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Astronomie

Wie Silber im Kosmos entstand

Elementverteilung in Sternen liefert Indizien für Zerfall noch unbekannter superschwerer Atome

Atom
Silber könnte im Kosmos aus kurzlebigen, superschweren Atomkernen mit mehr als 260 Kernbausteinen entstanden sein. © Ezumelimages/ Getty images

Atomare Exoten: Silber, Platin und einige Seltenerdmetalle könnten einen ziemlich exotischen Ursprung haben. Denn diese Atome verdanken ihre Entstehung wahrscheinlich noch unbekannten Atomriesen mit mehr als 260 Kernbausteinen – Isotopen, die bisher noch nie irgendwo nachgewiesen wurden. Diese superschweren Atome könnten aber bei der Kollision von Neutronensternen gebildet werden. Wenn sie zerfallen, entstehen dann Elemente wie Silber und Co, wie Astronomen in „Science“ berichten.

Wie schwer kann ein Atom werden? Und wo im Kosmos entstehen solche superschweren Isotope? Klar ist bisher, dass die meisten leichteren Elemente während der Kernfusion in Sternen oder in Supernovae gebildet wurden. Schwere Atomsorten wie Gold, Platin und Seltene Erden, können dagegen nur in extrem energie- und neutronenreichen Umgebungen entstehen – beispielsweise bei einer Neutronensternkollision. Nur dort kann der sogenannte r-Prozess stattfinden, bei dem Atome sehr schnell weitere Kernbausteine anlagern.

Neutronensternkollision
Neutronensternkollisionen liefern die nötige Energie und Neutronendichte, um auch sehr schwere Elemente zu erschaffen. © Los Alamos National Laboratory/ Matthew Mumpower

Elementverteilung in alten Sternen untersucht

Jetzt haben Astronomen erstmals Indizien dafür entdeckt, dass es im Weltall auch superschwere Atome gibt, die auf der Erde völlig unbekannt sind. Denn diese kurzlebigen, superschweren Isotope beinhalten mehr als 260 Kernbausteine – so viel wie kein natürlich vorkommendes oder im Labor künstlich herstellbares Isotop. Entdeckt haben dies Ian Roederer von der University of Michigan und seine Kollegen, als sie die Elementverteilung von 42 alten Sternen in der Milchstraße näher analysierten.

„Wir haben dafür Sterne ausgewählt, von denen man weiß, dass sie schwere, im r-Prozess gebildete Elemente enthalten und deren Zusammensetzung nicht durch andere Prozesse kontaminiert wurde“, erklären die Astronomen. Für ihre Analyse werteten sie aus, in welchen Verhältnissen Elemente mit Ordnungszahlen zwischen 34 und 90 in diesen Sternen vorkommen.

Leichtere und schwerere Elemente verknüpft

Dabei zeigte sich Überraschendes: Es gab zwei Elementgruppen, deren Anteil in allen untersuchten Sternen verknüpft war. Der Anteil der vier Elemente Ruthenium, Rhodium, Palladium und Silber – Ordnungszahlen 44 bis 47 – war direkt proportional zum Anteil zum Anteil mehrerer schwererer Elemente wie Platin und einigen Seltenerdmetallen mit den Ordnungszahlen 63 bis 78. Bei den im Periodensystem unmittelbar benachbarten Elementen war diese Verknüpfung dagegen nicht nachweisbar.

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„Die beiden Elementgruppen bewegen sich gewissermaßen im Gleichschritt“, erklärt Koautor Matthew Mumpower von Los Alamos National Laboratory: „Jedes Mal, wenn die Natur ein Atom Silber erzeugt, entsteht auch eines dieser schwereren Atome.“ Demnach sind einige der im r-Prozess gebildeten schweren Elemente auf irgendeine Weise mit dieser kleinen Gruppe leichterer Elemente verknüpft.

Verknüpfte Elementgruppen
Die hier rot markierten leichteren Elemente könnten jeweils gemeinsam mit einem blau markierten Element aus dem Zerfall superschwerer, kurzlebiger Atome im Kosmos hervorgegangen sein. © verändert nach Sandbh/ CC-by-sa 4.0

Radioaktiver Zerfall nach r-Prozess?

Aber warum? Nach Angaben der Astronomen kommt dafür nur eine Erklärung in Frage: Diese Paare aus jeweils einem leichteren und einem schwereren Element müssen durch den radioaktiven Zerfall eines noch schwereren Elements entstanden sein. „Theoretische Modelle sagen voraus, dass solche transuranischen Atomkerne in asymmetrische Fragmente zerfallen, mit einer leichteren und einer schwereren Komponente“, erklären Roederer und seine Kollegen.

Genau dieses asymmetrische Verhältnis haben die Astronomen nun auch in den alten Sternen nachgewiesen. Ihren Analysen zufolge kann kein anderer bekannter Prozess erklären, warum Silber und Co in diesen Sternen immer quasi im Gleichschritt mit Platin und anderen schweren Elementen vorkommen. Nur ein radioaktiver Zerfall von superschweren, im r-Prozess gebildeten Atomkernen könne diesen Zusammenhang erklären. Beide Gruppen von Elementen wären dann die Trümmer dieser Zerfälle.

„Dies ist der erste Nachweis einer Kernspaltung als kosmischem Prozess“, sagt Mumpower. „Man hat schon länger vermutet, dass solche Zerfälle im Kosmos stattfinden, aber bisher hat dies nie jemand belegen können.“

Superschwere Atome mit mehr als 260 Kernbausteinen

Spannend auch: Damit beim Zerfall der superschweren Isotope so schwere Atome wie das Seltenerdmetall Europium entstehen können, müssten die Ausgangs-Atome schwerer sein als alles bisher Bekannte: Die transuranischen Atomriesen müssten Massenzahlen von mindestens 260 aufweisen und damit 260 Kernbausteine und mehr in sich vereinen.

„Die Massenzahl 260 ist spannend, weil wir so schwere Atomkerne noch nirgendwo gefunden haben – weder im All noch in der Natur“, erklärt Roederer. Auch in Laboren oder bei Atomwaffentests ließen sich so schwere Isotope bisher nicht nachweisen oder erzeugen. „Modelle der Nukleosynthese prognostizieren aber, dass solche transuranischen Elemente in kosmischen r-Prozess-Ereignissen entstehen können, wenn dabei sehr neutronenreiches Material frei wird“, erklären die Astronomen.

Dazu passt, dass Physiker erst vor Kurzem die Existenz noch unbekannter, superschwerer Elemente in einigen exotischen Asteroiden postuliert haben. Demnach könnte es im Weltall noch Atomsorten geben, die jenseits unseres Periodensystems der Elemente liegen. „Die mögliche Existenz superschwerer Atome im Weltall liefert uns neue Ideen über Elementbildung und Kernspaltung und darüber, wie die reiche Elementvielfalt des Universums entstanden ist“, sagt Roederer. (Science, 2023; doi: 10.1126/science.adf1341)

Quelle: Los Alamos National Laboratory, North Carolina State University

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