brustkrebs-Metastasen in der Lunge deutlich. Dabei war es egal, ob es den Mäusen bereits vor oder nach der Entwicklung von Tumoren verabreicht worden war. Für die Zukunft heißt das: „Wir wollen nun besser herausfinden, wie Patientinnen von dem bestehenden Medikament Imatinib profitieren könnten, und langfristig wollen wir spezifischere Behandlungen entwickeln, die auf den Mechanismus des ‚Wiedererwachens‘ abzielen“, erklärt Turrell.

Damit besteht die Hoffnung, dass sich die späte Metastasenbildung beim Östrogenrezeptor-positiven Brustkrebs in Zukunft womöglich verlangsamen oder sogar komplett stoppen lässt. Frauen müssten dann nach dem Abschluss ihrer Krebstherapie nicht mehr mit einer tickenden Zeitbombe in ihrem Körper leben. (Nature Cancer, 2023; doi: 10.1038/s43018-023-00525-y

Quelle: Institute of Cancer Research

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