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Biochemie

Sind die Venuswolken doch lebensfreundlich?

Aminosäuren und andere Lebensbausteine überstehen die Schwefelsäure der Venusatmosphäre

Venus und Aminosäuren
Aminosäuren und andere molekulare Lebensbausteine können der ätzenden Schwefelsäure der Venuswolken widerstehen, wie Versuche ergeben haben. © AXA/ J. J. Petkowski

Weniger lebensfeindlich als gedacht? Die Wolken der Venus galten bisher als zu säurehaltig, um selbst einfaches Leben zu ermöglichen. Doch jetzt enthüllt ein Experiment: Aminosäuren können der hochkonzentrierten Schwefelsäure der Venuswolken standhalten. Damit können alle wichtigen Lebensbausteine den Venusbedingungen trotzen. Rein biochemisch wäre daher außerirdisches Leben in den Venuswolken durchaus denkbar, wie die Forschenden berichten. Aber wie wahrscheinlich ist dies?

Die Venus war einst lebensfreundlich, in ihren Ozeanen könnte sich sogar Leben entwickelt haben. Doch das Wasser verdampfte und heute ist die Venus-Oberfläche tödlich heiß und lebensfeindlich. Anders ist dies in den Venuswolken: In rund 48 bis 80 Kilometer Höhe herrschen milde Temperaturen und ein erträglicher Druck. Sie könnten daher ein Refugium für Venus-Mikroben geboten haben – sofern es diese jemals gab.

Venus
Könnte es Leben in den Venuswolken geben? Bisher ist dies strittig. © NASA/JPL-Caltech

Doch wie lebensfreundlich die Venuswolken wirklich sind und ob es dort außerirdischen Leben geben könnte, ist strittig. Zwar wiesen Planetenforscher im Jahr 2020 das Gas Phosphin nach, das als möglicher Indikator für biogenen Prozesse gilt. Andere Wissenschaftler bezweifeln jedoch, dass die Spektralsignatur von Phosphin stammt. Zudem enthalten die Wolkentröpfchen der Venus hochkonzentrierte Schwefelsäure, aber so gut wie kein freies Wasser.

Lebensbausteine im Härtetest

Das wirft die Frage auf, ob Zellen und biochemische Lebensbausteine unter den Bedingungen der Venuswolken überhaupt existieren können. Immerhin hatten frühere Versuche bereits ergeben, dass Nukleinsäuren und DNA-Basen der ätzenden Schwefelsäure durchaus widerstehen können. Deshalb haben nun Maxwell Seager vom Worcester Polytechnic Institute in den USA und sein Team eine weitere essenzielle Gruppe von molekularen Lebensbausteinen daraufhin geprüft: die Aminosäuren.

Für ihre Studie wählten die Forschenden die 20 Aminosäuren aus, die vom DNA-Code der irdischen Organismen kodiert und von ihrer Zellmaschinerie für den Aufbau von Proteinen genutzt werden. Diese Aminosäuren lösten sie jeweils 81- oder 98-prozentiger Schwefelsäure und beobachteten dann, was mit den Biomolekülen passierte: Werden sie von der ätzenden Säure zersetzt oder bleiben sie stabil? Im Verlauf von vier Wochen ermittelten Seager und seine Kollegen immer wieder den Zustand der Aminosäuren in den Säurebädern.

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Überraschend widerstandsfähig

Das überraschende Ergebnis: „Diese Bausteine des irdischen Lebens sind gegenüber Schwefelsäure erstaunlich stabil“, berichtet Koautorin Sara Seager vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). 19 der 20 getesteten Aminosäuren reagierten gar nicht auf die ätzende, hochkonzentrierte Säure oder wurden nur in ihren Seitenketten chemisch verändert, wie das Team feststellte. Diese Widerstandsfähigkeit änderte sich auch im Laufe der vier Wochen nicht.

Demnach könnten fast alle biogenen, vom irdischen Erbgut kodierten Aminosäuren die ätzende Säure der Venuswolken überstehen. „Menschen haben landläufig die Vorstellung, dass konzentrierte Schwefelsäure ein extrem aggressives Lösungsmittel ist, das alles sofort in Stücke zerlegt“, sagt Koautor Janusz Petkowski, vom MIT. „Aber wir haben festgestellt, dass das nicht unbedingt zutrifft.“ In ihren Tests erwies sich nur die Aminosäure Tryptophan als anfällig gegenüber der zersetzenden Wirkung der Schwefelsäure. „Aber es gibt 500 bekannte Aminosäuren und tausende weitere Varianten“, so das Team.

Außerirdisches Leben nicht ausgeschlossen

Nach Ansicht von Seager und seinem Team sind die Venuswolken damit nicht per se lebensfeindlich. Denn zumindest die wichtigsten biochemischen Lebensbausteine – DNA-Basen, Nukleinsäuren, Aminosäuren und auch einige Lipide – könnten in dieser Umgebung durchaus existieren. In ergänzenden Versuchen erwiesen sich die Aminosäuren auch dann noch als stabil, wenn die konzentrierte Schwefelsäure mit anderen Chemikalien vermischt waren, darunter Kohlenmonoxid und Eisenoxid, die beide in Venuswolken vorkommen.

„Das bedeutet natürlich noch nicht, dass es auf der Venus auch Leben gibt“, betont Maxwell Seager. „Aber wenn unsere Versuche ergeben hätten, dass das Rückgrat der Aminosäuren geschädigt worden wäre, dann hätte dies Leben, wie wir es kennen, weitgehend ausgeschlossen.“

Wie es in den Venuswolken wirklich aussieht und ob es dort außerirdisches Leben gibt, könnten einige für die nahe Zukunft geplante Raummissionen klären. Sowohl die NASA als auch die ESA bereiten Venussonden vor und 2025 soll zusätzlich eine private Raumsonde zur Venus fliegen und ihre Atmosphäre erkunden. (Astrobiology, 23024; doi: 10.1089/ast.2023.0082)

Quelle: Massachusetts Institute of Technology

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