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Sonnensystem

Zweiter Mini-Mond der Erde entdeckt

Asteroidenstück umkreiste unseren Planeten fast drei Jahre lang als Trabant

Mini-Mond
Fast drei Jahre lang umkreiste ein autogroßer Brocken als Trabant unseren Planeten. © dzika_mrowka/ iStock.com

Winziger Begleiter: Astronomen haben einen Miniaturmond unserer Erde entdeckt – eine echte Rarität. Denn es ist erst der zweite Fund dieser Art. Der gut kleinwagengroße Brocken umkreiste 2,7 Jahre lang unseren Planeten, wurde aber erst im Februar 2020 aufgespürt. Die Forscher vermuten, dass er ursprünglich aus dem inneren Asteroidengürtel stammt und nach einem nahen Vorbeiflug am Mond in den Erdorbit gelenkt wurde.

Die Erde ist nicht allein: Auf ihrer Bahn um die Sonne wird sie vom großen Erdmond umkreist – er ist schon seit 4,5 Milliarden Jahren ihr Trabant. Zusätzlich kommt es aber auch vor, dass kleinere Asteroiden aus ihrer Bahn geraten und vorübergehend in Erdnähe umherfliegen. Einige folgen dabei hufeisenförmigen Flugbahnen, andere eiern auf einer weiten, asymmetrischen Umlaufbahn um die Erde, bevor sie wieder in die Tiefen des Alls verschwinden.

2020 CD3
In dieser Komposit-Aufnahme des Gemini North Teleskops auf Hawaii ist der Minimond 2020 CD3 als heller Punkt in der Mitte zu sehen. © International Gemini Observatory/NOIRLab/ NSF/AURA/ G. Fedorets

Der zweite Mini-Mond

Doch es gibt auch Brocken, die sich eine Zeitlang wie echte Monde verhalten. Den ersten Vertreter dieser Minimonde entdeckten Astronomen im September 2006. Der nur rund zwei Meter große 2006 RH120 umkreiste die Erde viermal, bis er dann im Juni 2007 in Richtung Sonne weiterflog. Wenig später legten Simulationen nahe, dass die Erde sich vermutlich immer wieder mal einen solchen Mini-Mond zulegt – ein Beleg dafür fehlte allerdings.

Diesen Beweis liefert nun ein weiterer, am 15. Februar 2020 entdeckter Miniaturmond – er ist erst der zweite seiner Art. „Die Entdeckung von 2020 CD3 erlaubt uns nun zum ersten Mal einen Vergleich zwischen diesen Minimonden, aber auch mit theoretischen Modellen“, erklären Grigori Fedorets von der Queen’s University Belfast und sein Team. Deshalb haben die Astronomen den neuen Mini-Mond mit einer ganzen Reihe von Teleskopen ins Visier genommen. „Eine so seltene Chance mussten wir nutzen“, erklärt Fedorets.

Ein Trümmerbrocken aus dem Asteroidengürtel

Die erste Frage, die es zu klären galt: Ist dieses Objekt überhaupt ein Asteroid oder doch nur ein Stück Weltraumschrott wie die kürzlich zur Erde zurückgekehrte Raketenstufe der Mondmission Surveyor 2? Analysen der Beobachtungsdaten ergaben, dass 2020 CD3 zu kompakt für ein Schrottteil vergleichbarer Größe ist. Zudem deutet das Spektrum des von ihm zurückgeworfenen Lichts darauf hin, dass es sich um einen Brocken aus Silikatgestein handelt.

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Die Astronomen schließen daraus, dass es sich um ein natürliches Objekt handelt – ein kleines Asteroidenstück. „2020 CD3 könnte den Felsbrocken entsprechen, die man auf der Oberfläche größerer Asteroiden findet“, erklärt Fedorets. Er und sein Team vermuten, dass der rund 1,50 Meter große Miniaturmond ursprünglich aus dem inneren Asteroidengürtel stammt, in dem viele ähnliche Brocken kreisen.

2,7 Jahre als Erdtrabant

Doch seit wann ist dieser Brocken schon ein Mini-Mond der Erde? Wie die Astronomen herausfanden, muss 2020 CD3 im September 2017 sehr nahe am Mond vorbeigeflogen sein. Dessen Schwerkrafteinfluss hat ihn offenbar in Richtung Erdumlaufbahn abgelenkt. „Mindestens 2,7 Jahre lang war er dann in einem geozentrischen Orbit gebunden – das ist eine außergewöhnlich lange Zeit verglichen mit den Ergebnissen theoretischer Modelle“, erklären die Forscher. Denn nach diesen dauert die Trabantenperiode solcher Brocken im Schnitt nur rund neun Monate.

In seiner Zeit als Miniaturmond hat der kleine Asteroid elf Umkreisungen der Erde vollendet, für die er zwischen 70 und 90 Tage benötigte. Seine größte Annäherung an die Erde erreichte der Brocken im April 2019, als er nur noch rund 13.000 Kilometer entfernt war. Zum Zeitpunkt seiner Entdeckung im Februar 2020 war er jedoch bereits 47.000 Kilometer von der Erde entfernt und dabei, den Erdorbit wieder zu verlassen.

„Die Entdeckung von 2020 CD3 gelang demnach buchstäblich im letzten Moment“, so Fedorets und seine Kollegen. Am 7. März 220 hat der kleine Asteroid das Erdsystem verlassen – seine Zeit als Miniaturmond ist damit vorerst vorüber.

Eine ganze Population von Mini-Monden

Nach Ansicht der Astronomen bestätigt die Entdeckung des zweiten Mini-Monds, dass es im erdnahen Umfeld zahlreiche kleine Brocken gibt, die potenziell zu Miniaturmonden werden können. „Wir erwarten, dass es eine größere, aber noch unentdeckte Population von Mini-Monden gibt, die ähnlich klein sind wie 220 CD3 oder sogar noch kleiner“, sagt Fedorets. „Sie sind aber wegen ihrer geringen Helligkeit, ihrer Bewegung und den wenigen günstigen Beobachtungszeitfenstern sehr schwer aufzuspüren.“

Allerdings könnte sich diese Chance mit der Inbetriebnahme neuer Teleskope in den nächsten Jahren deutlich verbessern. „Dann könnten wir innerhalb eines Jahrzehnts mehrere Mini-Monde finden“, so Fedorets. Positiver Nebeneffekt: Wenn solche kleinen Erdtrabanten künftig zeitiger entdeckt werden, könnten sie lohnende Ziele auch für Weltraummissionen sein. „Die Mini-Monde bringen den Asteroidengürtel quasi vor unsere Haustür“, sagt der Astronom. Das eröffnete einzigartige Chancen, diese Brocken näher zu erkunden und Proben zu nehmen. (Astronomical Journal, 2020; doi: 10.3847/1538-3881/abc3bc)

Quelle: Queen’s University Belfast, Lowell Observatory

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