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Astronomie

Ursprung eines Sonnensturms lokalisiert

Teilchenströme kommen vom Fuß heißer Magnetschleifen in der oberen Chromosphäre

Plasma-Auswurf
Plasma-Auswurf auf der Sonne. Zusammen mit Strahlenausbrüchen und schnellen Teilchenströmen verursachen sie Sonnenstürme, die auch die Erde erreichen können. © NASA/GSFC, Solar Dynamics Observatory

Solare Partikelschleudern: Forscher haben den Ort lokalisiert, von dem einige der für uns gefährlichsten Sonnenstürme ausgehen. Diese besonders energiereichen Teilchenströme haben demnach ihren Ursprung in der oberen Chromosphäre, der Region, in der auch die gewaltigen koronaren Schleifen aus Magnetfeldlinien und Plasma beginnen. Dieses Wissen kann dazu beitragen, diese Ereignisse besser verstehen und vorhersagen zu können, so die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science Advances“.

Obwohl unsere Sonne ein relativ ruhiger Stern ist, ereignen sich auch auf ihrer Oberfläche immer wieder heftige Strahlenausbrüche und Plasmaeruptionen, bei denen rasende Teilchenströme und Strahlung weit ins All hinaus geschleudert werden. Trifft ein solcher Sonnensturm die Erde, kann er im Extremfall Satelliten, GPS, Telekommunikation und Stromversorgung lahmlegen – mit entsprechend schwerwiegenden Folgen. 1967 löste ein Sonnensturm sogar fast einen Atomkrieg aus.

„Fingerabdruck“ eines Sonnensturms

Doch wie und wo diese energiereichen Teilchenströme auf der Sonne entstehen, ist bislang weitgehend ungeklärt. „Bisher hat keine Untersuchung herausgefunden, welche spezifischen Prozesse in den aktiven Sonnenregionen die Quelle sind, auch Studien dieser Teilchen mit Imaging Spektrometern im Extrem-UV fehlten“, erklären David Brooks von der George Mason University in den USA und Stephanie Yardley vom University College London.

Sonnenfleck
Im Januar 2014 aktive Zone der Sonnenoberfläche, die weißen und schwarzen Konturen kennzeichnen Magnetfeldstärken von mehr als 500 Gauss. © Brooks und Yardley /CC-by-sa 4.0

Das Problem: „Diese energiereichen Teilchen erreichen die Erde sehr schnell, in wenigen Minuten bis Stunden“, so Yardley. Sie werden auf mehrere tausend Kilometer pro Sekunde beschleunigt. Um ihren Ursprung zu finden, muss man daher zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein – und das ist den Forschern mithilfe zweier Raumsonden gelungen. Sie waren so positioniert, dass sie bei einer Reihe von heftigen Plasmaausbrüchen im Januar 2014 quasi „in der ersten Reihe“ standen.

Das Team wertete für seine Studie zuerst Daten zur Zusammensetzung des Teilchenstroms aus, die der Wind-Satellit der NASA in Erdnähe gesammelt hatte. Diese ergaben, dass das unmittelbar nach hellen Strahlenausbrüchen ins All geschleuderte Plasma unter anderem hohe Anteile von Silizium, aber wenig Schwefelatome enthält. Dann nutzten Brooks und Yardley Daten des japanischen Hinode-Sonnenobservatoriums, um in der Sonnenatmosphäre nach Orten mit einem ähnlichen „Fingerabdruck“ zu suchen.

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Ursprung in der oberen Chromosphäre

Das Ergebnis: Die Werte passten zu einer bestimmten Region in einem damals sehr aktiven Bereich der Sonne – einem sogar von der Erde aus sichtbaren Sonnenfleck. Dort verfolgten die beiden Wissenschaftler den Teilchenstrom bis auf mehrere besonders heiße Stellen in der oberen Chromosphäre der Sonne zurück. Von diesem Teil der Sonnenatmosphäre gehen auch die gewaltigen Schleifen aus Magnetfeldlinien und heißem Plasma aus, die weit in die Korona herausragen können.

„Wir haben damit zum ersten Mal genau beobachtet, woher auf der Sonne die energiereichen Sonnensturm-Partikel kommen“, sagt Yardley. „Unsere Belege stützen die Theorie, dass diese geladenen Partikel von Plasma freigesetzt werden, das tief in der Sonnenatmosphäre durch starke Magnetfelder festgehalten wird.“ Das lege nahe, dass diese energiereichen Teilchen einen anderen Ursprung haben als der stetige, langsamere Sonnenwind.

Extrem hohe Magnetfeldstärken

Ihr hohes Tempo und ihre Energie bekommen die beim Sonnensturm ausgeschleuderten Teilchen durch das abrupte Aufreißen der starken, sie einsperrenden Magnetfelder. Wie die Forscher ermittelten, lag die Feldstärke an der Basis der heißen Plasmaschleifen bei 245 bis 550 Gauss, in einer Region erreichte sie sogar den Rekordwert von 8.200 Gauss. „Das ist die höchste photosphärische Magnetfeldstärke, die je gemessen wurde“, so Brooks und Yardley.

Wenn diese Magnetfelder plötzlich aufreißen, schießt das Plasma mit entsprechend hoher Energie ins All hinaus. „Einmal freigesetzt, werden diese Teilchen durch weitere Eruptionen beschleunigt und rasen mit mehreren tausend Kilometern pro Sekunde durch das All“, sagt Yardley.

Hilfe für Sonnensturm-Vorhersage

Die neuen Erkenntnisse liefern damit ein weiteres Puzzleteil zur Enträtselung der komplexen Prozesse in der Sonne. Gleichzeitig könnte das Wissen dazu beitragen, Vorhersagen von Sonnenstürmen präziser zu machen. „Indem wir die solaren Prozesse besser verstehen, können wir die Vorwarnungen verbessern und uns dadurch bei einem schweren Sonnensturm mehr Zeit verschaffen“, erklärt Brooks.

Das sei vor allem deshalb wichtig, weil die Sonnenaktivität mit dem gerade begonnenen neuen Sonnenzyklus wieder ansteige. Gleichzeitig sind die Forschenden zuversichtlich, dass die beiden Sonnensonden Solar Orbiter und Parker Solar Probe schon in den nächsten Jahren weitere wertvolle Einblicke in unseren Stern liefern werden. (Science Advances, 2021; doi: 10.1126/sciadv.eabf0068)

Quelle: University College London

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