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Sonnensystem

Wie lebensfreundlich war die Venus?

Unser Nachbarplanet könnte fast drei Milliarden Jahre lang habitabel gewesen sein

Urzeit-Venus
Mildes Klima, flüssiges Wasser und sogar Ozeane – so könnte unser Nachbarplanet Venus einst ausgesehen haben. © NASA

Zwilling der Erde: Der Planet Venus könnte zwei bis drei Milliarden Jahre lang ein mildes, lebensfreundliches Klima besessen haben – und sogar einen Ozean, wie nun ein Modell nahelegt. Erst vor rund 700 Millionen Jahren machte ein drastischer Treibhauseffekt unseren Nachbarplaneten zu einer heißen, wolkigen Hitzehölle. Wäre dieses Ereignis nicht gewesen, könnte die Venus sogar noch heute lebensfreundlich sein, wie Forscher berichten.

Unser innerer Nachbar Venus ist in vielem ein Zwilling der Erde – nur nicht im Klima. Denn auf ihr herrschen heute höllische Temperaturen von mehr als 450 Grad und sie besitzt eine extrem dichte, wolkige Atmosphäre. Doch schon vor ein paar Jahren lieferten Daten von Venus-Sonden und Modellsimulationen Hinweise darauf, dass die Venus noch bis vor rund 700 Millionen Jahren durchaus lebensfreundlich und erdähnlich gewesen sein könnte.

Unklar blieb damals allerdings, ob es auf der Urzeit-Venus auch mild genug für flüssiges Wasser und sogar Ozeane gewesen sein könnte. Denn bisher gibt es nur wenige chemisch-physikalische Daten von der Oberfläche des Planeten. Jetzt haben Michael Way vom Goddard Institute for Space Studies (GISS) der NASA und seine Kollegen verschiedene Szenarien für die Urzeit-Venus in einem Modell nachgestellt.

Vier Varianten der Venusgeschichte

Dafür gingen die Forscher von vier Oberflächenvarianten aus: Einer Venus mit heutiger Topografie aber tiefen Ozeanen in ihren Senken, einer Venus mit flachen Wasserflächen, einer Venus mit erdähnlicher Topografie und einem komplett mit Wasser bedeckten Planeten. Diese Modellplaneten setzten die Forscher dem Strahlungseinfall aus, wie er vor 4,2 Milliarden Jahren, vor 715 Millionen Jahren und heute auf Höhe der Venusbahn herrscht.

Als Gashülle simulierten sie zunächst eine zu 90 Prozent aus Kohlendioxid bestehende Ur-Atmosphäre, dann einen Wechsel zu einer erdähnlichen, Stickstoff-dominierten Atmosphäre. Denn wenn sich die Venus ähnlich wie die Erde entwickelt hat, dann müssten geochemische Reaktionen im Laufe der Zeit einen Großteil des CO2 in Silikat- und Carbonatgestein gebunden haben, wie die Forscher erklären.

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Theoretisch lebensfreundlich bis heute

Die Simulation ergab: Die Venus könnte tatsächlich über zwei bis drei Milliarden Jahre lang ein lebensfreundlicher Planet mit Ozeanen und einem milden Klima gewesen sein. In allen Szenarien herrschten auf unserem Nachbarplaneten trotz seiner größeren Nähe zur Sonne nur Temperaturen zwischen 20 und rund 50 Grad Celsius – und das sogar bis heute, wie die Forscher berichten.

„Die Venus erhält zurzeit fast doppelt so viel Sonneneinstrahlung wie die Erde“, sagt Way. „Aber trotzdem haben wir in allen von uns modellierten Szenarien festgestellt, dass die Venus sogar heute noch für flüssiges Wasser geeignete Temperaturen haben könnte.“ Obwohl unser Nachbarplanet knapp innerhalb der habitablen Zone des Sonnensystems kreist, hätte er demnach theoretisch auch im Klima fast ein Erdzwilling sein können.

Dramatischer Wandel

Doch es kam anders: Vor rund 700 Millionen Jahren änderte sich das Schicksal unseres planetaren Nachbarn abrupt. Innerhalb von relativ kurzer Zeit setzte eine starke Ausgasung von CO2 und Wasserdampf ein, die einen massiven Treibhauseffekt auslöste. Dieser führte zu einer extremen Aufheizung des Planeten und der dichten, wolkigen Atmosphäre, die die Venus heute kennzeichnen.

Was aber löste diesen Wandel aus? „Etwas passierte auf der Venus, durch das eine gewaltige Menge an Gasen in die Atmosphäre freigesetzt wurde und nicht wieder vom Gestein aufgenommen werden konnte. Das transformierte die Venus komplett“, erklärt Way. Er und seine Kollegen vermuten, dass ein fast planetenweiter Ausbruch von Vulkanen den Anstoß für die Treibhaus-Venus gab.

Vulkanische Katastrophe?

„Auf der Erde gibt es auch Beispiele für ein solches ausgedehntes Ausgasen, beispielsweise bei der Bildung der Sibirischen Trapps. Allerdings hatten diese Ereignisse nicht das Ausmaß wie auf der Venus.“ Der Ausbruch der sibirischen Vulkanprovinz vor 250 Millionen Jahren gilt als Ursache für das schwerste Massenaussterben der Erdgeschichte. Auf der Venus schmolzen diese Eruptionen weite Teile der Planetenkruste auf und ließen das zuvor in den Silikaten und Carbonaten gebundene CO2 entweichen. Dadurch erlebte die Venusatmosphäre einen massiven Einstrom von Treibhausgasen – und ihr Klima wandelte sich drastisch.

Die Folge war eine völlig neue, umgestaltete Venuskruste und ein sich selbst verstärkender Treibhauseffekt, der unseren Nachbarplaneten in eine Gluthölle verwandelte, so das Szenario der Forscher. Dazu passt, dass Raumsonden auf der Venus tatsächlich Indizien für ein Aufschmelzen und eine Umgestaltung großer Krustenteile gefunden haben. Zudem könnte die Venus bis heute vulkanisch aktiv sein – auch darauf gibt es Hinweise.

„Wir benötigen mehr Missionen, die die Venus untersuchen und mehr Informationen über ihre Geschichte und ihre Entwicklung liefern“, sagt Way. „Aber unsere Modelle zeigen eine echte Wahrscheinlichkeit, dass unser Nachbarplanet einst lebensfreundlich und radikal anders als die heutige Venus war.“ (EPSC-DPS Joint Meeting 2019)

Quelle: Europlanet Media Centre

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