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Sonnensystem

Super-Sonnensturm traf 1872 die Erde

Dritter Extrem-Sonnensturm der Neuzeit erzeugte Polarlichter und Stromausfälle selbst in den Tropen

Solarer Ausbruch
Die Erde wurde in den letzten knapp 200 Jahren dreimal von besonders schweren Sonnenstürmen getroffen. © NASA/ Solar Dynamics Observatory

Solarer Volltreffer: Im Februar 1872 erstrahlten selbst über Nordafrika und Indien leuchtende Polarlichter, vielerorts fielen Telefon- und Telegrafenverbindungen selbst über Unterseekabel aus. Der Grund: Einer der schwersten Sonnenstürme der Neuzeit hatte die Erde getroffen, wie nun die Auswertung historischer Daten und Dokumente enthüllt. Damit hat es in den letzten 200 Jahren gleich drei solcher Super-Sonnenstürme gegeben – das Risiko einer baldigen Wiederholung ist daher real, wie das Team betont.

Trifft ein heftiger Sonnensturm die Erde, können die Folgen fatal sein. Denn die energiereichen geladenen Teilchen verformen das Erdmagnetfeld massiv und dringen bis auf die Erdoberfläche vor. Die Folge sind Ausfälle und Schäden an Satelliten, Stromnetzen und Telekommunikations-Verbindungen. Im Jahr 1967 löste ein Sonnensturm dadurch sogar fast einen Atomkrieg aus, im Jahr 1972 verursachte schon der „Streifschuss“ eines Sonnensturms weitreichende Ausfälle.

Polarlicht
Wenn Polarlichter wegen eines Sonnensturms in gemäßigten oder sogar tropischen Breiten auftreten, sind sie oft eher rötlich als grün gefärbt. © Orchidpoet/ Getty images

Doch es gab in der Neuzeit zwei Sonnenstürme, die um ein Vielfaches stärker waren diese Ereignisse. Der erste ist das berühmte Carrington-Ereignis im September 1859, der zweite der „New York Railroad Storm“ im Mai 1921. In beiden Fällen waren die Folgen fast weltweit zu spüren und Polarlichter traten selbst in tropischen Breiten auf.

Es gab noch einen Dritten

Jetzt hat ein internationales Team um Hisashi Hayakawa von der japanischen Nagoya-Universität einen dritten Extrem-Sonnensturm der Neuzeit identifiziert. Bei den Auswertungen historischer Astronomie- und Magnetfelddaten sowie zeitgenössischer Berichte über Polarlichter und technische Ausfälle in verschiedenen Regionen der Welt zeigte sich, dass es im Februar 1872 einen weiteren Sonnensturm der Megaklasse gegeben haben muss – den sogenannten Chapman-Silverman-Sonnensturm.

„Unsere Ergebnisse bestätigen, dass der Chapman-Silverman-Sturm im Februar 1872 einer der extremen geomagnetischen Stürme der jüngeren Geschichte war“, berichtet Hayakawa. „Seine Intensität liegt gleichauf mit der des Carrington-Ereignisses und des NY Railroad-Sturms.“ Interessant dabei: Auslöser dieses Sonnensturms war eine Sonnenfleckengruppe von nur mittlerer Größe, aber hoher Komplexität, wie historische Zeichnungen zeigen. Dies belege, dass auch mittelgroße Fleckengruppen extrem Sonnenstürme verursachen können, so das Team.

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Aurora-Berichte
Verteilung der Polarlicht-Sichtungen im Februar 1872. © Hayakawa et al. (2023)

Auroren und Kommunikationsausfall selbst in den Tropen

Das deutlichste Symptom dieses solaren Treffers sind mehr als 700 Berichte von leuchtenden Polarlichtern bis in die Tropen. So wurden die Auroren beispielsweise im indischen Bombay, aber auch im sudanesischen Khartum beobachtet. Ebenfalls schwerwiegend waren die technischen Folgen – obwohl es im Jahr 1872 noch weit weniger elektrische und funkbasierte Infrastruktur gab als heute. Der Sonnensturm unterbrach beispielsweise über Stunden die Telegrafenverbindung zwischen Bombay und Aden, die über ein Unterseekabel im Indischen Ozean verlief. Auch die Kommunikationsverbindung zwischen Kairo und Khartum riss ab.

Würde sich ein Sonnensturm dieser Intensität heute ereignen, könnte ein großer Teil der technischen Infrastruktur, von Stromnetzen über die Telekommunikation bis zur Satellitennavigation ausfallen. Als Folge wären auch der Flugverkehr, die Funkverbindungen, das Internet und viele weitere essenzielle Funktionen betroffen. „Könnten wir auch ohne diese Infrastruktur überleben? Sicher, aber es wäre eine extreme Herausforderung“, sagt Hayakawa. „Je länger der Ausfall anhält, desto schwieriger wird es für die Gesellschaft, vor allem in den urbanen Gebieten.“

Wie groß ist das Risiko heute?

Nach Ansicht der Wissenschaftler unterstreicht dieser Sonnensturm, wie real die Gefahr durch solche Ereignisse ist. „Wir wissen jetzt, dass die Welt mindestens drei geomagnetische Superstürme in den letzten beiden Jahrhunderten erlebt hat“, sagt Hayakawa. „Solche Ereignisse sind zwar selten, aber diese drei Sonnenstürme demonstrieren, dass es eher Glück war, dass es seither keine mehr gegeben hat.“

Doch gerade jetzt ist das Risiko für einen erneuten Mega-Sonnensturm besonders hoch: Der aktuelle Sonnenzyklus 25 nähert sich gerade seinem Maximum. Schon jetzt hat die Häufigkeit und Stärke von Strahlenausbrüchen und koronalen Massenauswürfen deutlich zugenommen. Bis zum solaren Maximum im Jahr 2025 könnte sich das noch weiter verstärken – und die Gefahr eines Supersonnensturms wächst mit. (The Astrophysical Journal, 2023)

Quelle: Nagoya University

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