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Sonnensystem

Sonnenzyklus prägt Neptuns Wolken

Sturmwolken auf dem äußersten Planeten folgen dem Rhythmus der Sonnenaktivität

Neptun-Wolkenzyklus
Die Wolkendichte auf dem Neptun schwankt in einem etwa elfjährigen Rhythmus – passend zum Aktivitätszyklus der Sonne. © NASA/ESA, Erandi Chavez (UC Berkeley), Imke de Pater (UC Berkeley)

Überraschender Effekt: Selbst auf dem fernen Planeten Neptun wird das Wetter vom periodischen Schwanken der Sonnenaktivität geprägt, wie Astronomen herausgefunden haben. Demnach folgt die Menge und Größe der Sturmwolken auf dem Eisriesen dem elfjährigen Sonnenzyklus – wenn auch mit einer Verzögerung von rund zwei Jahren. Trotz der enormen Entfernung des Neptun von der Sonne reichen die geringen Schwankungen der Sonneneinstrahlung offenbar aus, um die Wolkenbildung durch photochemische Prozesse zu beeinflussen.

Der ferne Eisriese Neptun ist in gleich mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich: Der durch seine methanhaltige Atmosphäre bläulich schimmernde Planet besitzt ein chaotisches, vierpoliges Magnetfeld, könnte in seinem Inneren exotische Moleküle bergen und auf ihm toben die schnellsten Stürme des gesamten Sonnensystems. Die wolkigen Sturmbänder und Wirbelstürme sind als helle oder dunkle Flecken in der bläulich schimmernden Atmosphäre des Planeten erkennbar.

Wolken auf dem Neptun
Entwicklung der Wolken auf Neptun von 2002 bis 2023. Seit 2019 ist der Planet fast wolkenfrei. © Imke de Pater, Erandi Chavez, Erin Redwing (UC Berkeley)/ W. M. Keck Observatory

Rätselhafte Schwankungen

Doch wie viele Wolkenflecken der Neptun zeigt, ist offenbar nicht zufällig: Ihre Zahl und Fläche schwankt in relativ regelmäßigen Wellen. Entdeckt haben dies Astronomen um Erandi Chavez von der University of California in Berkeley, als sie Neptun-Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops und der Teleskope des W. M. Keck Observatory auf Hawaii aus der Zeit von 1994 bis 2022 auswerten.

Es zeigte sich: In den Jahren 2002 und 2015 waren besonders viele helle Wolken auf dem Neptun zu sehen und er erschien relativ hell. 2007 und 2020 dagegen sank die Zahl und Größe der Wolkenflecken auf ein Minimum. Besonders ausgeprägt war dies im Jahr 2019/2020: „Neptuns frühere Perioden geringer Wolkenaktivität waren nicht ansatzweise so dramatisch und lang – selbst jetzt, vier Jahre später, haben die Wolken noch nicht wieder ihre früheren Werte erreicht“, sagt Chavez.

Im Takt des Sonnenzyklus

Aber warum? Naheliegend wäre ein Zusammenhang mit den Jahreszeiten des Neptun. Doch die Forschenden konnten, wie schon Astronomen vor ihnen, keinen Zusammenhang zwischen Wolkenmenge und dem gut 40-jährigen Zyklus der neptunischen Jahreszeiten feststellen. Dafür zeigte sich eine andere Korrelation: Die Neptunatmosphäre scheint immer dann besonders wolkig zu sein, wenn mehr ultraviolettes Sonnenlicht auf seine Oberfläche trifft.

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Immer, wenn der Neptun mehr dieser sogenannten Lyman-Alpha-Strahlung von der Sonne erhält, beginnt seine Wolkenbedeckung anzuwachsen. Zwei Jahre später zeigt sich dann ein Wolkenmaximum. Die solare UV-Strahlung folgt dabei dem elfjährigen Zyklus der Sonnenaktivität – und auch die Neptunwolken haben einen vergleichbaren Takt, wenn auch um zwei Jahre verschoben. „Beide Zyklen zeigen ähnliche periodische Muster und sind von zwei Peaks und zwei Minima in unserem Beobachtungszeitraum charakterisiert“, berichten Chavez und ihr Team.

Photochemische Reaktionen als Urheber?

Das Überraschende daran: Neptun ist je nach seiner Bahnposition 30- bis 50-mal weiter von der Sonne entfernt als die Erde. Von ihm aus gesehen erscheint die Sonne deshalb nur als kleiner Lichtpunkt von rund einem Dreißigstel unserer Vollmondgröße. Entsprechend wenig Sonnenstrahlung kommt noch beim fernen Eisriesen an: Die Einstrahlung entspricht rund 0,1 Prozent der auf die Erde treffenden Strahlenmenge. Noch geringer sind demzufolge die mit der Sonnenaktivität verknüpften Schwankungen der UV-Einstrahlung.

Dennoch scheint die Atmosphäre des Eisriesen darauf zu reagieren. Chavez und ihre Kollegen vermuten, dass dies mit photochemischen Reaktionen in der Neptunatmosphäre zusammenhängt: „Eine hohe Einstrahlung von UV-Licht der Wellenlängen unterhalb von 145 Nanometern erhöht die Zerfallsrate des Methangases und fördert die Bildung von Kohlenwasserstoffen in großer Höhe“, erklären die Forschenden. „Wenn diese Kohlenwasserstoffe in Atmosphärenschichten absinken, die kühler sind als ihre Kondensationstemperatur, kondensieren sie und bilden Nebel und Wolken.“

Der zweijährige Versatz gegenüber dem Sonnenzyklus könnte dadurch erklärt werden, dass diese photochemischen Reaktionen langsam ablaufen und die entstehenden Wolken erst allmählich heranwachsen und aufsteigen.

Wetterstudien aus 4,3 Milliarden Kilometer Entfernung

Nach Ansicht der Astronomen spricht all dies dafür, dass selbst das Wetter auf dem fernen Neptun von der Sonnenaktivität beeinflusst wird. „Es ist faszinierend, dass wir irdische Teleskope nutzen können, um das Klima auf einer mehr als 4,3 Milliarden Kilometer entfernten Welt zu erforschen“, sagt Koautor Carlos Alvarez vom Keck Observatory.

Noch haben die Forschenden aber erst begonnen, die Wetterkapriolen des Eisriesen aufzuklären. Denn neben der Sonnenstrahlung beeinflussen auch noch andere, interne Faktoren die Wolken- und Sturmbildung auf dem Neptun. Was jedoch unter der bläulichen Gashülle des Planeten vor sich geht, ist bisher erst in Teilen erforscht. (Icarus, 2023; doi: 10.1016/j.icarus.2023.115667)

Quelle: W. M. Keck Observatory, Space Telescope Science Institute

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