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Ökologie

Invasive Pflanzen können jahrhundertelang schlummern

Große Verzögerungen bei der Verbreitung eingeschleppter Pflanzen festgestellt

Spitzwegerich
Invasiver Spitzwegerich kann 177 Jahre lang schlummern, bevor er auf einmal Probleme bereitet. © Mohsen Mesgaran/UC Davis

Invasive Zeitbomben: Manche eingeschleppten Pflanzen können jahrzehnte- oder sogar jahrhundertelang schlummern, bevor sie sich dann schlagartig verbreiten und große Schäden anrichten, so eine neue Studie. Demnach neigen rund 35 Prozent der untersuchten invasiven Pflanzen zu einer solchen Verzögerungsphase. Auch zwei Pflanzen aus Deutschland zählen zu den gefährlichsten „Schläfer-Invasoren“ der Welt.

Wenn gebietsfremde Arten in neue Regionen eingeschleppt werden, können sie dort große Schäden anrichten. So haben etwa invasive Ratten seit Anfang des 16. Jahrhunderts bereits jede dritte Vogel-, Säugetier- und Reptilienart weltweit ausgerottet. Auch invasive Pflanzen können ganze Ökosysteme bedrohen. Derzeit führen zwei von ihnen sogar die Liste der erfolgreichsten Bioinvasoren der Welt an: die südamerikanische Wasser-Hyazinthe (Pontederia crassipes) und das Wandelröschen (Lantana camara).

Invasive Pflanzen als Schläfer

Doch wie gefährlich eine eingeschleppte Pflanze für heimische Ökosysteme ist, lässt sich nicht immer sofort erkennen, wie Biologen um Philipp Robeck von der University of Melbourne nun herausgefunden haben. Von 5.700 untersuchten invasiven Pflanzenarten aus neun Regionen – darunter Australien, Großbritannien, Südafrika und die USA – stellten sich rund 35 Prozent als sogenannte Schläfer heraus. Zwischen ihrer Einschleppung und großflächigen Verbreitung vergingen jeweils Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte.

Rekordliste
Die Schlummerrekorde in den neun untersuchten Regionen © UC Davis

Im Schnitt schlummerten die invasiven Arten rund 40 Jahre, bevor sie sich auf einmal stark verbreiteten, wie die Forschenden ermittelt haben. Mit 320 Jahren am längsten im Dornröschenschlaf lag demnach der Bergahorn (Acer pseudoplatanus). Obwohl der unter anderem in Deutschland heimische Laubbaum bereits 1613 in Großbritannien eingeführt wurde, verbreitet er sich dort erst seit 1933 merklich. Dabei verdrängt er zahlreiche einheimische Gewächse und nimmt den Tieren so Schritt für Schritt ihre vertrauten Nahrungsquellen weg.

Auch den Schlummerrekord in den USA hält eine Pflanze, die ursprünglich aus Europa kommt und in Deutschland heimisch ist. Der Spitzwegerich (Plantago lanceolata) ist bereits im Jahr 1822 in die Vereinigten Staaten eingeführt worden, hat aber erst 177 Jahre später erste große Probleme bereitet. Das krautige Gewächs entzieht dem Boden große Mengen Wasser und Nährstoffe, was den Anbau von Nutzpflanzen wie Mais und Sojabohnen gefährdet.

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Klimawandel könnte Pflanzen wecken

Doch was verursacht die lange Verzögerung zwischen Einschleppung und Verbreitung? „Eine Verzögerungsphase könnte beispielsweise auf eine lange Generationszeit zurückzuführen sein oder die Zeit widerspiegeln, die für die Anpassung benötigt wird, damit die Art neue Umgebungen kolonisieren kann“, erklären Robeck und sein Team. Dementsprechend tendieren mehrjährige Pflanzen eher zum Dornröschenschlaf als einjährige.

Aber viel wichtiger als die Eigenschaften der Pflanze sind offenbar die Bedingungen, die sie in einer neuen Region vorfindet. Ob eine invasive Pflanze schlummert, ist demnach in 60 Prozent der Fälle von der Region abhängig, in die sie eingeschleppt wurde, berichten die Forschenden. Landet die Pflanze direkt in einer für sie passenden Gegend, entfällt die Schlummerphase. Findet sie sich bei ihrer Ankunft jedoch zunächst in einer unwirtlichen Umgebung wieder, muss sie erst darauf warten, in passendere Regionen weitertransportiert zu werden – sei es mit Absicht oder aus Versehen.

Doch auch der Klimawandel kann einem schlummernden Invasor auf einmal die nötige Starthilfe verschaffen: zum Beispiel indem es in einer Region immer wärmer und trockener wird und diese dadurch genau den Vorlieben der eingeschleppten Pflanze entspricht.

„Sie sind wie invasive Zeitbomben“

Die schlummernden Eigenschaften einiger invasiver Pflanzen könnten in Zukunft zu einem großen Problem werden. Denn wenn nach der Einführung einer fremden Art nicht zeitnah negative Konsequenzen ersichtlich sind, wird ihr fatalerweise oft wenig Aufmerksamkeit geschenkt. „Je länger sie ruht, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir sie ignorieren“, sagt Seniorautor Mohsen Mesgaran von der University of California in Davis. „Sie sind wie invasive Zeitbomben.“

Weitere Forschung soll nun dabei helfen, die Risiken eingeschleppter Pflanzen trotz Schlummerphase zuverlässig zu bewerten. Dafür wollen Robeck und seine Kollegen zunächst genauer untersuchen, wie sich das heimische Klima der invasiven Arten von den Bedingungen an ihren neuen Standorten unterscheidet. (Nature Ecology & Evolution, 2024; doi: 10.1038/s41559-023-02313-4

Quelle: University of California – Davis

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