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Biotechnologie

Hatte „Graf Dracula“ blutige Tränen?

Proteinreste auf 550 Jahre alten Briefen verraten Neues über das Vampirvorbild Vlad III.

Vlad III.
Der rumänische Fürst Vlad III., auch Vlad Draculea genannt, gilt als Vorbild für Bram Stokers Vanmpir Graf Dracula. © historisch/ Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie

Neues zum Vampirvorbild: Der berüchtigte rumänische Fürst Vlad III., Vorbild für Graf Dracula, könnte an Hämolacria gelitten haben – seine Tränen enthielten offenbar Blut. Indizien dafür liefern drei rund 550 Jahre alte handschriftliche Briefe von Vlad III. Protein-Fragmente auf diesen Briefen legen nahe, dass der wegen seiner Grausamkeit berüchtigte Fürst an Entzündungen der Atemwege und Haut litt und bluthaltige Tränen weinte. Auch Pestbakterien aus jener Zeit konnte das Team auf den Briefen nachweisen.

Die berühmte Romanfigur des Grafen Dracula beruht wahrscheinlich auf einem realen Vorbild: dem rumänischen Fürsten Vlad III., auch als Vlad Draculea – „Sohn des Drachen“ bekannt. Dieser um 1431 geborene Regionalherrscher war für seine Grausamkeit und das unerbittliche Vorgehen gegen osmanische Angreifer auf seinem Territorium berüchtigt. Überlieferungen nach soll er zehntausende Menschen gefoltert und gepfählt haben, was ihm auch den Beinamen Tepeș einbrachte – der Pfähler.

Brief von Vlad III.
Dieser Brief wurde von Vlad III. im Jahr 1475 geschrieben. Er enthält Proteinreste, die vom berüchtigten Fürsten stammen könnten. © Analytical Chemistry, 2023, doi: 10.1021/acs.analchem.3c01461

Drei Briefe von Vlad Draculea

Jetzt haben Forschende um Maria Pittala von der Universität Catania in Italien neue Einblicke in Gesundheit und körperliche Eigenheiten des berüchtigten Fürsten und Vampirvorbilds erhalten. Basis ihrer Studie waren drei handschriftliche Briefe des Fürsten Vlad III., die dieser in den Jahren 1457 und 1475 an die Oberen der rumänischen Stadt Sibiu geschrieben hatte. Vor allem die beiden später verfassten Briefe waren mehr als 500 Jahre lang fast unberührt in den Archiven der Stadt verwahrt und sind daher nahezu perfekt erhalten.

Damit boten diese Briefe eine Chance, auf ihnen noch biologische Spuren von Vlad Draculea zu finden. Denn über Talg, Schweiß, Hautschuppen und andere Körperabsonderungen können Proteine des Briefschreibers auf das Papier gelangen, die selbst hunderte Jahre später noch nachweisbar bleiben. Um solche Proteinreste aufzuspüren, nutzten Pittala und ihr Team eine spezielle Folie aus Ethylenvinyl-Acetat (EVA). Wird sie auf die Oberfläche eines historischen Dokuments gepresst, wirkt ihre Oberfläche anziehend auf Proteine und Peptide und bindet sie.

Die auf diese Art extrahierten Moleküle lassen sich mittels Massenspektrometrie analysieren. Um moderne Kontamination und andere biologische Spuren jüngeren Datums auszuschließen, nutzten die Forschenden für ihre weiteren Analysen nur die Peptide, die fortgeschrittene Alterserscheinungen in Form chemischer Degradation zeigten.

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Hinweise auf blutige Tränen

Tatsächlich wurde das Team fündig: Auf den Briefen des Dracula-Vorbilds wiesen sie 575 Peptide menschlichen Ursprungs nach. Unter diesen waren die Fragmente von 16 Proteinen, die von Fürst Vlad III. stammen könnten. „Drei dieser Peptide sind mit Proteinen der Netzhaut und der Tränen assoziiert“, berichten Pittala und ihre Kollegen. „Auch Peptide, die auf Blutproteine oder Proteine der Atemwege zurückgehen, wurden auf allen Dokumenten identifiziert.“

Diese Funde könnten darauf hindeuten, dass Fürst Vlad Draculea an einer Hämolacria litt – einer Störung, durch die die Tränenflüssigkeit Blut enthält. „Er könnte demnach mit Blut gemiscihte Tränen geweint haben“, berichten die Forschenden. Dieses Ergebnis würde zu historischen Berichten passen, nach denen Vlad III. unter dieser Krankheit gelitten haben soll. Allerdings finden sich die Peptidrelikte der „blutigen Tränen“ nur auf den beiden späteren Briefen, wie die Analysen ergaben. Ob sie auf dem ersten nicht erhalten sind oder ob der „Pfähler“ seine Hämolacrie erst später entwickelte, ist unklar.

Peptide vom Pestbakterium Yersinia pestis

Unter den rund 1.000 von Bakterien oder Viren stammende Proteinbruchstücken auf den Briefen entdeckten die Wissenschaftler zudem Peptidspuren eines besonders berüchtigten Erregers: dem Pestbakterium Yersinia pestis. „Dieses Bakterium verursachte von 1347 bis 1352 den Tod von gut 25 Millionen Menschen in Europa und es dauerte 150 Jahre, bis sich die europäische Bevölkerung von dieser Katastrophe erholte“, so Pittala und ihre Kollegen.

Die Forschenden vermuten, dass die Pesterreger damals mit Reisenden und Migranten in die Walachei gelangten. „Der Süden Rumäniens war ein strategisch wichtiger Ort, weil er als Treffpunkt für Soldaten, Sklaven und Händler aus ganz Europa und dem Orient diente“, erklären sie. Dabei wurden nicht nur Güter und kulturelle Traditionen ausgetauscht, sondern auch Krankheiten und Epidemien.

Es gibt allerdings aus historischen Berichten keine Hinweise darauf, dass Vlad III. selbst an der Pest erkrankt war. Weitere, auf den Briefen nachgewiesene Peptide deuten jedoch darauf hin, dass der berüchtigte Fürst unter Entzündungen der Haut und/oder der Atemwege gelitten haben könnte.

Fenster in die Vergangenheit

Damit hat die Studie einige neue Informationen über das berühmte Vampirvorbild Vlad Draculea und seine Zeit zutage gefördert. „Zwar können wir nicht ausschließen, dass im Mittelalter auch andere Menschen diese Briefe angefasst haben, aber es ist anzunehmen, dass die prominentesten Proteine von dem Menschen stammen, der diese Briefe schrieb und unterzeichnete – Fürst Vlad III.“, konstatieren Pittala und ihre Kollegen.

Gleichzeitig liefern diese Analysen neue Einblicke in das Leben und die Umwelt der mittelalterlichen Walachei, einem damaligen Schmelztiegel der Kulturen. Mehr darüber könnten weitere Analysen der identifizierten Peptide verraten, denn bisher sind noch nicht alle ausgewertet und zugeordnet, wie das Team erklärt. (Analytical Chemistry, 2023; doi: 10.1021/acs.analchem.3c01461)

Quelle: American Chemical Society

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